Weltreise 2004–2006 (1.Teil: Orient)

Zwei Jahre unterwegs mit dem Toyota LandCruiser

Nach Indien – durch Afrika


Unser Expeditionsfahrzeug

Das ist ein Toyota LandCruiser HZJ78, der praktisch unkaputtbare Geländewagen mit seinem 131 PS starken 4,2-Liter-Sechszylinder-Wirbelkammer-Dieselmotor ohne Turbolader und ohne Motorelektronik. Allradantrieb mit Reduktion sowie Sperrdifferentialen vorne und hinten sorgen für optimalen Vortrieb, sogar auf widrigstem Untergrund. 2002 wird er in Europa ein Opfer der Abgasvorschriften. Wir haben uns eines der letzten offiziell importierten Exemplare unter den Nagel gerissen.

Doch zum wahren Weltreise-Expeditionsfahrzeug fehlt noch einiges: Zum Beispiel ein Ansaugschnorchel mit Zyklon-Luftfilter, der sowohl das Fahren bei Sandsturm wie das Durchqueren von Flüssen ermöglicht. Ein höher gelegtes Fahrwerk für noch mehr Bodenfreiheit. Grössere 16-Zoll-Räder mit 235er-All-Terrain-Reifen von BF Goodrich. Ein 180-Liter-Zusatz-Treibstofftank, der uns, zusammen mit dem Originaltank, einen Dieselvorrat von 270 Liter und damit eine Autonomie von über 1500 Kilometer beschert. Das Reserverad kommt deshalb an einen Schwenkarm am Heck.

Das Originaldach wird ausgeschnitten und durch ein hochstellbares Hub-Zeltdach mit Doppelbett "im ersten Stock" ersetzt. Die Längs-Sitzbänke im Fond fliegen raus und machen einer Wohneinrichtung aus ultraleichten Alu-Compound-Stauboxen Platz. Eine dreistufige Filteranlage, wie sie in Buschspitälern verwendet wird, erlaubt uns, unseren Trinkwasservorrat von 80 Litern sogar aus Flüssen zu decken. Gekocht wird auf einem zweiflammigen Petrol-Kochherd – entweder drinnen oder unter dem Kochzelt am Heck. Ein stromsparender Kompressor-Kühlschrank und eine Standheizung komplettieren die Inneneinrichtung.



Mit jeder Menge weiterem Equipment, nach einer rund zweijährigen Planungsphase und einer Testfahrt durch Tunesien kann es schliesslich losgehen: Von der Schweiz aus auf dem Landweg nach Indien und dann durch Afrika von Süd nach Nord wieder zurück nach Europa.

Die Highlights der Reise

① Höhlenwohnungen von Göreme – 10.8.2004
② Kunjerab-Pass (4730 m ü.M.) – 1.10.2004
③ Goldener Tempel von Amritsar – 11.10.2004
④ Ghats am Ganges in Varanasi – 21.12.2004
⑤ Tropenstrände von Goa – 30.1.2005
⑥ Tiere im Mudumu-Park – 29.5.2005
⑦ Himba-Nomaden im Kaokoveld – 10.5.2005
⑧ Sonnenuntergang in Zanzibar – 21.8.2005
⑨ Bunter Viehmarkt in Hombori – 24.1.2006
⑩ Verwinkelte Altstadt von Fes – 12.4.2006





Das Reise-Tagebuch  

Dienstag, 29.6.2004

Nun sind wir bereits den dritten Tag unterwegs, nachdem wir uns mindestens zwei Wochen lang immer und immer wieder verabschiedet haben und sich der Wohnungsräumstress bis zur Übergabe am Samstag, 26.6., so richtig zugespitzt hat. Der Gedanke, nun zwei Jahre lang unterwegs, fern allen häuslichen Komforts und aller direkten Kontakte zu Bekannten und Verwandten zu sein, erschreckt fast ein bisschen. Ist das Unterfangen nicht doch etwas zu ehrgeizig? Die erste Übernachtung auf einem top eingerichteten, aber teuren Campingplatz in Landsberg (D) hat die Abnabelung vom westeuropäischen Luxus nicht gerade unterstützt, so dass anderntags klar war: Die nächste Nacht in Ungarn, sonst schaffen wir es nicht! Toll, die ungarischen Grenzbeamten machen voll auf EU und lassen uns passieren, ohne auch nur die Pässe zu kontrollieren.

