Weltreise 2004–2006 (3. Teil: West- und Nordafrika)
Zwei Jahre unterwegs mit dem Toyota LandCruiser
Nach Indien – durch Afrika
Donnerstag, 1.12.2005
Wir sind in Ghana! Nachdem wir die letzten zwei Tage in Südafrika noch damit verbracht hatten, die Frachtpapiere für unseren LandCruiser abzuholen und weitere Kleinigkeiten zu besorgen, die es während des weiteren Verlaufes unserer Reise wohl kaum mehr so einfach zu kaufen gibt wie in Kapstadt, haben wir uns gestern Mittwoch endgültig vom südlichen Afrika verabschiedet. Toll dass uns der Verleiher unseres Mietwagens von Strand noch gratis zum Flughafen fuhr, und das zum Glück schon am Vormittag! So konnten wir unseren Inlandflug von Kapstadt nach Johannesburg vorverschieben und entgingen damit wohl einem grossen Problem. Denn kaum hatten wir den Security-Check passiert, wurde die Check-in-Halle wegen eines Bombenalarms evakuiert. Wir konnten drin bleiben und flogen mit knapp einstündiger Verspätung noch einigermassen zur Zeit ab, doch danach dürften Chaos und Verspätungen noch um einiges angewachsen sein.
So konnten wir jedoch ohne Stress auf den Flug SA 107 der South African Airways wechseln, der uns morgens um halb eins auf seinem Flug nach Washington im Rahmen einer Zwischenlandung auf den schon wie ausgestorbenen Flughafen von Accra entliess. Eine knappe Hundertschaft von Einreisenden und eine Handvoll gelangweilte und dafür umso pingeligere Grenzbeamte, das dauerte schon mal fast eine Stunde. Und natürlich war – man hätte eigentlich eine Wette abschliessen sollen – der reservierte Mietwagen nicht zur Stelle. Und, als wäre das Taxi in die Stadt nicht schon teuer genug, müssen wir auch noch auf Zimmersuche gehen, denn unsere Hotelreservation ist logischerweise ebenfalls verschlampt worden. Wir haben ein Zimmer gefunden, allerdings direkt neben einer Disco, in der bis rund vier Uhr früh die Hölle los ist. Dass zu guter letzt auch noch kein Wasser zum Duschen und Spülen der Toilette floss, wunderte uns auch nicht mehr – wir sind wieder im tiefsten Afrika!
Heute morgen nun haben wir unser reserviertes Zimmer nun doch noch beziehen können, und mittlerweile fliesst in Accra auch das Wasser wieder. Und noch etwas fällt uns hier positiv auf: Man kann hier spazieren gehen, ohne permanent von Bettlern oder irgendwelchen Geschäftlimachern angebaggert zu werden.
Montag, 5.12.2005
Ghana ist das Land der starken Frauen. Wohl in keinem andern Land Afrikas ist die Rolle der Frau sowohl im familiären Bereich wie auch im Berufsleben so tragend wie hier. Ob auf dem Markt oder in Büros, hier verhandelt man meistens mit selbstbewussten Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts, was zweifelsohne klar angenehmer ist. Allerdings war für uns erstmal drei Tage Pause angesagt: denn Freitag war hier in Ghana offizieller Feiertag (Farmers Holiday) – wir LIEBEN diese Feiertage! – und Samstag, Sonntag läuft in den Büros ja ohnehin nichts, also kein Beantragen von Visa, kein Abholen der zur Schweizer Botschaft bestellten Ersatz-Gasfedern fürs Aufstelldach unseres LandCruisers, kein Abschliessen der nun wieder benötigten Haftpflichtversicherung und auch kein erstes Vorsprechen auf dem Büro der Frachtagentur, die das Ausschiffen unseres Fahrzeugs in die Hand nehmen soll. Stattdessen stürzten wir uns am Samstag ins fast unvorstellbare Gewühl des städtischen Marktes und besuchten am Sonntag als Kontrastprogramm dazu das Nationalmuseum.
Dazwischen hatten wir genügend Zeit, ein hier übliches, über drei Tage dauerndes, ausgelassenes Beerdigungsfest zu beobachten. Hier trägt die Trauergemeinde nicht schwarz, sondern weiss. Es wird auch nicht getrauert, sondern zu lüpfiger Musik fröhlich gefeiert. Und der Clou: Der Verstorbene wird in einem seinem Beruf oder Hobby nachempfundenen Sarg bestattet: Der Fischer in einem Fisch, der Grosswildjäger in einem Löwen, der Taxifahrer in einem Mercedes.
Und wir konnten uns ausgiebig über die ungewohnten Verpflegungsmöglichkeiten mokieren. Es gibt in unserem Quartier kaum Restaurants, dafür jede Menge Garküchen, die zu ganz bestimmten Zeiten nur ganz bestimmte Gerichte anbieten. Das Frühstück vis-à-vis des Hotels (Omeletten-Toast und Kaffee) ist ungemein schmackhaft.
Fufu (ein Gnocchi-artiger Brei aus Kochbananen) oder Banku (dasselbe aus Mais) sind zwar ebenso lecker. Statt Poulet voller Knochen oder Fisch voller Gräte wäre uns als Beilage dazu ein Mischgemüse allerdings viel lieber. Und dass man das ganze noch mit der Hand aus einem Plastiksack essen sollte, steigert unseren Appetit auch nicht gerade.
Heute nun ist Business angesagt. Wir mieten uns ein Taxi für rund 75 Franken für den ganzen Tag, das sei hier preiswerter als ein Mietwagen zum selbst Fahren – weshalb ist uns ein Rätsel, doch so erübrigt sich die langwierige Sucherei. Zuerst zur Schweizer Botschaft – das Paket sei noch nicht angekommen, doch man werde es selbstverständlich entgegennehmen und für uns aufbewahren. Dann Visa für Burkina Faso beantragen. Die Leute dort sind auf Zack, die Pässe seien um zwei Uhr nachmittags schon wieder zum Abholen bereit. Bleibt grad knapp genug Zeit um zum Büro der Frachtagentur im Hafen von Tema zu fahren und dort schon mal Frachtpapiere und Carnet de Passages zu übergeben. Das Schiff mit unserem Container sei angekommen, aber noch nicht entladen, vor Donnerstag sei ein Ausklarieren unseres LandCruisers kaum möglich. Doch die Lady vom Frachtbüro namens Abigail ist eine echte Powerfrau, was die Hoffnung wachsen lässt, dass es keine weiteren Verzügerungen mehr gibt… Zurück zur Botschaft von Burkina Faso – die Pässe sind tatsächlich fertig gestempelt – und gleich weiter zu jener von Mali. Zehn Minuten vor Feierabend (das heisst vier Uhr) treffen wir ein. Hier ist das Visum etwas billiger, doch die Ausfertigung dauert länger, nämlich bis am Mittwoch Nachmittag. Uff, das war ein Tag, jetzt gibts erstmals ein grosses Bier in einer schon fast zu unserer Stammkneipe gewordenen Bar!
Donnerstag, 8.12.2005
Eine Woche sind wir nun schon in Ghana, und ausser dem mässig interessanten Quartier Adabraka in Accra haben wir eigentlich noch nicht viel gesehen. Dafür einiges erledigt: Die Visa für Burkina Faso und Mali sind in den Pässen gestempelt, die Versicherung bis und mit Senegal ist abgeschlossen, die Kosten fürs Ausschiffen unseres Fahrzeugs sind überwiesen, und die in Deutschland bestellten Gasfedern fürs Aufstelldach unseres LandCruisers konnten wir heute morgen ebenfalls auf der Schweizer Botschaft in Empfang nehmen. Nun wäre es an der Zeit, endlich unser rollendes Haus wieder übernehmen zu können. Aus diesem Grund haben wir heute unser Domizil von Accra nach Tema verlegt, um dort – in einem Guesthouse direkt neben der Frachtagentur – das Geschehen besser unter Kontrolle zu halten.
Die Powerfrau vom Frachtbüro macht uns heute allerdings einen weit weniger souveränen Eindruck. Ja, vielleicht heute Nachmittag könnten wir ausladen, der Papierkram mit dem Zoll sei eben noch nicht ganz abgeschlossen – das alte Hafenlied! Alle zwei Stunden schauen wir nun im Büro vorbei und erkundigen uns nach dem Stand der Dinge, doch immer hören wir den selben Spruch, den wir schon fast nicht mehr hören können, umso mehr das Quartier rund ums Frachtbüro hier in Tema noch um einiges uninteressanter ist als jenes in Accra.
Montag, 12.12.2005
Gefangene in einem Hotel, verarscht von einer unfähigen Frachtagentur und einem Staat, dessen Bürokratie wohl durch nichts zu überbieten ist – so fühlen wir uns bis heute Morgen. Weder am Freitag, noch am Samstag Morgen konnten wir zum Hafen fahren und unser Auto in Empfang nehem. Die Papiere seien noch nicht ganz fertig, der Container sei noch zuunterst in einem Stapel. Und als er endlich hervorgeholt wurde, sei er zum falschen Terminal gebracht worden, weil auf unserem Frachtschein das Wort „Transit“, also zollfreie Durchfahrt, fehle. Als schliesslich am Samstag gegen Mittag alles klar schien, war kein Zollbeamter mehr aufzutreiben. Wir schäumten vor Wut. Am Montag, ja am Montag ganz sicher, es seien jetzt alle Dokumente klar, und der Container stehe am richtigen Platz zum Ausladen.
Der Sonntag war zum Vergessen, und heute Morgen sollte es nun also losgehen. Pünktlich um neun Uhr sind wir auf dem Büro. Doch von Abigail, der Powerfrau, keine Spur. Und sonst schien niemand etwas zu wissen. Nach einer halben Stunde platzte dem Schreibenden der Kragen: Entweder erscheine diese Frau innert einer Viertelstunde im Büro, oder das ganze werde ein Fall für unseren Rechtschutz. Das hilft. Die Sekretärin lupft endlich ihren Arsch und bewegt ihn zum Telefon, um ihre Chefin zu suchen.
Die wiederum ist innert zehn Minuten hier, und weitere zehn Minuten später fährt uns einer der Angstellten zum Hafen. Welch ein Wunder, da steht tatsächlich unser Container, auch ein Zollbeamter ist zugegen, nur der Hafenagent unseres Frachtbüros mit allen Papieren in der Tasche lässt einmal mehr auf sich warten. Nach einer halben Stunde der grosse Moment: Schloss auf, Plombe weg, und unser LandCruiser kommt unversehrt in voller Grösse zum Vorschein. Der Zollbeamte verabschiedet sich, wir montieren die Dachlast, doch wo zum Teufel ist jetzt schon wieder dieser Hafenagent? Als er nach einer weiteren Stunde endlich wieder kommt, machen wir ihm ebenfalls in wenig freundlichem Ton klar, dass, wenn er jetzt nicht voll zu unserer Verfügung stehe, das Ganze ein Fall für die Anwälte werde…
Nun spurt der Boy und bringt uns zur Customs Examination. Das sei die Schlusskontrolle des Zolls, danach könnten wir abfahren, es ist halb zwei Nachmittags. Die Examination wird von einer Zollbeamtin durchgeführt, die nur schnell die Chassisnummer kontrolliert und einen Blick in den Innenraum wirft. Kein Ausladen, kein Erstellen einer Inventarliste oder sonst was, das wir befürchtet hatten. Danach verschwindet sie mit unserem Hafenagenten ins Büro. Der kommt nach zehn Minuten wieder raus. Alles ok? Denkste, es fehle eine Laufnummer, die irgend ein anderer Zollbeamte an einer andern Station im Hafen hätte auf die Scheibe pinseln müssen. Also fahren wir dorthin, doch der Pinselzöllner ist gerade in der Mittagspause. Das darf doch nicht wahr sein!
Unser Hafenagent kriegt stellvertretend die Schimpfkanonade ab. Kleinlaut zieht er ab und holt den Sandwich kauenden Zöllner aus der Kantine, der die fehlende Nummer pinselt. Zurück zur Beamtin von der Examination. Die findet im Papierkram prompt noch eine weitere Schwachstelle. Die Versicherung, welche, für den Fall, dass unser Fahrzeug nicht wieder ausgeführt würde, für die Einfuhrsteuer gerade stehen müsste, sei nur 15 statt 90 Tage gültig. So ein Schwachsinn, dafür haben wir ja extra das Carnet de Passages, das auch für Ghana gültig ist. Vier Formulare und je drei verschiedene Stempel von drei verschiedenen Büros später sollte nun alles klar sein. Mittlerweile ist fünf Uhr nachmittags. Oh nein, jetzt haben die vom Zoll unser Carnet de Passages, das nun eigentlich gar nicht mehr notwendig gewesen wäre, doch noch gestempelt, allerdings falsch! Noch eine halbe Stunde geht vorbei. Endlich können wir zum Ausgang fahren.
Dort muss zuerst noch ein Commissioner alle Papiere gegenzeichnen, doch der meint um Viertel vor sechs, er habe jetzt Feierabend. Dutzende von alten schrottreifen Autos, die aus Europa importiert werden und hier wohl noch zehn Jahre lang weiterfahren, warten noch vor dem Ausgang. Unser Hafenagent, angesichts unserer Hasstiraden über die Stümperhaftigkeit seiner Firma, den galoppierenden Amtsschimmel der Hafenzollbehörde, welche unter Missachtung internationaler Abkommen das Carnet de Passages nicht als einzig und alleiniges Importdokument anerkennt, und die Bananenrepublik Ghana im Allgemeinen immer kleinlauter, sucht verzweifelt nach einem andern Commissioner, der sich dann auch endlich noch dazu bequemt, die Papiere zu visieren. Mittlerweile ist es dunkel geworden. Nach drei Checkpoints – Zoll, Polizei und Hafenbehörde – und entsprechend dreimaligem Lupfen der Motorhaube zur Kontrolle der Chassisnummer (was hätten die wohl ohne meine Stablampe gemacht?) sind wir endlich raus – fix und fertig! Nie mehr ein Auto nach Tema verschiffen, NIE MEHR!
Donnerstag, 16.12.2005
Endlich haben wir unseren LandCruiser wieder, sind nicht mehr immobil und obdachlos! Etwas ungewohnt ist, nach über einem Jahr des links Fahrens, bloss der Rechtsverkehr. Wir haben nun rund vier bis fünf Tage Rückstand auf unsere Marschtabelle, aber dennoch genügend Zeit, uns an der Westküste an einem Palmenstrand zu erholen. Am Dienstag Morgen montierten wir erst einmal die neuen Gasdruckfedern an unserem Aufstelldach. Das war höchste Zeit, nach den drei Wochen im Container hatten die alten nun wirklich den Geist aufgegeben und wir konnten das Dach auch zu zweit fast nicht mehr öffnen. Nun geht‘s wieder wie geschmiert, eine wahre Wohltat!
Auftanken, Kühlschrank mit Frischprodukten auffüllen und dann nichts wie raus aus dem Grossraum Accra. Erstes Ziel: das Biriwa Beach Resort, deren deutsche Betreiber uns den fürs Ghana-Visum notwendige Reservationsfax nach Pretoria geschickt hatten. Die auf einer schattenlosen Anhöhe gelegene Anlage entpuppte sich zum Campieren allerdings als wenig ideal, unser Schweiss lief literweise, und auch der von Souvenirhändlern und andern Rumtreibern belagerte Strand gefiel uns nicht. Vor allem wegen der kostenlos benutzbaren Interneteinrichtung blieben wir dennoch einen Tag und zwei Nächte dort.