Nach einer Nacht auf einem recht naturbelassenen, man kann auch sagen verfallenen Campingplatz in Sopron, gleich nach der österreichisch/ungarischen Grenze, sind wir nun am Balatonsee angekommen und haben ein Plätzchen im Schilf erobert zum freien (und kostenlosen) Campieren. Nun kommt langsam Ferienstimmung auf. Allerdings: So billig, wie es einmal war, ist Ungarn auch nicht mehr.

Freitag, 2.7.2004

Nach zwei richtigen Sommertagen am Ufer des bloss 4 bis 5 Meter tiefen, aber in der Fläche fast dem Genfersee ebenbürtigen Balatonsees hat das Wetter wieder auf Herbst gestellt: grau, regnerisch, windig. Mittwoch und Donnerstag haben wir als einzige Gäste auf einem (noch recht günstigen) Miniaturcampingplatz in Balatonfüzfö logiert und tüchtig Sonne und Strand genossen. An unserem Plätzchen im Schilf vom Dienstag hatte es klar zu viele Mücken, und die abendliche Feuchtigkeit liess uns draussen frösteln. Gebadet haben wir auch – die Wassertemperatur war mit knapp über 20°C allerdings schon etwas an der Grenze. Und als Abschluss gab es am Donnerstag Abend noch ein tüchtiges Gewitter – zum Glück, nachdem wir schon fertig gekocht, gegessen und den ganzen Abwasch erledigt hatten.

Heute morgen nun sind wir weiter gezogen nach Bugac in der typischen ungarischen Puszta und haben uns hier in einem Naturschutzgebiet niedergelassen. Weite, mit roten Mohnblumen durchsetzte Felder, Pferde, dichte Baumbestände und ein riesiges Vogelgezwitscher – Natur pur! Die erschreckende Gewissheit einer zweijährigen Abwesenheit ist mittlerweile doch einer zaghaft freudigen Erwartung gewichen, was da alles auf uns zukommt. Auf jeden Fall haben wir eben die nächsten Tage durch Rumänien und Bulgarien geplant, auch wenn uns warnende Stimmen vor unserer Abreise noch zu bedenken gaben, dass schon zwei, drei Tage in diesen Ländern eigentlich zu viel seien…

Samstag, 3.7.2004

Die Sonne scheint, wie wenn es nie etwas anderes gäbe, Schönwetterwölkchen zaubern Postkartenstimmung an den Himmel, und wir beschliessen, noch einen Tag länger in diesem Paradies zu bleiben. Nachmittags nehmen wir an einem typischen Touristenprogramm teil: Reitervorführung und Pferdekutschenfahrt durch die Puszta mit frei laufenden Pferden, fetten Kühen mit riesigen Hörnern, nostalgischen Ziehbrunnen und Hirten in traditionellen Trachten – na ja, interessant wars trotz allem.

Dienstag, 6.7.2004

Rumänien überrascht uns positiv! Zwar war der Grenzübertritt am Sonntag nicht mehr so easy, aber das lag mehr an den Ungarn, die es bei der Ausreise wesentlich genauer nahmen, als bei der Einreise. Die Rumänen wunderten sich bloss etwas über unser Auto, und staunten als wir ihnen als Reiseziel „Indien“ nannten. Der Strassenzustand und so die üblichen Pannen (z.B. Kreditkartenautomat der Tankstelle, der grad nicht funktioniert) erinnern uns allerdings daran, dass wir nun in einem wesentlich weniger hoch entwickelten Land als Ungarn, der Schweiz des Ostens, unterwegs sind. Und wie wir den ersten Campingplatz (aus dem Campingführer 2001) ansteuern, trifft uns fast der Schlag: Keine Reception, niemand weiss Bescheid, die Toiletten sind verfallen, der Zaun ums Gelände  nur noch in Bruchstücken vorhanden, und das ganze Dorf scheint auf dem Abendspaziergang hier durch zu schlendern! 


Also nichts wie weg – nur der nächste Platz ist etwa 200 km entfernt. Doch auf dem Weg dorthin, so vielleicht nach 30 bis 40 km,  mitten im Wald, ein steiler Waldarbeiterpfad und nach etwa 100 Metern eine abgeholzte Lichtung: passt perfekt, ist von der Strasse nicht einsehbar, da wird genächtigt. Und weder Graf Dracula, in dessen Heimat wir uns hier ja befinden, noch andere Vampire oder simple Räuber haben uns heimgesucht.

Transsilvanien erinnert uns an unsere Alpen. Nur dass man hier noch alle Schotterpfade befahren darf, was wir auch rege ausnützen, auch wenn wir dabei schon mal im Kreis rum fahren, weil keine Wegweiser vorhanden sind. Die Leute hier sind meist Bauern, betreiben Viehzucht oder Holzwirtschaft und sind allesamt freundlich. Und am Strassenrand kann man ein Kilo Eierschwämme für rund 4 Franken kaufen – was für ein Festessen!
Nach einer Nacht auf einem Campingplatz unter holländischer Leitung nahe Cluj-Napoca (etwas zu teuer für das hier herrschende Preisniveau!) sind wir erneut ins Bergland abgebogen – wie bei uns im Bündnerland: Tannen- und Föhrenwälder, Bergseen, saftige Alpwiesen mit Blumen, die man bei uns kaum noch auf den Feldern sieht. Eine Servelat vom Feuer am Mittag und eine Nacht offroad an einem Bergbächlein sind echte Höhepunkte – von wegen zwei bis drei Tage seien für Rumänien schon zuviel!!

Freitag, 9.7.2004

Es ist viel gelaufen in diesen drei Tagen! Am Mittwoch Morgen Ärger: Der Wasserbrauseschlauch, der bei der Testfahrt in Tunesien im Januar schon undicht war, tropft wieder! Weder Anziehen noch Dichtung wechseln hilft, und  andere Dichtungen, die wir unterwegs beim Sanitärbedarf kaufen, dichten nicht – das Problem liegt offenbar an der Dichtfläche des Schlauches, die mit der Zeit oxidiert! Da müssen wir Ersatz aus Deutschland anfordern!
Zufälligerweise, nur weil wir den angepeilten Campingplatz nahe Sibiu nicht finden – obs den wohl auch nicht mehr gibt? – fragen wir in einer Kaffeebude nach und erhalten den Tipp: Ocna Sibiului. Das entpuppt sich als verfallener Badeort mit heissen Salzquellen – ein richtiger Touristentreffpunkt, aber nur von Einheimischen frequentiert und entsprechend billig.
 


Der Camping Lacul Fara Fund kostet pro Tag rund 4 Franken und Baden in der Salzquelle sowie Fangopackung mit selbst ausgebuddeltem Schlamm sind im Preis inbegriffen. Wir beschliessen, zwei Nächte zu bleiben, um den Donnerstag voll dem gesunden Badeplausch zu widmen. Am Mittwoch Abend gibt‘s zu erst aber nochmals Ärger: Ein falscher Kellner in einer Gartenbeiz bescheisst uns um rund 8 Franken – 4 davon erhalten wir vom (wohl auch nicht ganz unschuldigen) Chef-Stellvertreter – der Chef selbst hatte offenbar frei – nach Androhung von Polizei etc. – wieder zurück erstattet.

Nach soviel Verdruss an einem Tag geniessen wir am Donnerstag Sonne, Salzbad und Schlammpackung umso mehr, bevor wir heute wieder in die Berge gefahren sind und – ein heftiges Gewitter im Nacken – einen üblen Trail über einen rund 1600 Meter hohen Pass bewältigt haben. Unser Landcruiser benötigt nun dringend eine Wäsche. Doch vorher übernachten wir nochmals offroad. Und es gibt Fisch und Chips sowie frittierte Bananen zum Znacht – mmmh!