Im Anomabo Beach Resort fanden wir dann immerhin einen wirklich schönen Campingplatz direkt an einem Palmenstrand. Temperaturen um 35 Grad oder mehr und eine Luftfeuchtigkeit von gegen 95 Prozent lassen hier aber sogar den Tropentauglichsten gleich literweise schwitzen.
Sonntag, 19.12.2005
Da fährt man um die halbe Welt, entgeht dem Tsunami und anderen Gefahren, doch ausgerechnet an einem normalen Badestrand gerieten wir am Freitag in ernste Schwierigkeiten. Eine hartnäckige Unterströmung liess uns partout nicht mehr jene knapp 10 Meter zurückschwimmen, um wieder festen Boden unter die Füsse zu kriegen. Erst mit Hilfe des Bademeisters, der die Eigenarten des Strandes kennt, fanden wir schliesslich einen Weg zurück. Zu diesem Zeitpunkt waren wir noch fast die einzigen Gäste. Doch am Freitag Abend ging es los: Die Weihnachtstouristen aus Europa flogen ein, und bis am Samstag Abend war das Resort plötzlich voll.
Zeit für uns, dem Meer für rund zwei Monate Lebewohl zu sagen. Mit ein paar guten Tipps eines ebenfalls in Anomabo logierenden englischen Weltenbummler-Paares machten wir uns heute Morgen nordwärts auf den Weg. Erste Station war der Lake Bosumtwi, ein Kratersee, der bei dem in dieser Region heimischen Ashantivolk heilig ist und deshalb zum Fischen nur mit kleinen Holzeinbäumen befahren werden darf.
Es ist eine friedliche Stimmung an diesem absolut spiegelglatten See, zu dessen Ursprung es zwei unterschiedliche Thesen gibt: Vulkanismus oder Meteoriteneinschlag. Irgendwie würde man hier gern noch ein paar Tage dem Müssiggang frönen, aber nicht nur unser Ghanavisum läuft Ende Monat ab, für den restlichen Teil unserer Reise sind die rund vier verbleibenden Monate alles andere als zuviel.
Dienstag, 21.12.2005
Nun haben wir doch noch ein paar vorweihnächtliche Spuren entdeckt. Eine ganze Gasse des Marktes von Kumasi – einem der grössten Märkte von ganz Westafrika – ist kitschigem Weihnachtsschmuck, künstlichen Christbäumen und recht billigem Kinderspielzeug gewidmet. Genauso wie in einem anderen Quartier alles Occasions-Autoteile gehandelt werden: Sitze, Rückspiegel, Karosseriebleche, Türen, Felgen jeder Grösse von chromglänzend bis komplett verrostet und haufenweise Motoren.
Sonst allerdings vermag uns diese Stadt mit ihrem immensen Verkehrschaos nichts abzugewinnen, so dass wir heute Morgen gerne wieder weitergezogen sind. Von einer Schweizerin namens Rahel, welche beim selben Missions-Guesthouse wie wir zusammen mit ihrer einheimischen Freundin spätnachts noch recht lautstark ihr Zelt aufgeschlagen hatte, erhielten wir ein paar wertvolle Tipps zu Burkina Faso, bevor wir den Weg nach Kintampo antraten. Von hier aus wollen wir morgen einen Ausflug zu Wasserfällen und einem Affenreservat machen.
Freitag, 23.12.2005
Tiere, Tiere, TIERE – aber vorerst kein Grosswild, sondern Kleingetier der allerlästigsten Art: winzig kleine rote und schwarze stechende Insekten, sehen aus wie Fliegen und hinterlassen Dutzende von extrem juckenden roten Punkten auf Armen und Beinen, eine wahre Landplage. Und dann ist da noch jenes Brot fressende Etwas, das wir des Nachts rascheln hören aber weder zu sehen noch zu fassen kriegen: Maus? Gecko – aber die fressen doch kein Brot? Oder ein grosser Käfer? In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch hören wir den geheimnisvollen Mitbewohner ein erstes Mal und am Mittwoch haben die stechenden Biester erstmals zugeschlagen.
Nach dem informativen geführten Spaziergang durch den von ihnen bewohnten Wald nahmen wir spontan auch das Angebot des dortigen Visitor Centers an, auf dessen Gelände zu campieren. Das Brett unseres bordeigenen Tischs funktionierten wir dann kurzerhand dazu um, den geheimnisvollen, Brot fressenden Mitbewohner im Brotfach einzuschliessen, sobald wir ein Rascheln hören. Das Rascheln hörten wir tatsächlich und schlossen schnell das „Einstiegsloch“ mit dem Brett. Doch welche Enttäuschung gestern Donnerstag Morgen. Das Brot war zwar wieder angefressen, doch im Fach war weder eine Maus noch sonst irgend ein Getier eingeschlossen. Dafür hatten offensichtlich die stechenden Biester auch während der Affenbesichtigung wieder ganze Arbeit geleistet.
Nächste Station war der Mole Nationalpark, auf dessen, gemäss unserem Reiseführer oft von Elefanten frequentierten, Campingplatz wir Weihnachten zu verbringen hofften. Nach einer recht staubigen Anfahrt erreichten wir den Parkeingang gestern Abend und freuten uns schon über die gegenüber den Parks in Südostafrika erstaunlich günstigen und nicht pro Tag, sondern einmalig erhobenen Eintrittspreise. Doch die Enttäuschung folgte auf dem Fuss: Camping sei nicht mehr möglich, seit ein Elefant vor kurzem ein paar Zelte zerstört habe. So blieb uns nichts anderes übrig, als bei einer originellen einfachen Lodge im benachbarten Dorf Larabanga unser Nachtlager aufzuschlagen und heute als Tagesbesucher den Park zu besuchen.
Doch auch das ist nicht so einfach, denn ohne Führer ist keine Pirschfahrt möglich, und das wiederum ist mit unserem Auto mangels drittem Sitz sehr mühselig. Wir beschränken uns deshalb auf je einen kurzen Abstecher am Vormittag sowie am Abend und hängen in der übrigen Zeit auf der Aussichtsterrasse des Parkrestaurants mit Sicht aufs Wasserloch herum. Nein, so hatten wir uns Weihnachten im Park tatsächlich nicht vorgestellt. Wir übernachten noch einmal in Larabanga und beschliessen, morgen weiter zu fahren – Weihnachten hin oder her.
Sonntag, 25.12.2005
Es gelang uns doch noch, die Heilige Nacht etwas in der Natur draussen zu verbringen. Auf dem Weg nordwärts entdeckten wir gestern Samstag nämlich einen Wegweiser zu einem Flusspferd-Schutzgebiet am Ufer des Black Volta River. Also nichts wie hin. Ja, Camping sei möglich, und auch hier betragen der Eintritt und die Kosten für eine eineinhalbstündige Kanusafari nur einen Bruchteil dessen, was wir dafür zum Beispiel in Zambia hätten bezahlen müssen.
Ok, es leben erst rund 25 Hippos im Schutzgebiet, während des ungemein beruhigend wirkenden Kanutrips bekamen wir gerade mal deren drei zu Gesicht.
Auch ist das einfache Camp mit Lehmhütten nicht direkt am Fluss gelegen. Doch wir kochten uns ein Chilli con Carne als Festmahl, genehmigten uns einen Liter spanischen Rotwein dazu und genossen die (im Vergleich zu Weihnachten in Europa) herrlichen Sommertemperaturen.
Die Maus (oder was immer es auch war) hatte sich beim Ausräumen der Staubox offenbar doch unerkannt aus dem Staub gemacht. Seit zwei Morgen ist das Brot nicht mehr angefressen und auch kein nächtliches Rascheln mehr zu hören.
Wir fahren weiter in die Provinzhauptstadt Wa, wo wir hoffen, doch noch ein paar Motive für die Bilderstory „Weihnachten im Outback“ schiessen zu können. Fehlanzeige! Ghanas Norden ist zum grossen Teil moslemisch, und es sind denn auch weit und breit keine Weihnachtsfeierlichkeiten zu sehen. Wir waschen stattdessen unsere Wäsche und beschliessen, so bald als möglich den Grenzübertritt nach Burkina Faso anzugehen.
Freitag, 30.12.2005
Mit dem Grenzübertritt von Ghana nach Burkina Faso haben wir endgültig den englischsprachigen Raum verlassen. Bis nach Marokko wird nun französisch parliert. Zugleich haben wir den Sahelgürtel erreicht, also den Südrand der Sahara. Es ist klar trockener hier (die Vegetation erinnert uns etwas an Namibia) und es bläst ab und zu ein heisser dürrer Wüstenwind, der Harmatan. Doch alles schön der Reihe nach:
Nachdem wir es am Morgen des 26. in Wa trotz Feiertag doch noch geschafft hatten, Geld zu einem vernünftigen Kurs zu wechseln (Bancomaten gibt es hier in der ghanaischen Provinz draussen keine mehr) und im Hinblick auf den teureren Dieselpreis in Burkina Faso nochmals vollzutanken, entdeckten wir auf dem Weg zum Grenzort Hamale doch noch eine stattliche christliche Kirche. Doch Gottesdienst war grad keiner im Gang, doch wir entdeckten im Innern immerhin ein bisschen weihnächtlichen Schmuck und eine Krippe.
Der Grenzübertritt ging dann einmal mehr so glatt über die Bühne, dass es uns fast unheimlich ist – irgendwann wird uns an so einer Grenze doch nochmals der grosse Hammer treffen, oder nicht? Da wir erst sehr wenig Geld für Burkina Faso (hier wie auch in Mali und Sengal wird mit dem CFA bezahlt, der wiederum in festem Wechselkurs mit dem Euro steht) im Sack haben, steuern wir eine katholische Missionsstation zum Übernachten an, denn dort bezahlt man immer soviel, wie man will oder kann. Der Platz ist toll, fast wie offroad, mitten in der Savanne.
Am Dienstag erreichten wir schön zeitig die Stadt Bobo Dioulasso, wo wir uns wieder mit Geld und Lebensmitteln eindecken wollten. Doch wir fühlten uns fast wieder nach Indien zurückversetzt: Man findet hier nichts auf Anhieb, das Strassenwirrwarr ist derart gross, zum Glück aber meist nur von Motorrädern und Mopeds benutzt. Einmal mehr trafen wir beim Umherirren ein anderes Schweizer Fernfahrerpaar aus Bern, ebenfalls mit einem LandCruiser unterwegs. Schliesslich fanden wir denn auch noch die Bank mit dem Bancomaten, den Supermarkt, das Internetcafé und sogar das Campment zum Übernachten, von dem wir falsche GPS-Daten in unserem Reiseführer haben, uff!!
Grosse Städte sind nach wie vor nicht unsere Vorliebe, besonders hier in Afrika. Da wird zuviel gebettelt, die Luft ist abgas- und rauchgeschwängert, und wenn frühmorgens die letzte Bar ihre Power-Lautsprecher abstellt, ruft schon wieder der Muezzin aus der Moschee. Also nichts wie wieder raus hier! Wir steuerten am Mittwoch den Lac Trénguela in der Nähe von Banfora an – ein richtig schönes Plätzchen an einem von Flusspferden bewohnten Gewässer. Wir durften sogar direkt am See campieren, worauf wir beschlossen, gleich noch einen Tag dort zu bleiben. Im nahen Village findet derzeit ein Kulturfestival statt, und das wiederum hat zahlreiche westliche Touristen angezogen, es wird an jeder Ecke getrommelt und getanzt. Das ferne Trommeln und das Grunzen der Hippos bilden eine echt afrikanische Schlafmusik.
Am gestrigen Tag feierten wir eine weitere Premiere: Wir flickten einen Reifen, der ein Nagelloch aufwies. Die Luft scheint drin zu bleiben – Operation gelungen. Routenplanung und ein Besuch des Villages füllten das Tagesprogramm. Offenbar unterschätzten wir jedoch die Intensität der Sonne. Abends zeigte Irma die typischen Anzeichen eines Sonnenstichs – Kopfweh, leichtes Fieber. Oder ist es gar Malaria?
Heute morgen ist das Fieber nach dem Frühstück weg, das Kopfweh aber noch da, keine Schüttelfröste, keine Schweissausbrüche, also wohl doch keine Malaria. Deshalb besuchen wir, wie geplant die Karfiguela-Wasserfälle (müssen dort wieder einmal die recht hartnäckigen Touristenführer abwimmeln) und installieren uns zeitig in einem in der Nähe gelegenen Campment zum Auskurieren dieser eigenartigen Krankheit. Mittlerweile ist Irmas Temperatur wieder leicht erhöht. Wenns bis morgen nicht besser wird, ist dann doch noch ein Arztbesuch in Bobo Dioulasso fällig!
Sonntag, 1.1.2006
Das war wohl der schlimmste Jahreswechsel, den wir je erlebt hatten. Denn Irmas Krankheit hat sich nicht gebessert, im Gegenteil. Gestern Morgen sind wir denn auch direkt vom Campement in der Nähe der Wasserfälle nach Bobo Dioulasso zurück gefahren und dort direkt zu einem privaten Arzt. Die Clinique Roseta ist klein, ein Einmannbetrieb, aber sauber aufgeräumt, und der Arzt ist zuvorkommend und hilfsbereit. Seine erste Diagnose: Malaria. Ein endgültiges Resultat ist jedoch nicht möglich, weil das Bluttestlabor im staatlichen Spital derzeit nicht funktioniert und das einzig private bereits Wochenende hat. So beginnen wir die Behandlung mit dem zurzeit wirksamsten Malariagegenmittel Cotrecxim. Bis am Abend ist allerdings keine Besserung von Irmas Zustand spürbar. Wir besuchen nochmals den Arzt, der nun parallel eine zweite Therapie mit einem Breitbandantibiotikum verordnet. Nach wie vor ist ein Laboruntersuch nicht möglich. Im Spital grinsen die Laboranten nur blöd und zucken die Achseln – appareil en panne... Das war Silvester 2005.
Heute morgen trotz des Antibiotikums nach wie vor keine Besserung. Der Arzt besucht uns in jenem Hotel, wo wir schon letzte Woche campiert hatten und nun zum Auskurieren ein Zimmer genommen haben. Er meint, noch etwas Geduld mit der Wirkung des Antibiotikums zu haben und verspricht, am Nachmittag nochmals vorbeizuschauen. Mittlerweile ist das Fieber von Irma wieder etwas gesunken, und sie ist wenigstens im Stande eine Kleinigkeit zu essen. Wir überlegen uns allerdings bereits ernsthaft, eine Repatriierung mit der Rettungsflugwacht zurück in die Schweiz in die Wege zu leiten. Umso mehr sich der Flugplatz von Bobo Dioulasso fast in Steinwurfdistanz vom Hotel weg befindet.
Mittwoch, 4.1.2006
FEIERTAGE!!! Hier in Burkina Faso dauert das Neujahr bis und mit 3. Januar. Das heisst, das einzige Labor, das hier eine Blutuntersuchung zu machen noch im Stande ist, arbeitet erst heute, am 4. Januar, wieder. Gnade Gott, wenn da eine Krankheit diagnostiziert werden sollte, bei der es um Leben und Tod geht! Zum Glück hat der behandelnde Arzt von Irma mit seiner zweiten Diagnose, nämlich einer Salmonellose, ins Schwarze getroffen. Mit den Antibiotika und nach einer fiebersenkenden Infusion am Sonntag Abend konnte zumindest schon das Fieber eliminiert werden. Doch damit war das Ganze noch nicht überstanden.