Sonntag, 11.7.2004

Offenbar sind es nicht nur Campingplätze, die hier in Rumänien klammheimlich ausser Betrieb genommen werden, sondern auch ganze (Pass-)Strassen. So müssen wir am Samstag vom Lacul Vidra aus statt des Pasul Urdele den Pasul Lotru nach Petrosani fahren, was uns einen Umweg von rund 60 Kilometer beschert und entsprechend unseren Tagesplan etwas über den Haufen wirft. Dennoch finden wir Zeit, unseren LandCruiser von Hand waschen zu lassen – für umgerechnet rund 4 Franken! – und den Wochenendeinkauf zu tätigen. Unser Tagesziel Curtea de Arges erreichen wir aber erst um 7 Uhr Abends, und prompt ist da erneut kein Campingplatz mehr! Also wieder Offroad-Camping – schönes Plätzchen an einem Buchenwaldrand, aber etwas viel Fussgängerverkehr! Und unmittelbar nach dem Essen bricht die Gewitterhölle los!

Sonntag Morgen: Sonne pur, als wäre nichts gewesen. Es steht ein langer Fahrtag an, wollen wir doch die bulgarische Grenze passieren. Wir fahren eine wenig frequentierte Strecke, überholen Zigeunerfuhrwerke – jawohl, die fahren hier noch mit Ross und Wagen! – und queren Dörfer, die wohl noch genau so aussehen wie vor fünfzig Jahren – ein jedes mit seiner Storchenfamilie auf dem Telefonmasten. Doch die Fähre in Zimnicea gibt es offensichtlich auch nicht mehr. Also erneut Umweg fahren über Giurgiu, wo die Donau auf einer Brücke überquert werden kann. Nicht ganz gratis allerdings, da gibt es noch eine Strassengebühr, einen Brückenzoll und eine Umweltabgabe auf rumänischer Seite, eine Strassengebühr und eine Entkeimungsgebühr fürs Auto auf bulgarischer Seite zu berappen. Einen falschen Strassengebühreintreiber in Rumänien haben wir zum Glück noch entlarvt! Doch die Zeit ist wieder davon gerannt, und unser Etappenziel, ein Campingplatz nahe Targoviste (obs den wohl überhaupt noch gibt?) ist zu weit weg. Also wieder Offroad-Camping, diesmal in einem dichten Eichenwald. Und wieder bricht ein Gewitter los, diesmal noch vor dem Nachtessen. Wieder nichts mit Duschen und Haare waschen! Vielleicht dann am andern Morgen…

Dienstag, 13.7.2004

Bulgarien ist klar fortschrittlicher als Rumänien, aber die Leute hier strotzen vor Desinteresse und Hochnäsigkeit. Touristen werden eher als notwendiges Übel, denn als willkommene Gäste behandelt Und auch die Frauen sind viel weniger attraktiv als die Rumäninnen! – das nur so nebenbei.
Trotz eines Tages am Fusse des für seine Felsmalereien bekannten Felsens von  Madera haben wir diese nicht von nahem gesehen; gestern Montag wars zu heiss für die zweistündige Wanderung, und heute ergiessen sich sintflutartige Regenfälle über der Region. Unterdessen sind wir an der Schwarzmeerküste in Varna angelangt und sind froh, einen Geländewagen mit genügend Bodenfreiheit zu fahren, da die Strassen dezimeterhoch überflutet und die Kanalisationen hoffnungslos überfordert sind – und das soll Sommer sein!? 

Camping ist auch hier völlig aus der Mode – eine verwilderte Waldlichtung in Mitten von Bungalows und Hotels ist die einzige Möglichkeit hier in Albena. Immerhin, am Nachmittag klart es wieder auf, und es liegt noch ein Spaziergang am herrlich breiten Sandstrand drin. Es sieht hier fast etwas aus wie an der Côte d‘Azur – und ist für osteuropäische Verhältnisse entsprechend auch klar zu teuer!

Freitag, 16.7.2004

Das  teure Pflaster Albena und den miesen Campingplatz haben wir  am Mittwoch recht schnell wieder verlassen, nochmals Varna durchquert und das ehemalige Camping- und Strandeldorado Schkorpolovci anvisiert: ein traumhafter Sandstrand, die Campingplätze allerdings allesamt verfallen oder in reine Bungalowanlagen umfunktioniert. Wahrlich, Bulgarien ist nun wirklich nicht das Land zum Campieren!!
Es sei denn, man campiere wild. Und das taten wir denn auch, direkt am Strand – Allradantrieb sei Dank! Am Donnerstag: Sonne, Sand, Strand…  und nochmals am selben Ort übernachten. Der abendliche „Besuch“ eines etwas suspekten, wortlosen Alten – Holzstock in der einen, Plastiksack mit Autoradio in der andern Hand – hat uns allerdings etwas irritiert.

So haben wir heute entlang der Schwarzmeerküste erneut südwärts gehalten, Burgas durchquert, dort einen Trolleybus der Winterthurer Verkehrsbetriebe (Linie 1: Winterthur Töss) angetroffen und mangels tauglichem Campingplatz erneut offroad nahe Ahtopol (rund 20 km von der türkischen Grenze entfernt) in einem Eichenwäldchen mit Meersicht unser Lager aufgeschlagen.

Montag, 19.7.2004


Schon gewusst, dass es Migros auch in der Türkei gibt? Jawohl! Und damit ist auch gesagt, dass wir, nach einem faulen Samstag in der Hängematte, am Sonntag Bulgarien hinter uns gelassen haben. Was für ein Unterschied! Die Grenzformalitäten sind zwar von Mal zu Mal etwas komplizierter, doch das türkische Volk ist um Lichtjahre freundlicher gegenüber Touristen als die Bulgaren. Hier ist jeder Millionär, und sogar der Besuch auf einer öffentlichen Toilette kann schon mal eine Million kosten – kein Wunder eine Million türkische Lira entspricht etwa 85 Rappen! Allerdings, mit den Campingplätzen – so wie wir sie verstehen – haben sie es ebenfalls nicht, und weil es hier weniger Wald, dafür viel mehr Leute hat, ist auch Offroad-Camping nicht so einfach.

Ein türkischer Campingplatz am Meer, das ist ein etwa vier Meter schmaler Landstreifen zwischen zwei Häuserzeilen, bestückt mit ein paar Hauszelten zum Mieten, einem Parkplatz, einem Restaurant und einem WC-Häuschen, das auch von Tagesbadegästen besucht werden kann. Genau auf so einem Platz haben wir unsere erste Nacht in der Türkei verbracht und sind fünf Minuten vor Fünf vom unvermeidlichen Muezzin aus der benachbarten Moschee geweckt worden. Nun geniessen wir unseren Stellplatz direkt am Rand des breiten Sandstrandes zwischen Marmarareglisi und Silivri am Marmarameer und lassen uns nach einem erfrischenden Bad im angenehm warmen Gewässer vom Meerwind tüchtig durchpusten.

Freitag, 23.7.2004

Die Zeit beginnt nun recht schnell zu verfliegen! Am Dienstag erreichten wir Istanbul, das heisst den Vorort Bakirköy, wo die einzigen zwei Campingplätze der Stadt installiert sind – immerhin verdienen sie ihren Namen, auch wenn der Preis von rund 25 Franken pro Nacht in keinem Verhältnis zur gebotenen Qualität steht. Ein Besuch in der Nachbargemeinde Yesiliköy ist wenig erfolgreich – weder finden wir ein Fotogeschäft, welches das (vermeintlich) defekte 300-mm-Zoomobjektiv reparieren kann, noch können wir im zweiten Anlauf den ersten Teil des Reisetagebuches versenden – die notwendige CD mit der Treibersoftware für den Speicherchip (Mac braucht sowas nicht, nur Windows 98!) ist im Auto auf dem Campingplatz! Immerhin wissen wir nun über das lokale Busnetz Bescheid, was die Fahrt in die City deutlich verbilligen sollte (2 statt 20 Millionen Lira per Taxi!).

Wir fahren am Mittwoch trotzdem mit dem Taxi in die Stadt, allerdings zum Bustarif. Um nicht leer in die City zurückfahren zu müssen, füllt ein Taxifahrer sein Auto an der Bushaltestelle! Böse Überraschung dann beim Canon-Spezialisten. Mein Sigma-Zoom ist nicht defekt, sondern schlicht und ergreifend nicht kompatibel mit dem vor kurzem erworbenen Digitalkameragehäuse. Das Positive: Es wird mir beim Kauf eines originalen Canon-Objektivs an Zahlung genommen. 