Am Montag hatte Irma nun zwar kein Fieber mehr, doch sie war schwächer und übler dran als zuvor. Jedes Aufstehen war eine Gratwanderung nahe der Bewusstlosigkeit. Viel trinken und essen, riet der Arzt, das seien Anzeichen von Dehydration und Blutzuckermangel als Folge der Infektion. Einfacher gesagt als getan, trinken und essen, wenn jemand so übel dran ist. Oder ist da gar doch noch mehr dahinter, als der Doktor meint; Laboruntersuchung war ja nach wie vor nicht möglich. Im Laufe des Tages stellte sich keine Besserung ein, so dass wir uns nun definitiv entschlossen, die Rettungsflugwacht zu kontaktieren, ob eventuelle eine Repatriierung und damit ein Ende unserer Reise die bessere Lösung wäre.
Die dort bei der Rega zuständigen Ärzte, ein Herr Dr. Brüngger und eine Frau Dr. Rickert reagierten schnell. Sie nahmen Kontakt auf mit unserem behandelnden Arzt und beurteilten den Fall aus der Ferne: Die Diagnose einer Salmonellose sei wohl richtig, ein Warten auf den Laborbericht, sobald sich das Labor wieder dazu bequemte zu arbeiten, sei durchaus angebracht, und der miserable Zustand von Irma sei wohl tatsächlich auf Dehydration und Unterzuckerung zurückzuführen. Allerdings konnten die Rega-Ärzte nicht verstehen, dass unser Arzt hier nicht von sich aus auf die Idee gekommen ist, diesen Zustand mittels Glucose-Infusionen zu verbesseren – typisch für den extremen Minimalismus hier in Afrika!
Gestern Dienstag Morgen, nachdem sich Irmas Zustand nach wie vor nicht verbessert hatte und wir ein weiteres Mal mit der Rega telefonieren mussten, ging dann plötzlich alles sehr schnell. Unser Arzt ordnete nun auf ein Mal eine Infusionstherapie in seiner Klinik an. Zwei Glucose-Infusionen gestern und eine weitere heute. Das wirkte Wunder. Jetzt ist Irma zwar noch etwas schlapp, aber sonst wieder völlig ok. Und die ganze Behandlung, die wir ja ohnehin der Krankenkasse in Rechnung stellen können, kostete nicht einmal 220 Franken. Aber ohne die Intervention der Rega-Ärzte wäre hier wohl niemand auf die Idee gekommen, eine solche „Luxus“-Therapie anzuordnen. Der einzige Vorteil unseres Zwangsaufenthalts hier in Bobo Dioulasso: Der Artikel für die Zeitschrift „auto-illustrierte“ über unsere Weihnachten im Outback von Ghana konnte endlich produziert und auf CD-ROM per DHL-Kurier in die Schweiz geschickt werden. Morgen aber werden wir nun dieser Stadt hoffentlich endgültig den Rücken kehren.
Samstag, 7.1.2006
Wir sind wieder unterwegs, allerdings durch Irmas sehr langsame Rekonvaleszenz doch noch ziemlich beeinträchtigt Vor allem ihr Magen rebelliert nun gegen die noch eine Woche lang einzunehmenden Antibiotika. Und die schon länger fällige Wäsche wird von einem auf den andern Tag verschoben. Nicht zuletzt auch, weil sich kein Platz, den wir zum Übernachten angefahren haben, dazu eignet, einen Tag stationär zu bleiben.
Am Donnerstag sind wir von Bobo Dioulasso zum rund 50 Kilometer entfernten Marée des Hippopotames gefahren, einem weiteren von Flusspferden bewohnten Gewässer, oder besser gesagt Sumpfgebiet. Wir können dort direkt am Wasser campieren, ohne von Kindern belästigt zu werden, allerdings ohne jede Infrastruktur, wie offroad. Gestern Freitag Morgen konnten wir – im Eintrittspreis von rund 9 Franken inbegriffen – sogar noch eine halbstündige Bootsfahrt zu den Hippos auf dem See unternehmen, bevor wir auf Nebenpisten quer durchs ländliche Burkina Faso nach Boromo weitergefahren sind.
Dort fanden wir ein Campement direkt in einer Flussbiegung, das ab und zu Elefantenbesuch bekommen soll. Kein Witz: Campieren kostet rund 12 Franken, wer aber die Elefanten zu Gesicht bekommt und fotografiert, muss rund 6 Franken extra bezahlen. Tatsächlich kamen heute Morgen zwei Gruppen der Dickhäuter zu Besuch, wir verkneifen uns aber das Fotografieren. Wir haben ja schon genug Jumbos abgelichtet. An Ort bleiben ist aber auch hier nicht toll, der Campingplatz bietet zu wenig Schatten.
Also weiter nach Sabou, wo sich ein Weiher mit heiligen Krokodilen und gleich daneben ein Campement befindet. Doch auch hier ist längeres Verweilen nicht angesagt, das Gelände ist zu nahe am Dorf, zu wenig gegen neugierige Kinder abgeschottet und hat eine zu baufällige Infrastruktur. Das Scheisshaus hat entweder gar kein Wasser, oder wenn das Wasser dann mal fliesst, steht es knöcheltief. Der geneigte Leser merkt, der Schreibende ist derzeit ziemlich genervt!
Mittwoch, 11.1.2006
Zwei Magentabletten zu den Antibiotika hinzu brachten am Sonntag Irmas Befinden endlich wieder auf ein reisetaugliches Niveau, so dass wir problemlos bis nach Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso, durchfahren konnten. Der in unserem Reiseführer empfohlene Camping Pharaon mit der originellen Anti-AIDS-Werbung ist zwar klar teurer geworden, und der Manager zieht alle Register um uns vom Campieren abzuhalten und in ein (noch teureres) Bungalow zu bringen. Doch nach zähem Verhandeln haben wir einen vernünftigen Preis für vier Nächte auf dem zwar etwas verwilderten, aber riesigen und völlig menschenleeren Campinggelände ausgehandelt. Der Platz eignete sich hervorragend um endlich unsere grosse Wäsche zu erledigen und ein letztes Mal die dreimonatliche Innenraumreinigung an unserem LandCruiser vorzunehmen, das Dach zu schruppen, alle Kästchen zu leeren und zu entsanden, unsere Vorräte zu inventieren. Ein volles Programm für Sonntag Nachmittag, Montag und Dienstag. Heute Mittwoch schliesslich ergänzten wir noch unsere Vorräte, bevor wir uns morgen in Richtung Sahelzone und dann weiter nach Mali aufmachen werden.
Die letzten 100 Tage unserer Reise haben begonnen, und ein etwa mulmiges Gefühl beginnt uns zu beschleichen; geht auch der Rest der Reise noch so (mehr oder weniger) glatt über die Bühne wie bisher? Können wir unseren Lebensstandard auf dem gewohnt hohen Niveau halten? Umso mehr sich an unserer Ausrüstung gewisse Abnützungserscheinungen zeigen, die sich zum Teil weder mit Bordmitteln noch von lokalen Handwerkern beheben lassen. So schliessen die Reissverschlüsse am Aufstellverdeck nun definitiv nicht mehr, die Batterie an Irmas Armbanduhr ist leer, der Rasierapparat des Schreibenden hat einen Riss im Scherkopfgehäuse (Plastik!!!), und beim einen Schlafsack reisst der Stoff, beim andern ist der Reissverschluss defekt.
Zudem musste ein leckender Dieselschlauch (Zuleitung für die Standheizung) repariert werden, und das Profil der Reifen geht immer weiter hinunter. Mit dem Tausch der Vorder- und Hinterräder versuchen wir, noch ein paar tausend Kilometer heraus zu schinden. Eigentlich alles keine gravierenden Probleme, aber vielleicht kommt da ja doch noch was wirklich Ernstes nach... Oder sind das nur irrationale Ängste, begründet in einer gewissen Reisemüdigkeit? So oder so, offensichtlich geht eine Reisezeit von mehr als eineinhalb Jahren doch zunehmend an die Substanz, psychisch, physisch und materiell.
Freitag, 13.1.2006
Wir campieren wieder wild, die ersten zwei Male seit fast dreiviertel Jahren (Namibia). Das lässt doch wieder Reisefreude aufkommen! Gestern Donnerstag sind wir von Ouagadougou bis nach Dori gefahren und haben im Vorbeifahren noch die sieben eigenartigen Moscheen einer islamischen Sekte in Boni bestaunt.
In Dori selbst wollten wir nach bewährtem Muster bei der katholischen Mission campieren, doch dort gab man uns selbst den Tipp, draussen im Busch zu nächtigen. Das Gebiet hier sei sicher und an jenem Ort, wo man uns hinwies, würden wir auch gewiss nicht von bettelnden Kindern belästigt. Das liessen wir uns natürlich nicht zweimal sagen und schlugen uns in die Büsche. Tatsächlich kam keine Menschenseele vorbei, nur eine muhende Kuhherde holte uns mitten in der Nacht aus dem Schlaf.
Es ist eine interessante Gegend, die Sahelzone, mit einem vielfältigen Gemisch der Völker: Touareg, Bella, Peul, usw. Auf der Strecke von Dori über Gorom Gorom und Oursi nach Déou konnten wir die verschiedenen Dörfer, Kleidungen und Fortbewegungsarten bestaunen. Nun haben wir rund 10 Kilometer vor Déou wieder mitten im Busch relativ früh unser Lager aufgeschlagen und geniessen hier die absolute Ruhe der Savanne.
Montag, 16.1.2006
Da kriegte wohl einer den Schreck seines Lebens ab. Nach einer absolut ungestörten Nacht mitten in der Savanne zwischen Oursi und Déou hörten wir am Samstag Morgen eine durchziehende Kuhherde und die Stimmen zweier Männer, wahrscheinlich der dazu gehörenden Hirten, die sich wohl über das scheinbar verlassen da stehende Auto wunderten. Wir machten keinen Mucks; erst als einer der beiden begann, an der Türfalle rum zu hantieren, rief Irma laut und deutlich in Schweizerdeutsch raus: „ned aalänge!“ Dann hörte man nur noch einen Schrei und panisches Davonrennen von Mensch und Vieh. Als wir zur Dachluke hinaus guckten, waren gerade noch die Schwänze der letzten zwei galoppierenden Kühe zu sehen.
Eigentlich wollten wir auch die letzte Nacht in Burkina Faso nochmals in freier Wildbahn verbringen, doch je näher man an die Stadt Ouahigouya kommt, desto grüner und fruchtbarer wird die Landschaft und entsprechend dichter die Besiedelung. So blieb uns nichts anderes als einmal mehr in der Stadt ein Campement zu suchen (das wir nach etwa einer Stunde umher irren denn auch noch fanden…), das abends gleich noch als Freiluft-Disco für die Quartier-Jugend dient. Vorteil: Am Sonntag konnten wir hier vor der Abfahrt Richtung Mali nochmals unseren Diesel-, Gemüse-, Obst- und Biervorrat aufstocken. Man weiss ja nie, was einen jenseits der Grenze erwartet.
Der Grenzübertritt ging einmal mehr mit fast unglaublicher Reibungslosigkeit von statten. Da hört man von Reisenden, die zum Teil Tage lang an einem Grenzposten hängen, und bei uns geht das von Mal zu Mal schneller. In den vier Büros zwischen Burkina Faso und Mali (je eines für Pass- und Zollkontrolle), verteilt auf einer Strecke von rund 30 Kilometern, verbrachten wir insgesamt höchstens eine halbe Stunde, keiner wollte auch nur einen Blick ins Auto werfen.
Auf einer Buschpiste wollten wir anschliessend den mitten im Dogonland liegenden Ort Bandiagara ansteuern. Einfacher gesagt als getan, denn wir hatten nur gerade die Koordinaten von drei Wegpunkten für unseren GPS. Auf der Strecke lagen aber rund 10 kleine Dörfer, aus denen man ohne fremde Hilfe garantiert nicht mehr rausfindet. Und sobald man anhält, um nach dem Weg zu fragen, wird man zuerst von einer Horde Bonbons und Stylos bettelnder Buben überfallen. Mit etwas Glück bekommt man dennoch den Wink eines Erwachsenen mit, der einem den Ausgang aus dem Häuserlabyrinth weisst. Dann nichts wie weg in einer Staubwolke bis zum nächsten Kaff. Schliesslich fanden wir doch recht geradlinig den richtigen Einstieg in die Falaise de Bandiagara, dem rund 140 Kilometer langen, etwa 250 Meter hohen Grabenbruch quer durchs Dogonland.
Nach einer ruhigen Nacht auf einem schönen Campingplatz etwas ausserhalb Bandiagara beschlossen wir heute, das Dogonland weiter zu erkunden. Auf unserem Campingplatz erhielten wir schon einen Tipp, wo wir einen zuverlässigen Führer zum Besichtigen eines Villages anheuern können.
So können wir nach 30 Kilometer ziemlich ruppiger Piste in Sanga all den aufsässigen, an der Strasse stehenden Schleppern eine lange Nase drehen und gleich mit unserem Führer zum nahe gelegenen Village Banani fahren.
Dieses Dorf gehört zu jenen, die schon bei der Einwanderung der animistischen Dogon im 14. Jahrhundert direkt an die Felswand der Falaise gebaut wurde. Und typisch: Oberhalb des Dogon-Dorfes selbst sind in der Felswand noch die puppenstubenartigen Lehmbehausungen eines Pygmäenvolkes namens Tellem zu sehen.
Dieses Volk wanderte beim Einzug der Dogon zwar Richtung Kamerun aus, wird von den Dogon aber noch heute verehrt. Ihre Behausungen werden als Grabstätten genutzt, und auch der Sérif, eine Art Dorfgeistlicher, haust dort oben. Und noch eine Eigenart: Der Dorfrat der Dogon tagt im Palaver-Raum, welcher absichtlich nur so hoch gebaut ist, dass man sitzen bleiben muss und nicht in der Hitze der Diskussion auf ein Mal aufspringt.
Samstag, 21.1.2006
Wir sind in Timbuktu, das liegt so ungefähr am Arsch der Welt, 200 Kilometer nördlich der Asphaltstrasse von Mopti nach Gao und über 1500 Kilometer oder 52 Kamelritt-Tage südlich von Zagora in Marokko. Dazwischen liegen einerseits die Sahara in ihrer ganzen Breite und andererseits der Fluss Niger, über welchen früher die per Karawane angeschleppten Waren (vor allem Salz) weiter nach Mopti spediert wurden.
Auf dem Landweg ist Timbuktu heute über eine relativ neue Piste und eine Fähre erreichbar. Eigentlich problemlos, allerdings hat das grosse touristische Verkehrsaufkommen die Piste schon wieder in Wellblech verwandelt, und an der Fähre, die nur vier Autos in 45 Minuten über den Niger schippert, kann es schon mal stundenlange Wartezeiten geben.