Die Brücke über den Bosporus, sozusagen die Verbindung zwischen Asien und Europa, der Bazar, die Hagia Sophia und die Blaue Moschee, dann ist unser Stadtbedürfnis gedeckt, und nachdem wir ohne Teppich wieder den Laden eines Teppichhändlers verlassen, dessen Cousin angeblich eine Frau aus Winterthur geheiratet hat, sind wir froh, wieder mit dem Bus zurückfahren zu können.
Die Zeit reicht noch für einen dritten Versuch mit dem Tagebuch-Mail in einem Internetcafé – diesmal erfolgreich, nach einigen Verständigungs-Schwierigkeiten. Nur wenige Türken sprechen Englisch oder Deutsch, und auch die Computer in den Internetcafés laufen mit türkischer Software.

Brand an Bord unseres LandCruisers! Er geht zum Glück ohne grösseren Schaden aus: Das Dosierventil am linken Brenner unseres Petrolkochers hat sich etwas gelöst, und so brennt es plötzlich auch seitlich raus. Eine angesengte Rolle WC-Papier und eine angeschmorte Kabelhülle sind die einzigen Folgen. Nach diesem morgendlichen Schrecken verlassen wir am Donnerstag etwas geschockt Istanbul und beginnen Bucht um Bucht das Marmarameer zu umrunden. 

Zur Abwechslung campieren wir wieder einmal offroad – mit sensationeller Meersicht, aber leider auch einem etwas lästigen Bauern aus der Nachbarschaft, der wohl noch nie eine westlich gekleidete Frau gesehen hat, und nun entsprechend „spitz“ ist. Die atemberaubende Sicht übers Meer auf die ferne Skyline von Istanbul mit zunehmendem Mond lassen wir uns dennoch nicht verderben. Wir geniessen sie vom Bett aus durchs seitliche Fenster unseres Aufstelldachs. Heute Morgen sind wir schliesslich etwas beschleunigt aufgebrochen, denn der „geile“ Bauer schlich schon wieder ums Auto rum – schade um die einzigartige Aussicht!

Montag, 26.7.2004

Nach einem Strandnachmittag haben wir uns am Freitag an den Iznik Gölü, den See von Iznik verschoben und sind erstaunt, wie viel heisser es nur wenige Kilometer im Landesinnern ist. In einem Olivenhain schlagen wir unser Nachtlager auf, diesmal ohne abendlichen Besuch. Nur ein Landarbeiter schüttelt am andern Morgen den Kopf als wir mit unserem Geländewagen aus dem steilen Olivenhain hervor brechen und seinen Traktor kreuzen.  

Wieder einmal gönnen wir unserem LandCruiser am Samstag eine Wäsche – wir gehen davon aus, dass das Wetter an der Ägäis stabil bleibt und die Geländeausflüge in den nächsten zwei Wochen eher weniger werden. Dafür gehen wir wieder einmal „z‘Bärg“ und erklimmen Kehre um Kehre den Uludaq, den Hausberg von Bursa, der im Winter ein beliebtes Skigebiet ist und auch eine Spezialprüfung der Turkish Rallye bildet. Mitten in einem Feld von Königskerzen, Klee, Gelbwurz und anderen Bergblumen nächtigen wir im ausgedehnten Park eines Berghotels auf rund 1500 Meter über Meer. Nachts wird es empfindlich kalt!

Von der alpinen Umgebung zurück ans Meer. Am Sonntag fahren wir ein ganz schönes Stück nach Canakkale, direkt an der Meerenge der Dardanellen, wo wir wieder einen kleinen Campingplatz mit direktem Strandzugang finden. Ein idealer Platz, um heute etwas zu retablieren: ausschlafen, Wäsche waschen, Schlafsäcke auslüften, schwimmen, sonnenbaden und den grossen Frachtschiffen zugucken, welche sozusagen im Gänsemarsch durch die enge Passage pflügen.

Donnerstag, 29.7.2004

Die verästelte Ägäisküste lässt uns nicht mehr los, man könnte wohl Monate lang nur diese Region erkunden! Am Dienstag haben wir Canakkale wieder verlassen, nachdem wir unsere Waschmaschine (Weithalskanister) auf dem Dach des LandCruisers gefüllt haben.
Nach einem intensiven Fahrtag müssen die Jeans nur noch gespült und zum Trocknen aufgehängt werden. Dies nachdem wir die Halbinsel von Ayvalik erkundet und in einem Pinienwald direkt auf der Krete unser Lager aufgeschlagen haben – links und rechts mit Sicht aufs Meer, den einzigartigen Duft der Pinien in der Nase und ein wahrhaft ohrenbetäubendes Grillenkonzert bis zum bilderbuchmässigen Sonnenuntergang (und erneut pünktlich nach Sonnenaufgang). 