Wir erlebten dies am Donnerstag, nachdem wir nach einem faulen Dienstag in Bandiagara und der Fahrt am Mittwoch nach Douentza die Strecke durch die Sahel-Savanne in Angriff genommen hatten. Und wir haben dies heute ein zweites Mal erlebt, als wir Timbuktu wieder verlassen wollten. Eine Gruppe französischer Geländewagenfahrer ist schon an der Fährstation. Wir sind Auto Nummer 12, das hiesse rund sechs Stunden Wartezeit. Wir beschliessen aus diesem Grund noch eine Nacht in Timbuktu zu verbringen und unser Glück morgen nochmals zu versuchen.
Timbuktu selbst, das haben wir auf unserem Stadtbummel gestern erfahren, lebt vor allem von der Faszination einer Lehmstadt, die direkt an den Rand der Wüste gebaut wurde. Viele alte Gebäude wurden oder werden derzeit restauriert, um diesen Reiz zu erhalten.
Leider wird allerdings fast zuviel des Guten geleistet. Man hat kaum mehr das Gefühl, mitten in der Wildnis zu weilen angesichts wuchernder Stromleitungen, zunehmend gepflasterter Gassen und moderner Gebäude von Regierung und Hilfsorganisationen.
Nur mit dem Wort Camping tut man sich in Timbuktu ungemein schwer, obwohl es hier massenhaft Platz gäbe. Für die erste Nacht wählten wir das Sahara Passion, ein Guesthouse, das uns Engländer in Burkina Faso als beste Campingmöglichkeit am Platz empfohlen hatten. Die Enttäuschung war gross: Ein kleiner Innenhof, belebt mit viel zu viel Personal und dazugehörenden Familienmitgliedern, draussen eine Bar mit Musik bis spät in die Nacht und jede Menge wiehernder Esel. Die zweite Nacht versuchten wir es im Hotel Campement. Doch da mussten wir uns die enge Einfahrt sogar noch mit einem Rotel-Bus teilen.
Ab in die Wüste ist leider hier nördlich des Niger wegen der nach wie vor latenten Gefahr von terroristischen Überfällen keine Alternative, so stark die Dünen auch locken. Auch die Piste entlang des Niger nach Gao ist noch zu wenig sicher, um sie allein zu befahren. So sind wir heute trotzdem wieder ins Sahara Passion zurückgekehrt – scheint wirklich die beste Gelegenheit am Platz zu sein.
Dienstag, 24.1.2006
Wir haben es am Sonntag dann doch noch geschafft, von Timbuktu weg zu kommen, das heisst ohne nennenswerte Wartezeit mit der Fähre ans südliche Nigerufer überzusetzen. Dies nachdem wir am Abend zuvor noch bei einem echten Tuareg Kamelführer in dessen Zelt zu Gast zum Tee waren – logischerweise ging es auch diesmal darum, uns Schmuck zum Kauf anzubieten, allerdings auf eine klar weniger aufdringliche Weise als sonst. Ein echter Tuareg lebe auch heute nicht sesshaft, besitze weder Mobiltelefon noch Uhr und überschreite nie den Niger nach Süden, erzählt uns unser Gastgeber, der offenbar schon die ganze Sahara zwischen Marokko und Mali bzw. zwischen Mauretanien und Libyen per Kamel bereist hat.
Nachdem wir ausserhalb von Douentza im Busch übernachtet hatten und dort mit Mühe und Not alle unsere Einkäufe tätigen konnten, sind wir gestern auf der Asphaltstrasse bis nach Hombori gefahren. Das ist ein sehr ursprünglicher Marktflecken am Fusse von bizarr geformten Bergen wie zum Beispiel "Fatimas Hand". Gefällt uns klar besser als Timbuktu. Und auch die Auberge Tondonka ist zum Campieren deutlich besser geeignet als jene Unterkünfte in der Wüstenstadt.
Heute nun haben wir hier den lebendigen und wegen der Vielfalt der Völker sehr farbenfrohen Wochenmarkt besucht. Nur schade, dass die Leute es hier nicht so lieben, fotografiert zu werden. Da gelingen höchstens ein paar Schnappschüsse aus dem Hinterhalt. Auf dem Viehmarkt ist es dann doch noch möglich zu knipsen, was die Kamera hergibt; man muss hier nur in Begleitung eines Einheimischen aufkreuzen, welcher der örtlichen Kooperative angehört, und rund 5 Franken in die Kasse der Kooperative bezahlen.
Samstag, 28.1.2006
Hier in Mali ist die Versorgungslage offenbar tatsächlich wieder änlich schwierig wie damals in Pakistan und Indien. Yoghurt haben wir seit Burkina Faso keine mehr gesehen, wenn man nach Käse fragt, gibt es unisono immer nur „La Vache qui rit“, den Schachtelkäse aus Frankreich, und Corn Flakes sind ein absolutes Fremdwort. Man kriegt auf die Frage danach von Corned Beef bis WC-Papier so ungefähr alles angeboten. Und der von einem Franzosen geführte Supermarkt in Sévaré, offenbar der einzige zwischen Bamako und Gao, entpuppt sich als teurer Schuppen mit uralter Ware. Da stehen Wein- und Schnapsflaschen, die nur noch zu 2/3 gefüllt sind, so lange gammeln sie wohl schon an der Hitze vor sich hin. Und nicht einmal in Mopti, immerhin einem der Touristenorte schlechthin, ist es möglich, Geld von einem Bancomaten zu beziehen.
Mopti erreichten wir am Mittwoch Abend, auch hier hat das Campement für Campingfahrzeuge nur den Parkplatz auf Lager, doch die zentrale Lage ist ideal für den Besuch des Städtchens am Zusammenfluss von Bani und Niger, dessen Hauptattraktion der Hafen darstellt, wo zum Beispiel die Waren aus Timbuktu feil geboten werden oder auch jede Menge geräuchter Fisch.
Wir liessen am Donnerstag unsern LandCruiser schön auf dem Platz stehen und machten einen Stadtbummel zu Fuss. So wird man auch klar weniger von bettelnden Kindern angemacht, als wenn man aus einem Auto steigt.
Gestern Freitag sind wir nach Djenné weitergezogen, einer weiteren alten Stadt im Nigerdelta mit einer ausgesprochen sehenswerten Moschee und einem (im Gegensatz zu Timbuktu) weitgehend erhaltenen Stadtbild. Und ausgerechnet hier fanden wir am Markt sogar einen Uhrmacher, der Irmas Armbanduhr eine neue Batterie verpassen konnte. Nur die selbst ernannten Touristenführer sind eine wahre Plage.
So hatten wir heute Lust, wieder einmal im Busch, abseits aller Leute zu nächtigen, doch wir blieben in Teriyabougou hängen, einer landwirtschaftlichen Musterfarm eines Franzosen am Ufer des Bani mit Campement, Swimmingpool und warmer Dusche! Das haben wir doch auch wieder einmal gebraucht!
Donnerstag, 2.2.2006
Wir mögen bekanntlich grosse Städte nicht. Da macht auch Bamako, die Hauptstadt Malis, keine Ausnahme. Es ist eine weitere dieser eher gesichtslosen afrikanischen Metropolen, wo moderne Bankenpaläste mit kilometerweise Marktbuden entlang der Strassen kontrastieren und wo Verkehrschaos und Luftverschmutzung dominieren. Aber wir mussten einmal mehr ein Visum einholen, diesmal jenes für Senegal, und fanden hier sogar einen Supermarkt, der von Corn Flakes über Käse und Wein bis zu dunklem Brot fast alles zu vernünftigen Preisen anbietet, wonach wir in Mali bisher vergeblich gesucht hatten. Und das von einem betagten kanadischen Ehepaar geführte Campement „Le Cactus“, etwa 15 Kilometer ausserhalb des Zentrums, kommt einem richtigen Campingplatz doch recht nahe, so dass wir die überfällige grosse Wäsche noch tätigen konnten.
Nach drei Nächten haben wir Bamako allerdings endgültig gesehen, den Diesel- und Wasservorrat aufgestockt und den Kühlschrank mit Frischgemüse und Obst gefüllt, so dass wir gestern Mittwoch den Weg durch die Provinz über Kati und Kita in Richtung Kayes und senegalesischer Grenze in Angriff nehmen konnten.
Es ist das Land der Malinke, einem noch sehr natürlich lebenden Volk. Die Frauen in den kleinen Rundhüttendörfern oder beim Waschen am Wasserloch sind oft barbusig und machen keine Anstalten, sich zu bedecken, wenn wir vorbeifahren.
Hier ist wieder Buschcamping angesagt. Gestern fanden wir kurz nach Kati recht schnell einen Platz ohne Besucher. Heute, nachdem wir den von deutschen Firmen gebauten Staudamm von Manantali passiert hatten, versuchten wir es erst am Ufer des Bafing-Flusses, konnten uns dort aber zuwenig gut verstecken. Also auf die andere Seite der Piste, fast 500 Meter landeinwärts. Nichts ist zu hören, nichts ist zu sehen. Doch kurz vor dem Einnachten marschiert doch wieder einer auf seinem Nachhauseweg direkt vor unserem Fahrzeug durch, keine Ahnung woher und wohin.
Samstag, 4.2.2006
Mit der Überquerung des Bafing-Flusses auf der Eisenbahnbrücke von Mahina (wegen der aufstehenden Schienen nur für Geländewagen mit guter Bodenfreiheit möglich) begann gestern ein zweitägiges Offroad-Abenteuer. Die Strecke von Bafoulabe entlang des Senegal-Flusses (so heisst der Zusammenfluss von Bafing und Bakoye) entpuppte sich als echte fahrerische Herausforderung.
Steile ruppige Felsstufen wechseln auf dieser Strecke ab mit Sandpassagen und Staublöchern. Die Durchschnittsgeschwindigkeit sinkt auf 25 bis 30 km/h. Oft wird mit Reduktionsgetriebe gefahren. Einmal mussten wir eine besonders hohe Stufe sogar noch mit Steinen aufschütten, um nicht aufzusetzen.
Zum Übernachten von gestern auf heute wählten wir einen vermeintlichen Geheimtipp: die Wasserfälle von Gouina. Doch von geheim kann nicht die Rede sein. Was in unserem deutschsprachigen Reiseführer eher zwischen den Zeilen erwähnt wird, scheint in den französischen Büchern offensichtlich sehr prominent empfohlen zu werden. Ein Land Rover war schon bei unserer Ankunft dort stationiert, eine weitere Vierergruppe sollte eine halbe Strunde nach uns eintreffen.
Dennoch genossen wir den Abend mit Wasserfallrauschen, Halbmond, einem Lagerfeuer, dem letzten Aufflackern eines Buschbrandes am gegenüberliegenden Ufer und einem Glas Rotwein.
Nach drei Nächten Buschcamp erreichten wir heute Nachmittag schliesslich die Stadt Kayes, welche unsere letzte Station in Mali sein soll. Da wir Wasser tanken, Obst, Gemüse, Bier und Brot einkaufen sowie wieder einmal duschen wollen, wählen wir hier die staatliche Jugendherberge als Übernachtungsplatz. Wäre wohl normalerweise ein recht verschlafenes Plätzchen, doch derzeit findet der Fussball-Afrikacup statt, und weil das Jugendzentrum über einen der wenigen Fernseher verfügt, ist hier Highlife angesagt.
Dienstag, 7.2.2006
Bienen, Bienen, BIENEN! Unser Empfangskomitee in Senegal bestand aus tausenden wilder Bienen. Nach einem einmal mehr problemlosen Grenzübertritt (nur das Büro des Pass stempelnden Polizeibeamten musste man mitten im Zentrum von Kidira zuerst mal finden) suchten wir uns am Sonntag Nachmittag in der menschenleeren Buschsavanne des östlichsten Teils von Senegal recht früh einen Übernachtungsplatz unter einem alten knorrigen Baobab-Baum. Zuerst waren es nur zwei, drei dieser summenden Zeitgenossen, welche unser Auto umschwirrten, doch nachdem wir das erste Mal Wasser aus unserem Waschbecken auf den trockenen Erdboden abgelassen hatten, da waren sie plötzlich alle unter unserem Fahrzeug: tausende von Bienen, direkt auf der Wasserlache, als Traube am Abflussrohr und ohrenbetäubend summend rund herum.
Nach einer halben Stunde war der Spuk ertmals vorbei. Doch kaum hatten wir unsere erste Flasche Bier geöffnet – wusch – da waren sie alle wieder da, auf dem Tisch, an und in den Gläsern oder schon in der Flasche drin. Eine Schüssel Wasser-/Biergemisch, als Ablenkungsmanöver 50 Meter vom Auto weg platziert, erwies sich als völlig kontraproduktiv. Es kamen einfach nur noch mehr Bienen, und die blieben nun alle, bis nicht nur unser Bier, sondern auch die ganze Schüssel absolut tropfenfrei leergesaugt war. Doch zum Glück verschwinden Bienen bei Sonnenuntergang, so hatten wir wenigstens beim Nachtessen Ruhe. Doch am Montag Morgen begann das Theater natürlich wieder von vorn. Kein Wasser vorzeitig ablassen und alle Getränke sorgfältig abdecken – nur so konnten wir einigermassen in Ruhe frühstücken. Beim Zusammenpacken war dann wieder Ramba Zamba; ein Wunder, dass wir nicht ein einziges Mal gestochen wurden.
Nun, auch sonst blieb der erste Eindruck von Senegal etwas gemischt, nachdem wir am Montag zügig zum Nationalpark Niokolo Koba weiter gefahren waren: Seit neuestem ist hier der Eintritt nur mit Führer möglich. Sowas passt uns nicht; wir haben nicht nur keinen Platz im Auto, sondern mögen auch beim Campieren nicht die ganze Nacht jemanden um uns herum haben. Also wieder zurück in die nächstgelegene Ortschaft. Auskunft beim ersten Campement, schön am Gambia River gelegen: Ja, wir könnten hier schon campieren, allerdings nur auf dem Parkplatz ohne Schatten, und wir hätten gefälligst alle Mahlzeiten im teuren Restaurant einzunehmen.
Beim zweiten Camp, unter spanischer Leitung, dann zwar keine Sicht auf einen Fluss, aber immerhin Verständnis für unsere Bedürfnisse. Wir konnten schön am Rand des Geländes campieren, uns selbst verpflegen, und der Chef selbst suchte nach einer Möglichkeit, wie wir doch noch den Park besuchen können. Ein Klappstuhl wurde direkt mittig hinter unseren Sitzen installiert, und so nahmen wir nun heute halt wohl oder übel den Führer unseres Camps mit auf Pirschfahrt.
Allerdings ist dieser sehr naturbelassene Park (kein befahrbarer Zoo, wie gewisse Parks im südlichen Afrika) fast etwas zu gross und zu wenig übersichtlich, um in kurzer Zeit viele Tiere zu sehen. Ein paar Antilopen, Krokodile, Wildschweine, ein Flusspferd und sehr viele bunte Vögel, das wars. Dennoch ein abwechslungsreicher Tag in der wilden Natur. Einmal mussten wir sogar noch in schneller Fahrt ein uns einschliessendes Buschfeuer durchbrechen.
Sonntag, 12.2.2006
Nach einer weiteren Nacht auf dem spanischen Camp machten wir uns am Mittwoch auf ins Bassari-Land an der Südgrenze von Senegal zu Guinea – nicht, wie ursprünglich geplant, quer durch den Nationalpark (wegen des bekannten Problems mit dem Führer, den wir dann während der ganzen Rundfahrt bis zum Ausgangspunkt hätten mitschleppen müssen), sondern auf der Hauptstrasse über Kédougou. Der erste Abstecher zu den Wasserfällen von Ségou erwies sich als wenig lohnenswert. Nicht nur dass die Leute dort (es sind noch keine Bassari!) einmal mehr Euro-Zeichen in den Augen kriegen, wenn sie einen Weissen sehen. Auch die Wasserfälle selbst, die man erst nach einer Stunde Fussmarsch durch TseTse-Fliegen verseuchtes Buschland erreicht, sind wenig spektakulär, besonders jetzt in der Trockenzeit.
So zogen wir am Donnerstag mit Dutzenden von Fliegenstichen von unserem Fussmarsch tiefer ins Bassari-Land. Nur nach mehrmaligem Fragen nach dem Weg fanden wir schliesslich das in unserem Reiseführer empfohlene Campement Chez Balingho in Etiolo. Hier bei den Bassari war der Empfang klar herzlicher. Sogar die Kinder sind hier nur neugierig und betteln selten nach „Cadeaux“. Obwohl auch hier der Fortschritt nicht stehen geblieben ist – zwar verzichten auch heute noch da und dort Frauen innerhalb der Streusiedlungen auf eine Oberbekleidung, doch perlenbestickte Lendenschürzen, Penisfutterale und Nasenschmuck aus Knochen sieht man nicht mehr – halten die Bassari an ihrem animistischen Glauben fest und feiern nach wir vor ihre rituellen Maskenfeste. Ein solches, so erkärte uns unser ausgesprochen charmanter Gastwirt Balingho, sollte Samstag Nacht bei Vollmond über die Bühne gehen.
Warten oder nicht? Das war nun die Frage. Mangels Schatten spendender Bäume ist das Campement Chez Balingho in diesem tagsüber extrem heissen Gebiet ja schon nicht der ideale Platz, um eineinhalb Tage durchzuhängen und auf das Fest zu warten. Unser Vorrat an Brot, Bier und Obst war nicht auf eine so lange Aufenthaltsdauer ausgelegt, und hier oben gibt es praktisch keine Einkaufsmöglichkeiten. Dennoch beschlossen wir, uns dieses Spektaktel nicht entgehen zu lassen. Mangos konnten wir von den Frauen im Dorf kaufen, als Brot bucken wir wieder mal unsere eigenen Chapatis, nur das Bier blieb Mangelware …
Unter dem Einfluss der beiden recht heimtückisch alkoholischen Getränke und dem Eintreffen jeder weiterer Maskengruppe steigt die Stimmung von Stunde zu Stunde und erreicht den Höhepunkt, als nach den Maskenträgern auch noch die ersten Tänzerinnen mit den traditionellen Perlenkostümen eintreffen. Um halb drei Uhr verabschieden wir uns höflich, das Fest selbst dauert noch bis tief in den Sonntag Morgen. Doch um diese Zeit sind wir bereits wieder unterwegs über Kédougou (Bier und Brot einkaufen!) zurück Richtung Tambacounda.
In ein oder zwei Tagen wollen wir das Meer bei Mbour erreichen, wieder einmal Ferien von den Ferien machen und anschliessend versuchen, in Dakar unsere Ausrüstung so auf Vordermann zu bringen, dass wir die restlichen zweieinhalb Monate ohne Probleme zu Ende reisen können.
Mittwoch, 15.2.2006
Wir sind wieder einmal am Meer!! Nach einer Nacht beim bereits bekannten Spanier in Niokolo Samoo und einer weiteren Nacht im Busch zwischen Tambacounda und Kaolack haben wir gestern Dienstag Saly Mbour erreicht, DEN Badeort in Senegal.
Allerdings wissen wir gar nicht so recht, ob es uns hier gefallen soll. Es dominieren moderene Bungalow-Anlagen für Kurzurlauber, daneben herrscht das übliche afrikanische Chaos, aber irgendwie fehlt hier völlig die Strandromantik mit kleinen Bars und Beizchen, wie wir sie zum Beispiel in Goa oder Zanzibar angetroffen hatten. Der in unserem Reiseführer empfohlene, aber angeblich etwas abgelegene in den Dünen situierte Campingplatz sitzt inzwischen in Mitten eines Labyrinths von Apartmenthäusern versteckt. Auch eine Moschee ist in der Nachbarschaft erbaut worden – Weckruf des Muezzin morgens um sechs inbegriffen!
Er nennt sich Ferme de Saly, ist ein Park mit dichtem Baumbestand und privatem Zoo. Affen, Riesenschlangen, Krokodile und Pferde, die auch zum Ausreiten vermietet werden, teilen sich den Platz mit uns Campeuren. Na ja, immerhin haben wir hier einen von Händlern, Schleppern und Bettlern freien ruhigen Platz, wo wir unsere Wäsche waschen und den überfälligen E-Mail-Verkehr vom nahen Internetcafé aus erledigen können. Mit Dolce-far-Niente am Strand ist aber nichts. Die Sonne brennt tagsüber viel zu heiss, Sonnenschirme hat‘s keine, das Meer andererseits ist viel zu kalt zum Baden, und im übrigen sind zu viele fliegende Händler mit dem üblichen Souvenir- und Touristenkram unterwegs.
Samstag, 18.2.2006
Per Zufall trafen wir in Saly Mbour einen Jurassier, der hier seit rund drei Jahren ein kleines Restaurant mit Gästezimmern führt; heisst „Le petit Jura“, wie den sonst. Und der wiederum gab uns, als wir am Freitag bei ihm zu Mittag assen, den Tipp, das rund 40 Kilometer südlich gelegene Palmarin anzufahren und dort im Campement eines weiteren ausgewanderten Jurassiers zu campieren. Das taten wir nun heute, nachdem wir im modernen Supermarkt von Mbour noch unsere Vorräte ergänzt hatten. Allein schon die Anfahrt durch Baobabwälder und Salzseen ist die Reise wert.
Das Meer hier mitten im Naturschutzgebiet des Sine Saloum Delta schliesslich ist zwar auch nicht wärmer, aber sonst gefällt uns alles klar besser als in Mbour. Schade, dass wir nicht gleich hier her gekommen sind. Das Campement mit dem eigenartigen Namen Djidjack bietet neben einigen Bungalows tatsächlich einen richtigen Campingplatz, der Strand ist viel ruhiger und naturbelassener, es gibt keine Luxusresorts und keine lästigen Touristenschlepper, keinen Muezzin, der einen zu nachtschlafender Zeit zum Bett raus haut, und dank des permanenten Windes ist auch das Klima irgendwie angenehmer. Mal gucken, wie lange wir hier bleiben. Beeilen müssen wir uns ja nicht!
Dienstag, 21.2.2006
Vier Tage haben wir es in Palmarin ohne Probleme ausgehalten, den Sonntag und heute Dienstag haben wir mit Retablieren und Relaxen am Strand verbracht, gestern Montag nahmen wir noch an einem von unserem Gastwirt organisierten Pirogenausflug ins Vogelparadies des Mangrovendeltas von Sine Saloum teil. Mit dabei eine französische Familie mit vier halbwüchsigen Kindern. Dass da die Interessen nicht ganz auf derselben Linie lagen, ist klar. So stand am Vormittag zuerst Fischen à la Senegalaise, das heisst nur mit Leine, Haken und Köder auf dem Programm.
Wir hatten zuvor noch nie gefischt, entsprechend waren die ersten Versuche, nur schon die Leine richtig zu werfen, nicht von Erfolg gekrönt. Doch auch die französische Familie war nicht mit Petri Heil gesegnet. Und den ersten Fisch (ausser dem Piroguier und seinem Helfer) zog dann ausgerechnet der Schreiber dieser Zeilen an Bord. Allerdings einen Rascasse, das ist ein grauslich unansehnlicher Fisch, der offenbar hierzulande nicht gegessen wird und dessen Fang dem Fischer auch Unglück bringen soll; denn einmal am Haken stösst der Rascasse einen quakenden Warnlaut aus, der alle Fische im näheren Umkreis alarmiert und zum Abhauen veranlasst. Es gab dann zum Picknick aber dennoch Fisch vom Grill für alle.
Freitag, 24.2.2006
Am Dienstag Abend herrschte vorübergehend Alarmstimmung – nach dem Reinigen des Hauptfilters unserer Trinkwasseraufbereitung liess der Mikrofilter auf einmal kein Wasser mehr durch. Das Ganze normalisierte sich jedoch bis am folgenden Morgen wieder.
Nach einem Abstecher auf die aus aufgeschütteten Muscheln bestehende Insel Île de Fadiouth und ihre kleine Schwester, die Friedhofsinsel Diotyo, fuhren wir am Mittwoch im gestreckten Galopp nach Dakar. Hier soll sich, will man unserem Reiseführer Glauben schenken, ja sozusagen alles, was es auf dieser Welt gibt, auftreiben lassen.
Nun, einen richtigen Campingplatz gibt es schon mal keinen. Die wohl einzige Möglichkeit zum Campieren eröffnete sich auf dem Gelände des Hotel Voile d‘Or am schönen Monaco Plage. Immerhin ist es nachts hier einigermassen ruhig, Moschee gibt es ebenfalls weit und breit keine. Und sowohl die mauretanische Botschaft wie auch die offizielle Toyota-Vertretung sind gar nicht so weit weg.
Gestern Donnerstag war denn auch ein ausgesprochen produktiver Tag. Trotz des heillosen Verkehrschaos in der Stadt und einer mangels tauglichem Stadtplan gar nicht so leichten Orientierung schafften wir es in einem Tag, das mauretanische Visum einzuholen, unsere Vorräte im angeblich grössten Supermarkt Dakars zu ergänzen und unserem LandCruiser einen mittelgrossen Service bei der offiziellen Peugeot-/Toyota-Garage angedeihen zu lassen. So blieben für heute nur noch ein paar Härtefälle übrig: Ersatz für unsere mittlerweile vollends verschlissenen BF Goodrich Reifen, Ersatz oder Reparatur des Rasierapparats, der heute morgen endgültig über den Jordan gegangen ist, ein neuer Gasanzünder, Ersatz für Irmas Sonnenbrille sowie Mückenschutzmittel und Sonnencreme zu akzeptablem Preis.
Nun, die Reifen waren kein Problem, sie sind hier mit 250 Franken pro Stück inkl. Montage sogar noch klar billiger als in der Schweiz, und das trotz Mehrwertsteuer von 18 Prozent. Den Mückenspray fanden wir in einem Tankstellenshop, doch der Rest wurde hart, da sich auch nach längerem Durchfahren der vorwiegend von Weissen bewohnten Quartieren keine vernünftigen Läden finden liessen. „En ville – in der Stadt“, lautete immer unisono die Antwort. Na, dann mal prost.
Schon die Parkplatzsuche dort ist ein Spiessrutenlaufen, da einen Hunderte von selbsternannten Parkplatzwächtern, gegen happige Bezahlung natürlich, einweisen wollen. Dann erst die Suche nach so exotischen Produkten in Tausenden von Läden und Marktständen. Jeder weiss irgend einen Händler, der sowas im Programm hat, doch zuerst läuft man mit diesen Schleppern durch die halbe Innenstadt und bezahlt am Schluss sogar noch zu viel. Nun, am Schluss hatten wir ausser der Sonnencreme, die nun wirklich viel zu teuer war, doch noch alles gefunden. Wir werden uns allerdings hüten, hier zum Beispiel noch nach Ersatz für unsere kaputten Schlafsäcke suchen zu wollen.
Montag, 27.2.2006
Wir verliessen am Samstag Morgen Dakar ziemlich fluchtartig. Den Ausflug mit dem Boot auf die Insel Gorée liessen wir fallen, die Parkplatzsucherei am Hafen wäre ohnehin wieder in Stress ausgeartet, und vom Hotelparkplatz als Übernachtungsort hatten wir ebenfalls genug.
So machten wir, nachdem wir uns durchs Verkehrschaos stadtauswärts durchgekämpft hatten, bloss noch einen Abstecher zum meernahen Lac Rose, jenem extrem roten Salzsee, der als Zielort der Rallye Paris-Dakar bekannt wurde. Nur mit der Übernachtung ging es wieder einmal in die Hose: Eigentlich wollten wir in den Dünen der Desert de Lompoul, der einzig richtigen Wüste Senegals, nächtigen.
Doch Wüste heisst hier nicht etwa unbewohnt. Am Rand reiht sich Village an Village, und einen fahrbaren Einstieg in die recht hohen und extrem weichsandigen Dünen zu finden, ist ohne GPS-Daten oder gutes Roadbook praktisch unmöglich. Wir folgten der einzigen Fahrspur und standen schliesslich vor einem Wüstenzeltcamp für Luxus-Pauschaltouristen, wo man aber von campierenden Fernfahrern nichts wissen wollte. Ausweichen nach links oder rechts in die hohen Dünen war unmöglich, sogar beim Wenden sandeten wir uns noch tüchtig ein.
Nase voll! Also trotz einbrechender Dunkelheit noch weiter bis nach Saint Louis, wo wir aus zuverlässiger Quelle von einem Campingplatz unter Schweizer Leitung wussten. Die GPS-Koordinaten stimmten, und wir fanden die „Zebra-Bar“ trotz stockfinsterer Nacht auf Anhieb. Nur das Suchen einer Stellnische auf einem Campingplatz, der eben von einer Horde englischer Möchtegern-Rallyefahrern in Beschlag genommen wurde, ist nicht so einfach.
Nun, abgesehen von den Teilnehmern dieser „Plymouth-Banjul-Rallye“ (angesichts solcher Clowns wundert es einen nicht, wenn die Mauretanier weisse Touristen angeblich nicht für voll nehmen und nach Strich und Faden abzocken) ist der Platz hier mitten im Nationalpark der Langue de Barabarie ein wahres Paradies: funktionierende saubere Toiletten, warme Duschen und Dutzende von schönen Nischen zum Campieren.
Wir beschliessen, bis zu unserer Ausreise nach Mauretanien Ende dieser Woche, in dieser Oase der Ruhe zu verweilen, umso mehr sich die Engländer mit ihren aufgemotzten VW Käfern, bunt bemalten Lada Nivas und sonstigen für Afrikatrips eigentlich völlig ungeeigneten Vehikeln nach und nach aus dem Sand ausbuddeln und zur Weiterfahrt bereit machen.
Wir selbst machen einen Ausflug nach Saint Louis, das auch als Venedig Afrikas bezeichnet wird. Nun, die Stadt ist wirklich ungemein attraktiv auf zwei Inseln gelegen. Und noch eine Parallele zu Venedig stimmt: Jeder versucht hier, den Touristen etwas Geld aus dem Sack zu ziehen, angefangen beim Gendarmen, der peinlichst genau kontrolliert, ob wir angegurtet sind, einen Feuerlöscher und zwei Pannendreiecke an Bord haben und auch die Blinker funktionieren; ätsch, alles ok!!
Samstag, 4.3.2006
Gestern Freitag haben wir den wohl besten Campingplatz zwischen der Strasse von Gibraltar und dem Kunene-River (der geneigte Leser erinnert sich, das ist der Grenzfluss zwischen Angola und Namibia) nicht ohne Wehmut wieder verlassen. Hier hätten wir noch gut und gern zwei Wochen länger ausgehalten, wenn nicht unser Senegal-Visum heute abgelaufen wäre.