Izmir umfahren wir am Mittwoch grossräumig, ebenso die wie Pilze aus dem Boden spriessenden Feriensiedlungen – wer soll denn hier noch alles Urlaub machen? Wir lagern nicht am Meer, dafür auf einer Art Alpweide in einer Pinienwaldlichtung. Als erstes ist eine Freiluftdusche angesagt, denn die Temperaturen steigen von Tag zu Tag, und seit unserer Ausreise aus Bulgarien haben wir keinen Tropfen Regen mehr gesehen. Schade, dass Feuer machen wegen der akuten Waldbrandgefahr absolut nicht möglich ist! So kurz nach 10 Uhr abends dann der grosse Schreck: Zuerst ein Rascheln, Kratzen und Schmatzen im Unterholz, dann ein wenig freundliches Knurren. Wildschwein? Oder gar Bär? Unsere lichtstarke LED-Lampe veranlasst den nächtlichen Besuch offensichtlich zum Abziehen, ohne dass wir ihn zu Gesicht bekommen hätten.

Auch heute haben wir einen lauschigen Übernachtungsplatz gefunden, allerdings wieder nicht direkt am Meer und erst nach mehreren Anläufen und einem zeitraubenden (und erst noch vergeblichen) Offroad-Ausflug, der nur zu einem einsamen Fischeranwesen geführt hat. Wirklich einsame Buchten scheint es in dieser Region nicht mehr zu geben! Und die (wieder zahlreicheren) Campingplätze sind uns zu teuer und zu überfüllt.

Samstag, 31.7.2004

Eine Herde von rund 100 Ziegen – ohne Hirt, aber angeführt von einem Leitbock – hat uns am Freitag Morgen noch einen Besuch abgestattet, bevor wir unseren waldigen Übernachtungsplatz verlassen haben und Richtung Marmaris weitergezogen sind.
Auf der verästelten Resadiye-Halbinsel mit unzähligen Buchten hat uns jene von Hisar am besten gefallen – nur eine kleine Bungalow-Anlage, eine Pension, ein Strandrestaurant und zwei preisgünstige Campingplätze – so dass wir beschliessen zwei Tage zu bleiben. Den heutigen Tag haben wir denn auch wieder voll dem Baden, Sonnenbaden und Meer geniessen gewidmet.

Dienstag, 3.8.2004

Es ist nun richtig heiss geworden, so um 35° C im Schatten, weit und breit kein Regen in Sicht – Sommer wie im Bilderbuch! Und die lykische Küste, also die Südküste bis Antalya ist noch faszinierender als die Ägäis! Am Sonntag, dem 1. August, haben wir viel Zeit in Marmaris verloren: nein, nicht Feuerwerk zünden oder Fähnchen schwenken, sondern Supermarkt suchen – Migros, welchen denn sonst? – den Bazar nach Ledersandalen durchforsten (die gingen vor rund 10 Tagen kaputt) und vor allem im Internetcafé eine Tonne Mails lesen sowie, erneut mit einigen Schwierigkeiten, den zweiten Teil unseres Tagebuchs übermitteln. Dazu an der Strandpromenade noch ein Kebab reinziehen und uns am Treiben der Pauschaltouristen ergötzen (Sonnenbaden in fünf Reihen, auf den Bauch drehen auf Kommando etc.). Dafür kommen wir nicht allzu weit und schlagen schon 20 km ausserhalb der Stadt wieder unsere Zelte bzw. unser Auftstelldach auf. 