Die letzte Nacht im Senegal verbrachten wir noch im Vogelschutzgebiet von Dijoudi, wo wir sogar ohne Aufpreis im Park campieren durften. Soviele Vögel haben wir wohl noch nie auf einem Haufen gesehen, von riesigen Pelikanen über scharenweise Gänse und andere Wasservögel bis zu Schwalbenschwärmen, die sich offensichtlich für den Flug Richtung Europa bereit machen. Ein riesiges Geflatter, Gezwitscher und Gekrächze!
Heute nun nahmen wir randvoll mit Diesel, Wasser und Proviant den gefürchteten Grenzübertritt nach Mauretanien in Angriff. Nun, wir wählten mit dem Damm von Diama schon mal den ruhigeren und weniger von Schleppern und Geldwechslern verseuchten Übergang als jenen mit der Fähre in Rosso. Schikanen gab es auch hier keine, wir mussten nichts auspacken, nicht mal die Chassis-Nummer wurde kontrolliert, und ausser für den Mittagszuschlags des Pass stempelnden Polizisten auf senegalesischer Seite (sonst hätten wir von 12.30 bis 15 Uhr warten müssen) und für eine etwas dubiose Fahrzeugtaxe auf mauretanischer Seite gab es für alle sonst noch verlangten Gebühren (Brückenzoll, Taxe comunale) eine ordentliche Quittung. Und beim Abschluss der Versicherung verrechnete sich der Beamte (derselbe, der schon die Pässe gestempelt und die Fahrzeugtaxe kassiert hatte) mit den Steuer-PS im Fahrzeugausweis zu unseren Gunsten. Somit waren wir wieder quitt.
Nun sind wir also in Mauretanien und damit auf einen Schlag mitten im Wüstengebiet. Dünenzüge statt Buschsavanne, Zelte und quaderförmige Häuschen statt afrikanischer Rundhütten, hellerhäutige arabisch anmutende Mauren statt Schwarzafrikaner. Allerdings ist das Gebiet entlang der Hauptstrasse Richtung Nouakchott für unseren Geschmack nach wie vor viel zu dicht besiedelt. Nur mit Mühe haben wir einen einigermassen fern aller Siedlungen gelegenen Platz in einer Sandmulde zum Übernachten gefunden. Bereits beim Einfahren sind wir aber so eingesunken, dass wir die Sandbleche legen mussten. Jetzt liegen sie wenigsten bereits unter den Rädern, wenn wir morgen die Senke wieder verlassen wollen.
Dienstag, 7.3.2006
Die Sandbleche hat‘s gebraucht, am Sonntag Morgen, um aus der Sandkuhle heraus zu kommen, und wie! Etwa fünf Mal mussten wir ansetzen, bis unser schweres Gefährt (mit immer noch voll aufgepumpten Reifen) aus dem Loch raus war, intensiver Einsatz der Schaufeln inklusive. Aber wohl immer noch einfacher, als Luft ablassen und nach 500 Metern alle vier Reifen wieder von Hand auf über drei Bar aufpumpen. In Nouakchott dann die nächste Knacknuss: Entgegen den Angaben in unserem drei Jahre alten Reiseführer hat Mauretanien vor einem Jahr vom freien Freitag auf den freien Sonntag umgestellt, alle Banken und Wechselstuben waren also geschlossen. Nun, zum Glück konnten wir den teuren Campingplatz am Strand in Euro bezahlen. Treibstofftank, Kühlschrank und Vorratskiste sind ohnehin schon gut gefüllt. Wozu also brauchen wir überhaupt einheimisches Geld? Umso mehr wir ja die folgenden Nächte offroad zu campieren planen.
Am Montag Morgen starteten wir – nun mit reduziertem Luftdruck und entsprechend geradezu unheimlich verbesserter Traktion im Sand – denn auch zum Befahren der über 150 Kilometer langen Strecke dem Strand entlang bis nach Nouamghar. Diese nur bei Ebbe problemlos zu befahrende Route war früher die einzige direkte Nord/Südverbindung durchs Land. Seitdem vor kurzem eine neue Asphaltstrecke eröffnet wurde, fährt aber kaum mehr jemand die Strandroute.
Für uns traumhaft – wo kann man sonst auf dieser Welt noch eine so lange Strecke dem Meer entlang fahren und trifft dabei ausser den Bewohnern von ein paar Fischerdörfern keine Menschenseele an? Nun campieren wir schon das zweite Mal zwischen Sanddünen und Meer. Ein Paradies, das gestern bloss durch die vielen lästigen Fliegen gestört wurde. Heute sieht es etwas nach Gewitter aus – hoffentlich kein Sturm, das könnte sonst nasse Füsse und Reifen geben…
Freitag, 10.3.2006
Es gab tatsächlich Sturm in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch, allerdings nicht aus der befürchteten Richtung vom Meer her, sondern aus dem Landesinnern: Der Harmatan, ein warmer Wüstenwind aus dem Herzen der Sahara, setzte sich mit Macht gegen die kalte Atlantikluft durch. Es gab also weder nasse, noch kalte Füsse, dafür jede Menge Sand zwischen den Zähnen. Der Sturm war nämlich ein ausgewachsener Sandsturm.
Den ganzen Mittwoch über war die Sicht wie durch einen gelbbraunen Nebel verhangen. Das ging ja noch auf dem letzten Stück der Strandpiste. Doch von Nouamghar führte der Weg durch den Nationalpark der Banc d‘Arguin und damit etwas ins Landesinnere. Hier war es nun sehr schwierig noch Spuren im Sand auszumachen. Zeitweise fuhren wir deshalb nur noch nach GPS querfeldein von Wegpunkt zu Wegpunkt.
Ab und zu tauchten Geistern gleich Kamele auf und verschwanden ebenso schnell wieder hinter dem sandigen Schleier. Erst gegen Ende des Tages legte sich der Sturm allmählich und eine fahle Sonne erinnerte uns etwas an einen mitteleuropäischen Winternachmittag. Nur dass es bei uns hier etwa 25 bis 30 Grad wärmer war – in der Schweiz soll ja derzeit ein ganz struber Winter toben.
Wir beschlossen, noch eine weitere Nacht im Wüstengebiet der Banc d‘Arguin zu verbringen, nachdem wir am Donnerstag Morgen unsere schwindenden Wasservorräte an einem von Kamelherden rege besuchten Wüstenbrunnen ergänzen konnten. Um den rund 30 Liter fassenden Wassersack aus ungefähr 25 Meter Tiefe hoch zu hieven, wird ein Kamel vors Brunnenseil gespannt. Ist der Sack dann oben kann man Kanister oder andere Gefässe füllen, was daneben geht, läuft in ein Becken aus dem die Kamele dann ihren Durst löschen. Ein Kamel kann Unmengen aufs Mal trinken, das reicht dann aber für mehrere Tage.
Heute schliesslich sind wir aus der Wüste direkt und ohne Umweg über Nouadhibou zum neuen mauretanisch-/marokkanischen Grenzübergang gefahren. Einmal mehr null Probleme, keinerlei Korruption. Nur der Fahrzeugimport nach Marokko ist mit etwas mehr Schreibkram verbunden, da hier das Carnet de Passages nicht anerkannt wird und zuerst ein eigenes Formular ausgefüllt werden muss.
Im Nachhinein müssen wir mit Bedauern feststellen, dass wir unsern Aufenthalt in Mauretanien wegen mangelhafter bzw. veralteter Informationen in unsern Reisebüchern, aber auch aufgrund völlig übertriebener Warnungen von entgegen kommenden Reisenden („in Mauretanien müsst ihr dann überall Schmiergeld zahlen“, „ihr werdet in Mauretanien noch einiges an Nerven brauchen“ etc., etc.) viel zu kurz geplant hatten. Aber als wir feststellten, dass der Umgang mit den Behörden (von harmlosen und mit etwas Humor problemlos abzuwehrenden Betteleien abgesehen) heute auch in Mauretanien nicht schwieriger ist als anderswo in Afrika, da hatten wir eben schon unser nur zwei Wochen gültiges Visum und unsere Autoversicherung für nur zehn Tage. Zu kurz um zum Beispiel den Abstecher nach Atar zu wagen, da uns auch keine verlässlichen Infos vorlagen, ob von dort eine Einreise nach Marokko via Bir Mogrein möglich gewesen wäre.
Montag, 13.3.2006
Noch ein Beispiel, wie veraltet und einseitig die Informationen aus den Reiseführern sein können: das faktisch zu Marokko gehörende Gebiet der ehemals spanischen Westsahara wird in der uns vorliegenden Literatur als reines Transitgebiet ohne touristischen Reiz auf dem Weg weiter südwärts bezeichnet, die auf einer Halbinsel gelegene Stadt Dakhla als eher steriles Garnisonsstädtchen, das vor allem der Versorgung auf dem Weg nach Süden dient. Doch das ist nur eine Seite: Dakhla ist ein ausgesprochen sauberes Städtchen mit etwas südspanischem Flair und einer sehr freundlichen Bevölkerung. Man wird weder angebettelt noch angebaggert. Es ist zwar recht windig hier, doch gibt es kaum Regen das ganze Jahr über, und das Ende der Bucht ist ein wahres Paradies für Windsurfer. Zwar hat der Massentourismus Dakhla noch nicht entdeckt, doch tummeln sich schon Dutzende von Wohnmobil-Fahrern an der frei zugänglichen Küste. Noch gibt es erst wenige Villen und Ferienhäuser, die windgeschützt in den etwa 15 Meter hohen Klippenabbruch gebaut sind. Doch man sollte sich den Namen Dakhla merken, wir tun es seit unserem kurzen Abstecher am Samstag auch…
Nach einer weiteren Nacht auf freiem Feld haben wir gestern die Region Laayoune erreicht, stark industrialisiert und klar grösser, geschäftiger und dichter besiedelt als Dakhla. Doch auch hier gibt es Bier nur zu exorbitanten Preisen in Hotels. Supermärkte sind in der Westsahara nicht für den Alkoholverkauf lizenziert. Der nächste Ort für günstigen Biereinkauf, so sagt man uns, sei Agadir. Eigentlich nicht auf unserer Route gelegen. Doch da wir heute Morgen auf dem von uns zum Retablieren gewählten Campingplatz Nil in Laayoune Plage feststellen mussten, dass der rechte vordere Stossdämpfer unseres LandCruisers ölverschmiert und damit wohl am Ende seiner Lebenszeit ist, müssen wir ja wohl oder übel ohnehin diese angeblich modernste Stadt Marokkos anfahren, bevor wir uns wieder der Wüste zuwenden.
Donnerstag, 16.3.2006
Nach zwei Tagen des Retablierens, Waschens, Putzens, Nähens und Planens unserer weiteren Route auf dem völlig leeren Campingplatz Nil haben wir gestern in Laayoune noch unsere Vorräte ergänzt und vor allem beide Dieseltanks gefüllt. Dank zollfreiem Verkauf kostet der Liter Diesel hier umgerechnet nur rund 65 Rappen, das ist seit Iran der günstigste Treibstoff, den wir tanken konnten. Dann passierten wir die kaum noch ersichtliche Grenze zwischen der Westsahara und dem marokkanischen Kernland.
Heute haben wir die asphaltierte Hauptstrasse Nummer 1 nach Tan Tan wieder verlassen, um auf weniger befahrenen Pisten und Pfaden entlang der Atlantikküste weiter zu fahren. Auf unserem Weg begegneten wir bloss etlichen alten Festungen und einigen Fischersiedlungen. Nachdem wir schon gestern in einem kleinen Wadi übernachtet hatten, stachen wir nun heute kurz nach dem Fort Aurore vom Hochplateau der Steilküste ins darunter einmündende Oued. Hier werden wir nächtigen, um morgen über die Plage Blanche, einen weiten weissen Sandstrand weiter Richtung Norden zu fahren.
Sonntag, 19.3.2006
Sandstrand, Dünen, Wasserdurchfahrten, Felspassagen – die Strecke über Plage Blanche und weiter der Küste entlang bis zur Mündung des Oued Assaka bietet alles, was des Offroad-Liebhabers Herz höher schlagen lässt. Das heisst aber auch etwas Arbeit zwischendurch: Sandbleche legen, Reifendruck absenken, Reifen wieder aufpumpen usw. Am Freitag Nachmittag kam dann auch noch die Kunst des Weg Findens dazu. Obwohl wir insgesamt nur drei Wegpunkte aus unserem Reiseführer entnehmen konnten, fanden wir den Pfad zum Fort Bou Djerif und dem gleichnamigen, etwa einen Kilometer entfernten Campingplatz doch im dritten Anlauf und noch vor Sonnenuntergang.
Und weil der Platz, der fest in der Hand von deutschen Wohnmobil- und Offroad-Fahrern ist, eine so gute Infrastruktur bietet, blieben wir auch gestern Samstag noch hier zum Relaxen, Wäsche waschen, Foto-CD brennen und Fachsimpeln. Franz Duss, ein Schweizer Rentner, der mit einem Wohnmobil in Reisebus-Dimension ebenfalls hier stationiert ist, gab uns noch wertvolle Tipps, wo wir in Agadir das günstigste Bier kaufen und am ehesten Stossdämpfer für unseren LandCruiser erhalten könnten.
Heute sind wir nochmals der Küste entlang über die ehemalige spanische Enklave Sidi Ifni bis nach Moussa d‘Aglou weiter gezogen. Immer schön nordwärts und immer mehr in die Kälte. Obwohl schon übermorgen Frühlingsanfang ist, herrschen derzeit an der marokkanischen Atlantikküste fast dieselben Temperaturen wie sonst Dezember/Januar.
Dienstag 21.3.2006
Von Moussa d‘Aglou sind wir gestern über Tiznit direkt und im gestreckten Galopp nach Agadir gefahren und hofften alle Besorgungen in einem Tag durchziehen zu können. Der Grosseinkauf von Bier und anderen Hartwaren im Metro Cash&Carry – so günstig haben wir schon lange nicht mehr Käse, Wurst etc. einkaufen können – ging glatt über die Bühne, doch mit dem Ersatz der Stossdämpfer klemmte es dann schon tüchtig. Bei CICA, dem grössten Autozubehörladen der modernsten Stadt Marokkos kennt man die auf unserem Fahrzeug montierten ARB Old Man Emu Stossdämpfer nicht einmal. Nach einigem Hin und Her und zehntausendfachen Beteuerungen seitens des Ersatzteilverkäufers, dass die Teile wirklich passen werden und ebenso gut sein sollen, bestellten wir einen Satz Monroe-Dämpfer auf heute.
Das hiess also wohl oder übel eine Nacht in Agadir verbringen. Der Campingplatz ist ok, doch hoffnungslos mit Wohnmobilen überfüllt: alles Rentner aus Frankreich, Italien und Deutschland, die offenbar regelmässig in Marokko überwintern. Naja, ein bisschen wärmer als in Mitteleuropa mag es hier ja sein, aber wir sind enttäuscht vom Wetter: zu kalt, zu windig und heute Morgen hat es sogar noch geregnet. Egal, wir wollen bloss unsere vorderen Stossdämpfer ersetzen und dann nichts wie weiter.
Toll, die bestellten Monroe-Dämpfer sind tatsächlich eingetroffen und die von CICA empfohlene Garage hat auch Zeit für die Montage. Doch was wir schon gestern befürchtet hatten, bewahrheitet sich: Die Stossdämpfer sind zu kurz, weil sie dem Original und nicht unserem, um 5 cm höher gelegten ARB-Fahrwerk entsprechen. Also wieder zurück zu CICA. Dort macht man lange Gesichter, zaubert aber plötzlich zwei Dämpfer hervor, die in der Länge passen. Es sind zwar nur irgendwelche Standard-Öldruckdämpfer einer unbekannten Marke (made in Taiwan??), doch für die restlichen rund 6000 Kilometer unserer Reise sollten ja sogar solche Teile noch durchhalten. Schade nur, dass wir wieder einmal mindestens einen halben Tag für die Katz verloren haben.
In der Hoffnung, dass dies nun wirklich das letzte Mal war, dass wir irgendwelchen Ersatzteilen nachrennen mussten, und mit einem Cheeseburger von McDonalds im Bauch fahren wir – mit einem Abstecher zu den Fischer-Höhlenwohnungen von Sidi R‘bat – zurück nach Tiznit, um morgen ins Landesinnere wieder Richtung Wüste (und Wärme?) vor zu stossen.
Freitag, 24.3.2006
Nach einer Rundfahrt durch die hübsche Altstadt von Tiznit sind wir am Mittwoch Richtung Tafraoute ins Bergland des Antiatlas vorgerückt. Im Hauptort Tafraoute aber hielten wir nicht einmal an, denn hier sind die Schlepper, die einen auf einen Campingplatz, in ein Hotel oder in den nächsten Souvenir- oder Teppichladen ziehen wollen, wieder besonders lästig.
Also nichts wie weiter, direkt ins Ammelntal, wo es noch besonders malerische Berberdörfer gibt!
Wenn wir gewusst hätten, dass sich nur rund 10 Kilometer weiter, am Fusse der vom belgischen Künstler Jean Vérame im Jahre 1983 bunt bemalten Felsbrocken, so schöne Plätze zum wild Campieren anbieten, wären wir wohl schon am Mittwoch noch dorthin gefahren. So aber schlugen wir erst am Donnerstag Mittag hier unser Lager auf und fanden endlich Zeit, weitere Wartungs- und Reparaturarbeiten an unserer Ausrüstung vorzunehmen. Nachdem wir dem einen Schlafsack schon in Senegal einen neuen Reissverschluss eingepflanzt hatten, erhielt nun der zweite ein Handtuch als Flicken auf die völlig zerrissene Liegefläche – hoffentlich die letzten Reparaturen! Und der Milchschäumer – ja, wir machen immer noch jeden Morgen damit unseren Cappuccino! – musste dringend entkalkt werden. Daneben hatten wir immer noch genug Zeit den herrlichen Platz mit den bunten Felsen und der wohlriechenden Frühlingsblust zu geniessen. Hier war es nachts auch klar weniger kalt, und Muezzin war ebenfalls weit und breit keiner zu hören.
Heute schliesslich sind wir wieder einmal in einer Sackgasse gelandet. Die direkte, durch eine spektakuläre Schlucht führende Strasse von Tafraoute Richtung Ait Herbil war plötzlich in einer Oase zu Ende – Bauarbeiten! Das in Arabisch geschriebene Schild eine Ortschaft früher hatten wir natürlich nicht lesen können. Also wieder zurück und auf dem etwas weiteren Weg durchs Nachbartal nach Süden. Nun stehen wir in Ukas wieder mitten in der Wildnis am Fusse einer Felsnase, wo sich antike Felsgravuren befinden sollen. Ein paar davon haben wir entdeckt, für die Spektakulärsten werden wir allerdings morgen wohl oder übel wieder mal den Felsen hochkraxeln müssen.
Montag, 27.3.2006
Letzte Woche noch mussten wir vor allem nachts frieren, jetzt ist es tagsüber gegen 40 Grad heiss und kühlt sogar nachts nicht mehr stark ab – jawohl, wir haben der Atlantikzone endgültig den Rücken gekehrt und sind an den Nordrand der Sahara vorgestossen. Nachdem wir am Samstag Morgen ziemlich weit oben in der Felswand tatsächlich noch die schönsten Gravuren in Ukas gefunden hatten, sind wir ins Draa-Tal hinunter gefahren und. Und weil es dort so schöne Plätze zum ungestört wild Campieren gibt, haben wir gleich zwei Tage bzw. Nächte in dieser Gegend verbracht.
Die erste Nacht rund 15 Kilometer vor Tata hinter einer parallel zur Strasse verlaufenden Felsbarriere, die zweite Nacht am Oued Tissint, einem salzhaltigen Fluss, der in Tissint einen Wasserfall bildet und danach in einem von weitem kaum ersichtlichen rund 10 Meter hohen Felseinschnitt verläuft. Pech bloss, dass gestern eben Sonntag war und die wohlhabenderen Marokkaner auch leidenschaftliche Picknicker sind. So war der schönste Platz schon belegt, und wir mussten ziemlich suchen, um noch eine weiteren fahrbaren Abstieg ins Oued zu finden.
Heute haben wir die Asphaltstrasse in Foum Zguid definitv verlassen und über den Salzsee Lac Iriqi das Dünengebiet M‘Hazil erreicht, welches uns seit unserem letzten Besuch vor vier Jahren tüchtig nach Norden vorgestossen scheint.
Die Hauptpiste macht einen klar weiteren Bogen, als uns die damals noch aktuellen GPS-Daten im Reiseführer vorgeben. Auf jeden Fall haben wir hier ein herrliches Plätzchen zum Uebernachten gefunden und stossen eben mit einem Bier darauf an, dass wir nicht ein einziges Mal Sandbleche legen oder schaufeln mussten – Prost!
Nach einer weiteren Nacht von Dienstag auf Mittwoch in einem Dünengebiet kurz vor Mhamid haben wir die Sandwüste verlassen und in Zagora, der ehemaligen Ausgangsstadt der grossen, 53 Tage dauernden Kamelkarawanen quer durch die Sahara nach Timbuktu, einen Zwischenhalt eingelegt.
Waschen, Einkaufen, E-Mails abrufen und ein Telefon zur Schweizer Botschaft nach Rabat, ob unsere Original-Nummernschilder, die wir für die Rückkehr nach Europa ja wieder brauchen, unterdessen eingetroffen seien. Die Auskunft lässt nichts Gutes erahnen. Die Schilder sind noch nicht dort, hätten aber laut Auskunft der Schweizer Post bereits vor einer Woche ankommen sollen. Na ja, es eilt ja noch nicht, wir werden ohnehin erst am 13. April in Rabat sein, aber ein ungutes Gefühl hat sich schon mal eingeschlichen.
Wie auch immer, heute Mittag sind wir von Zagora aus das Tal des Draa hinauf Richtung Agdz weitergefahren, aber nicht auf der Hauptstrasse, sondern auf einer Piste auf der gegenüberliegenden Talseite.
Eine tolle Strecke durch ursprüngliche Dörfer. Nur, weil dies offenbar alle Anbieter von geführten Marokkotouren auch wissen, herrscht hier nicht nur ein reger Betrieb von mit Pauschaltouristen überfüllten Geländewagen einheimischer Touroperator, auch die bettelnden Kinder sind hier wieder einmal extrem lästig. So eine halbwüchsige Göre wollte sich doch tatsächlich am Rückspiegel unseres LandCruisers festhalten. Resultat: einmal mehr ein abgebrochener Aussenspiegel, zum Glück ist es wieder der rechte, also jener aus Mozambique, den wir ohnehin nach der Reise gegen einen originalen zu wechseln gedachten. Um der fälligen Ohrfeige zu entgehen, liess die Göre ihre Schuhe stehen und rannte barfuss querfeldein davon. Dafür nahmen wir die Schuhe mit und warfen sie dann etwa zwei Kilometer weiter in ein Feld – Strafe muss sein! Der schön im Garten einer Kasbah angelegte Campingplatz in Agdz und ein echt marokkanisches Tajjine-Gericht im dazu gehörenden Restaurant entschädigen uns nun für den Ärger.
Samstag, 1.4.2006
Marokko ist – verglichen mit Schwarzafrika – ein wahres Traumreiseland: grandiose Landschaften, interessante Architektur, richtige Campingplätze zu wahren Schnäppchenpreisen und dazu vielerorts die Möglichkeit, offroad zu campieren. Nur, wie schon erwähnt, die Kinder (und hier nicht nur die Buben, sondern ebenso die Mädchen) sind in den touristisch frequentierten Gebieten ebenso aufdringlich wie in Indien und in Schwarzafrika.
Das konnten wir heute erneut feststellen, als wir die durch das fantastische Bergtal des Asis Ounila führende Piste von Telouet nach Ait Benhaddou und weiter nach Zagora unter die Räder nahmen. Dies nachdem wir gestern von Agdz (nach einem Abstecher zur Kasbah von Tamnougalt) über Tazenakht und die Südflanke des Tizi n Tichka-Passes bis nach Telouet gefahren waren und auf einer 1800 Meter hohen Alp herrlich wild campiert hatten
Und das zweite Ärgernis hier ist die Verfügbarkeit von Bier. Unser Vorrat von 48 Dosen, den wir in Agadir aufgestockt hatten, ist schon wieder fast aufgebraucht. Der erste Besuch nach unserer Ankunft heute Nachmittag in Ouarzazate galt denn auch dem örtlichen Supermarkt, der als einziger südlich des Tizi n Tichka auch Alkohol anbietet. Zwar nicht so billig wie Metro in Agadir, aber dennoch halb so teuer wie in den Hotelbars. Mal gucken, wie weit diese 24 Dosen jetzt wieder reichen…
Montag, 3.4.2006
Schon gewusst, dass Ouarzazate in Marokko ein bisschen Klein-Hollywood ist? Schon am Samstag, als wir von Telouet her Richtung Ait Benhaddou fuhren, beobachteten wir ein italienisches Team, das zurzeit um eine verfallende Kasbah herum einen Film dreht.
Und gestern Sonntag besuchten wir die Atlas-Filmstudios. Zahlreiche bekannte Spielfilme, wie zum Beispiel Asterix und Obelix, wurden teilweise hier oder in der Umgebung (zum Beispiel auch in Ait Benhaddou) gedreht. Und hier sahen wir auch schon die Kulissen, welche für eine Neufassung von „Die 10 Gebote“ gebraucht wurden, ein Film, der zurzeit in Amerika im Schnitt ist und erst demnächst in die Kinos kommen wird.
Kein Wunder, dass sich dieses Ouarzazate in den letzten Jahren ungeheuer gemacht hat, und sogar Schauspieler wie Sean Connery in der Umgebung Villen bauen liessen.
Nachdem wir heute einmal mehr keine guten Nachrichten von der Schweizer Botschaft erhielten – unsere Nummernschilder scheinen definitiv verschollen zu sein – sind wir durchs Rosental Richtung Dadesschlucht weitergefahren.
In unserem Führer sind diese Strecken noch durchwegs als Pisten beschrieben, doch mit Ausnahme eines Passes haben wir lauter perfekt ausgebaute Asfaltstrassen angetroffen. Eigentlich schade, denn so geht die Urwüchsigkeit dieser Landschaft doch etwas verloren, und es wimmelt nicht nur von Reisebussen mit Pauschaltouristen, sondern auch von Wohnmobilen. Der neuste Hit in dieser Branche: geführte Wohnmobilreisen; der Organisator fährt voraus und ein ganzer Konvoi von Mobilheimen hinterher – toll!!
Dienstag, 4.4.2006
Es ist selten, dass wir zwei Tage hintereinander Tagebucheinträge schreiben, doch heute erlebten wir einen Höhepunkt der besonderen Art. Wir sind von der grossartigen Dadesschlucht zur ebenso phantastischen Thodraschlucht gefahren. Nein, nicht wie das Heer der Wohnmobile über die jeweils geteerten Stichstrassen, sondern von Msemir direkt nach Tamtatouche über zum Teil recht ruppige Pisten durch Bergtäler und einen steilen Pass. Nun, das wäre alles nicht so ausserordentlich, ruppige Pisten hatten wir schon oft, steile Pässe auch und ebenso bettelnde Nomadenkinder, die aus ihren Höhlenwohnungen rennen, wie aus der Kanone geschossen, sobald ein Touristenauto am Horizont auftaucht.
Nein, das Besondere ist ein übler Lausbubentrick, der auf unserer Reise wohl nur gerade noch vom falschen Kellner in Rumänien übertroffen wurde. Rund anderthalb Kilometer vor Tamtatouche, wo wieder die Asphaltstrasse beginnt, ist die Piste auf einmal mit kleinen Steinen schön säuberlich gesperrt. Nicht dass man nicht darüber hinweg hätte fahren können, aber doch so, dass es wie eine Abgrenzung aussieht. Ein Junge, etwa 16 jährig, rennt heran und erklärt uns, die Piste sei etwas weiter unten (nicht einsehbar) abgerutscht, wir müssten einen kleinen Umweg fahren, etwa einen Kilometer zurück, dann rechts, wieder zwei Kilometer, wieder rechts und dann alles geradeaus. Er würde uns (für ein kleines Endgelt, versteht sich) SEHR gerne die Strecke zeigen. Wir lehnen dankend ab (wie üblich, keine freien Sitze etc.), doch er insistiert, will auf der Stossstange oder dem Trittbrett mitreiten. NEIN DANKE, wir werden den Weg schon finden.
Die Kilometerangaben stimmen zwar nicht ganz, aber wir nähern uns nun doch von einer andern Seite Tamtatouche. Dort steht, wie zufällig, wieder ein Junge, rund 16 jährig, fragt wo wir hin wollten. Ah, nein, diese Piste führe nun definitiv nicht nach Tamtatouche, wir müssten ... (es folgt der Beschrieb jenes Weges, den wir schon zuvor gefahren waren). Ja, es gäbe halt Lausbuben hier, die sich einen üblen Scherz mit Touristen erlauben würden. Aber er sei gaaanz anders, er werde uns SEEEHR gerne den richtigen Weg zeigen, wenn nötig auch auf dem Trittbrett stehend. Das hatten wir doch alles schon einmal; NEIN, DANKE!!!
Mit einer zünftigen Wut im Bauch fahren wir noch einmal die erste Route mit einer leichten Variation durch einen Steinbruch. Und schon kommt dort ein dritter abwinkender Junge angerannt. Nein, wir halten nicht mehr an, überqueren ungebremst sämtliche Pseudo-Steinbarrikaden und stehen, oh Wunder, nach der nächsten Kurve auf der Asphaltstrasse. Zum Glück haben wir keinem dieser „hilfsbereiten“ Jungs auch nur einen einzigen müden Dirham in den Arsch gesteckt!!
Donnerstag, 6.4.2006
Unsere Reise ist nach wie vor mit diversen Hindernissen gespickt. Entgegen unseren Prinzipien nahmen wir gestern unsern Campingplatzwart die sieben Kilometer mit nach Tinerhir ins Stadtzentrum. Und prompt wurden wir von ihm danach nicht nur, wie als Gegenleistung gewünscht, zu einem Elektrokrämerladen (wegen Ersatzbirnen für unsere Stirnlampen) geführt, sondern – rein zufällig, versteht sich – auch noch in eine Teppichmanufaktur.
Mit leidlich Verspätung nahmen wir dann die Route zum Erg Chebbi, dem mit 25 Kilometern Länge und 10 Metern Höhe grössten Sandhaufen Marokkos unter die Räder. Doch die hätten wir uns gleich schenken können. Schon auf der Anfahrt nach Erfoud tobte ein Sandsturm, der uns zeitweise nur noch im Schritttempo fahren liess. An eine Fahrt oder gar Übernachtung im Dünengebiet war nicht zu denken.
Also dann wieder nordwärts bis zur blauen Quelle von Meski. Diese liegt in einem Graben, ist so etwas windgeschützt und beherbergt auch einen schön gelegen Campingplatz. Nur die maroden Sanitäranlagen hinderten uns daran, hier wieder einmal einen Ruhetag einzuschalten.
So aber sind wir heute weitergefahren über Goulmina ins Rheristal, wo es laut unserem Reiseführer tolle Plätze zum Wildcampen geben soll. Gibt es auch, nur sind sie völlig ausgestellt, verstecken geht nicht. Bald stapft schon der erste Ziegenhirte vorbei, allerdings noch auf Distanz. Eine halbe Stunde später kommt ein Bauarbeiter, wohl vom Ziegenhirten auf uns aufmerksam gemacht, und macht keine Anstalten, wieder von dannen zu ziehen, bevor wir ihm nicht mindestens eine Mütze, einen Kugelschreiber und weiss was noch geschenkt hätten. Da hilft nur zusammenpacken und etwa drei Kilometer weiter ein neues Quartier zu suchen. Hoffentllich haben wir nun hier unsere Ruhe.
Montag, 10.4.2006
Unsere Reise hat eine abrupte Wendung erfahren, heute konnten allerdings alle Probleme erfolgreich gelöst werden. Aber alles der Reihe nach: Am Freitag haben wir unsere Fahrt durch den südlichen hohen Atlas, vorbei an verschneiten Bergzügen fortgesetzt. In Rich erreichten wir dann die Hauptstrasse Richtung Midelt und benutzten die Gelegenheit gleich, um uns einmal mehr bei der Schweizer Botschaft nach dem Verbleib unserer Postsendung zu erkundigen. Vorerst gute Nachricht: Die Sendung sei in Rabat angekommen, es gäbe allerdings ein Problem, wir müssten die Sendung selbst auf dem Postamt abholen, die Details sollten wir in einer Stunde nochmals mit der Botschafts-Sekretärin besprechen. Also eine Stunde später, in Midelt, nochmals Telefon: Nun tönt es ganz anders. Die Botschafts-Sekretärin ist ausser sich. Die Sendung sei am Postzoll blockiert, überhaupt sei es illegal, Autonummern ins Ausland zu senden, ob wir denn bisher ohne Nummern rumgefahren seien, und die Botschaft wolle mit dieser Sache nichts zu tun haben, wenn sowas an die Presse gerate... Wir müssten aus diesem Grund die Sendung schon selbst abholen, falls der Postzoll nicht bereits eine Rückweisung und Rücksendung in die Schweiz veranlasst habe. Das könnte tüchtig Ärger geben!
Wir beschlossen also, den touristischen Part unserer Reise kurzfristig zu unterbrechen, direkt nach Fes und von dort (nach einem dringenden Waschtag auf einem gut eingerichteten Campingplatz, den wir von einer früheren Reise bereits kannten) gestern Sonntag nach Rabat weiter zu fahren, um heute so früh wie möglich auf der Botschaft den Post-Abholschein in Empfang zu nehmen und dann, gerüstet mit allen möglichen Fahrzeugpapieren, auf dem Postzoll die Herausgabe unserer originalen Nummernschilder auszuhandeln. Das ganze musste wohl so sein, denn dank dessen entdeckten wir noch einen administrativen Knopf: Der Zollbeamte an der mauretanisch-/marokkanischen Grenze hatte als spätestes Ausreisedatum auf dem Transitschein nicht wie gewünscht den 10. Mai, sondern den 10. April eingetragen, HEUTE! Notfalls müssten wir also noch heute bis zur spanischen Enklave Ceuta hochfahren und dort die Grenze passieren.
Nun aber zuerst zur Botschaft, top gelegen auf dem Hügel hinter dem monumentalen Mausoleum von Mohammed V. Die Sekretärin handelt uns den Abholschein aus, als wäre es eine heisse Kartoffel. Dann nichts wie runter in die City zur Hauptpost. Dort zwei etwas ratlose Postzollbeamte: Weshalb unsere Autonummern denn per Post nach Marokko geschickt würden. Doch unsere Erklärung, dass wir als Weltreisende zum Sistieren der Versicherung beim Verlassen des europäischen Geltungsbereichs die Nummer einsenden und dann zum Erneuern des Haftpflichtschutzes halt wieder per Post aus der Schweiz erhalten, leuchtet den Beamten ein. Nach dem Vorlegen aller Papiere erhalten wir die begehrte Sendung. So, nun noch das zweite Problem: die Verlängerung des Transitscheins. Der Hauptsitz des marokkanischen Zolls ist nur etwa einen Kilometer entfernt. Und auch dort zeigt man sich kulant; unser Auto dürfte nun sogar bis am 30. Juni im Land verbleiben. Grosses Aufschnaufen, wir sind wieder völlig legal unterwegs und können ohne Bedenken die letzten zwei Wochen unserer Reise geniessen. Das wird heute Abend mit einer Flasche Wein begossen.
Mittwoch, 12.4.2006
Nun macht die Reise wieder Freude. Gestern Dienstag sind wir von Rabat zurück Richtung Fes gefahren. Unser Ziel: die römischen Ausgrabungen Volubilis in der Nähe von Meknes. Dazu mussten wir diese Stadt aber mehr oder weniger ganz durchqueren. Ein Riesenpuff; es war nämlich wieder einmal Feiertag, die Moslems gedachten des Geburtstags von Mohammed. Und wie! In Meknes wurde ein riesiger Jahrmarkt aufgebaut und offenbar versammelte sich die ganze Stadt auf dem Festplatz und auf der quer hinduch führenden Durchgangsstrasse. Wir schafften es dennoch zu den römischen Ruinen. Die Wiesen stehen jetzt im Frühling in voller Blüte, es ist ein wahres Farbenmeer und riecht traumhaft. So konnten wir mit den eigenen Sinnen nachvollziehen, wie toll es die alten Römer hier früher gehabt hatten.
Heute nun sind wir noch einmal nach Fes gefahren und haben uns ins Gewühl der verwinkelten Altstadt gewagt. Ein wahres Labyrinth mit einer Unmenge von Märkten und Läden und natürlich phantastischen Fotomotiven! Und der Stress mit den Führern und Schleppern ist heute offenbar auch nur noch halb so wild wie früher.
Dank neu erstellter touristischer Wegweiser findet man früher oder später auch allein wieder den richtigen Weg zum Ausgangspunkt. Nur die Parkwächter auf den an sich gebührenfreien Parkplätzen sind teilweise schon etwas schamlos. Wollten sie doch statt der angebotenen fünf gleich zwanzig Dirham. Doch ohne Quittung oder offizielle Tarifliste gibts von uns nicht mehr. Da konnten die Gesellen noch so rummosern.
Freitag, 14.4.2006
Unser letzter Tag auf dem afrikanischen Kontinent nach über einem Jahr. Morgen ein letzter Grenzübertritt zur spanischen Enklave Ceuta, und dann sollte uns Europa wieder haben. Zum Abschluss unserer Zeit in Marokko haben wir uns noch eine landschaftlich grandiose, aber touristisch verpönte Route ausgesucht: von Fes durchs Rif-Gebirge über Ketama an die Mittelmeerküste. Das ist Hanfland, oder besser gesagt „le Pays du Kiff“. Und es ist wirklich so schlimm, wie in den Reiseführern beschrieben: An jeder Kurve, auf jedem Ausstellplatz stehen die Haschisch-Händler und wollen einem mit recht aggressiven Gesten ihren Stoff andrehen. Weitere patroullieren mit ihren Autos auf und ab, wild lichthupend und unmissverständlich das Drehen eines Joints gestikulierend. Keine Chance, irgendwo mal schnell anzuhalten, um ein Foto zu knipsen oder so.
An der Küste war der Spuk dann vorüber, hier sollte man sich allerdings vor Schmugglern in Acht nehmen, welche von Haschisch bis zu illegalen Auswanderern alles von der marokkanischen zur spanischen Küste hinüber zu schippern versuchen. Doch, wir campierten nicht am Strand, sondern in einem Wadi – wohl unser letztes Buschcamp – und verbrachten einmal mehr eine herrlich ruhige Nacht.
Heute schickt uns Europa schon die ersten Grüsse übers Meer. Nebelfetzen hängen tief herunter, ab und zu nieselt es leicht, und es geht ein kalter Biswind. Schade, denn die kurvenreiche Strecke von El Jebah entlang der Steilküste bis nach Tetouan könnte es glatt mit der Amalfitana in Süditalien aufnehmen.
Die Bevölkerung mutet eher spanisch oder sogar mexikanisch an. So tragen die Frauen tragen hier über dem Kopftuch oft noch einen Strohhut. Sogar unsere Sandbleche kommen wahrscheinlich ein letztes Mal auf dieser Reise zum Einsatz: Ein französisches Wohnmobil steckt auf dem von uns gewählten Campingplatz in Martil wie ein gestrandeter Wal im Sand. Der Besitzer ist völlig aufgelöst, hat wohl Angst, dass sein Vehikel hier nie mehr rauskommt. Doch Sandbleche wirken ja bekanntlich Wunder…
Dienstag, 18.4.2006
Nach einem letzten erneut absolut problemlosen Grenzübertritt hat uns Europa wieder mit allem was dazu gehört. Schon in der spanischen Zollfreizone Ceuta nutzten wir am Samstag das Angebot eines grossen Supermarktes mit Bier für rund 42 Rappen pro 3,3 dl und spanischem Brandy für rund sieben Franken pro Liter.
Und nun, nach der Fährpassage nach Algeciras mit Blick auf den Felsen von Gibraltar, geniessen wir in Spanien, uns wieder völlig frei bewegen zu können, ohne dauernd von Leuten angequatscht zu werden, welche ein Geschäft machen oder einfach nur betteln wollen. An den Tankstellen kann man wieder selbst tanken und Pneudruck kontrollieren, das Feilschen um Preise entfällt.
Andererseits fuhren wir vorgestern und gestern auf den Strecken von Marbella bis kurz vor Murcia, bzw von dort bis Barcelona von einem Osterstau zum nächsten (wir LIEBEN diese Feiertage auch hier…). Zudem zeigte uns das Wetter gestern mit wiederholten Gewittern und Schauern, was uns die nächste Zeit wieder erwarten könnte. Und wir stellen erschrocken fest, dass das Preisniveau für Tourismus und Verkehr in Europa offenbar ein Niveau erreicht hat, das für uns als derzeit nicht Verdienende nicht mehr tragbar ist: Für vier kurze zahlpflichtige Autobahnstücke um grössere Agglomerationen herum – wir meiden sonst die Mautstrecken wie der Teufel das Weihwasser – zahlten wir zusammen satte 26 Franken, der Liter Diesel kostet mittlerweile fast einen Euro, also rund 1.50 Franken, und der einigermassen gepflegte Campingplatz Tres Estrellas direkt am Meer kurz vor Barcelona, den wir von früher her schon kennen, verlangt für die Nacht von gestern Ostermontag auf heute (das sei eben noch Hochsaison) über 40 Franken. Die Nacht von heute auf morgen soll dann, weil Nebensaison, rund 10 Franken günstiger ausfallen.
Donnerstag, 20.4.2006
Unsere Reise ist zu Ende: Nach 662 Tagen und rund 75'000 Kilometern im Ausland haben wir heute erstmals wieder Schweizer Boden betreten. Es waren aber noch zwei recht stressige Tage gestern Mittwoch und heute. Weil wir uns das Geld für die Autobahngebühren sparen wollten – von Alicante in Spanien bis nach Genf hätten wir wohl gut und gern 160 Franken dafür bezahlen müssen, und dann wären noch 40 Franken für die Schweizer Vignette dazu gekommen – fuhren wir die ganze Strecke von Barcelona weg auf nicht mautpflichtigen Hauptstrassen. Und das dauert. Manchmal sind wir auf Schotterpisten in Afrika schneller vorwärts gekommen. Mit Mühe und Not erreichten wir gestern Abend nach 10 Stunden Fahrzeit kurz vor Torschluss noch einen Campingplatz in der Nähe von Valence (im französischen Rhônetal).
Heute dauerte es ebenfalls rund 9 Stunden und somit bis kurz nach Sonnenuntergang, bis wir unser Nachtlager aufschlagen konnten. Und zwar nicht wie geplant in der Region Luzern; wir schafften es nur gerade noch bis Burgdorf. Schuld daran war nicht zuletzt der Schweizer Zoll. Nicht dass es eine grosse Fahrzeugdurchsuchung gegeben hätte, nur benötigten wir noch einen abschliessenden Stempel in unserem Carnet de Passage, und den gibt es nicht an jedem Grenzübergang. So mussten wir vor Genf noch einen ziemlichen Umweg fahren, bis wir den richtigen Posten für die Einreise gefunden hatten. Und schon war fünf Uhr nachmittags vorbei und damit der Stossverkehr auf der Strasse in vollem Gang – welcome back to Switzerland!
Samstag, 22.4.2006 – Nachwort
Waren wir wirklich fast zwei Jahre weg? Uns scheint es erst gestern, dass wir uns von unseren nächsten Verwandten und Freunden verabschiedet hatten. Und doch fehlen uns zwei Jahre. Da stehen plötzlich Häuser, wo zuvor noch keine waren, da fahren Automodelle auf der Strasse, die wir gar nicht kennen, da spielt das Radio Sounds, die wir noch nie gehört haben.
Ob wir denn die Reise nochmals machen würden, werden wir immer und immer wieder gefragt. Die Antwort ist klar ja, allerdings ist einmal quer durch Afrika wohl genug; die Route durch Vorderasien und Indien bietet klar mehr Sehenswertes, während in Schwarzafrika, abseits der Nationalparks und jener für gut zahlende Pauschaltouristen geschaffenen Tropenparadiese, vor allem Chaos, Minimalismus und eine völlige Unfähigkeit, in die Zukunft zu denken, vorherrschen. Immerhin ist die Korruption in Behördenkreisen so weit zurückgegangen, dass wir viel weniger Probleme mit Militär, Polizei und Zoll hatten, als befürchtet.
Überhaupt kämpften wir, mit Ausnahme des nicht erhaltenen Visums für den Sudan, nicht mit jenen Schwierigkeiten, die wir erwartet hatten. Keine Pannen, die uns mitten in der Pampa lahm legten – der Toyota LandCruiser machte seinem Ruf als robustestes Fahrzeug der Welt alle Ehre. Keine unüberwindlichen Geländepassagen – Allradantrieb benötigten wir nur sehr selten. Keine Bedrohungen oder Beraubungen und auch keine Wasser- oder Lebensmittelknappheiten. Hingegen ein extremer Verschleiss an den Artikeln des täglichen Gebrauchs und zum Teil unüberwindliche Schwierigkeiten, in solchen Fällen für Ersatz oder Reparatur zu sorgen. Das wohl Lästigste waren jedoch die Bettelei vor allem seitens halbwüchsiger Buben zwischen acht und vierzehn Jahren sowie die Anmacherei von Schleppern, Führern und Souvenirhändlern.
Alles in allem war es aber eine grossartige Zeit, in der wir die Regentage an drei Händen abzählen konnten – von Schnee gar nicht zu reden – und den in Europa allgegenwärtigen Stress hinter uns lassen konnten.
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