                  

An Ziegen, Esel, Kühe, Schafe, Gänse und Hunde auf der Strasse sind wir uns mittlerweile ja gewöhnt. Aber eine Schildkröte, welche die Fahrbahn kreuzt?  Kein Wunder, wir sind in Kaunos, einem der letzten Gebiete am Mittelmeer, wo diese Tiere noch – geschützt – in freier Wildbahn leben. 
Wir verzichten auf eine teure Bootsfahrt auf dem Kaunos-Fluss und bewundern die antiken Felsentempel mit Feldstecher und Teleobjektiv lieber von einem versteckten Platz aus dem Schilf. Dann geht‘s weiter nach Ölüdeniz, dem wohl mondänsten Ferienort an der Küste mit einem sagenhaften Strand und einer Lagune wie in der Karibik. 



Den an den Topdestinationen in der Türkei grassierenden Trend, für alles und jedes Eintritts-, Durchfahrts- und Parkplatzgebühren zu kassieren, unterstützen wir allerdings auch hier nicht und suchen uns stattdessen am Hang des Babadaq den wohl bisher traumhaftesten Übernachtungsplatz, rund 200 Meter über der Felsküste im Schatten von Pinien und mit einer Felsenterrasse, auf der wir unser Sunset-Dinner einnehmen. Nur eine Flasche Wein haben wir vergessen einzukaufen.

Den Sandstrand von Patara, den angeblich weitläufigsten am Mittelmeer, boykottieren wir ebenfalls – weshalb sollen wir hier an der Zufahrtstrasse umgerechnet vier Franken Eintritt bezahlen (ohne den Strand auch nur von weitem zu sehen), wenn wir an einem zwar kleineren, aber nicht weniger traumhaften schneeweissen Karibikstrand, nur 20 Kilometer weiter, uns kostenlos abkühlen können? Und ein paar Sanddünen, die uns etwas Saharafeeling vermitteln, finden wir auch in der Nähe von Kale. Logisch, dass wir uns hier für die Nacht einrichten. 5000 Kilometer haben wir seit unserer Abfahrt aus der Schweiz bereits zurückgelegt, doch wir haben das Gefühl, eigentlich nicht wirklich zügig vorwärts zu kommen.

Samstag, 7.8.2004

Am Mittwoch besuchen wir das antike Myra, wo auch der  Heilige Nikolaus hergekommen sein soll. Das Amphitheater ist noch wirklich gut erhalten! Dann geht es wieder ab in eine verschwiegene Bucht nahe Olympos zum Badeplausch bevor wir uns zur nächsten Nacht in die Büsche schlagen.

Antalya lassen wir am Donnerstag links liegen, nur den Kursunlu-Wasserfällen statten wir einen Besuch ab. Eine Szenerie wie wir sie bisher erst im tropischen Urwald in Thailand und Malaysia erlebt haben.
Leider ist das ganze zu einer Art Rummelplatz für Touristen und Anwohner ausgebaut worden. Nur um den aus Deutschland per Post in ein Hotel geschickten lange ersehnten Ersatzschlauch für unsere Frischwasseranlage (ja, das Teil, das in Rumänien undicht geworden ist) abzuholen, laufen wir den Badeort Side an. Gott behüte, in dieser Hotelwüste jemals Ferien machen zu müssen! Das Ersatzteil ist tatsächlich da, und mit Mühe und Not finden wir noch einen Campingplatz für zwei Nächte, etwas ausserhalb, ohne geschlossene Duschen, aber dafür direkt am Strand. Am Freitag wird montiert und ein letztes Mal gebadet.

Heute nun haben wir von der mediterranen Küstenregion aus eine fast alpine Bergregion nach Beysehir durchquert, bevor wir von der recht grossen Stadt Konya aus in eine riesige Steppenlandschaft eingetaucht sind. Was für Kontraste an einem einzigen Tag!
Und keine Chance, hier offroad zu campieren, man sieht meilenweit alles und jedes! Zum Glück bietet die alte Karawanenstadt Sultanhany im Hinterhof einer Pension einen Campingplatz – mit den seit langem saubersten Sanitäranlagen.

Dienstag, 10.8.2004

Ein Wechselbad der Landschaften! Am Sonntag sind wir von Sultanhany über Neveshir ins Göreme-Tal gefahren, das für seine Tuffsteinformationen weltbekannt ist und sogar ins Inventar des UNESCO-Welterbes aufgenommen wurde.
 

Absolut fantastisch was die Natur hier in Kappadokien auf einem Gebiet von vielleicht 40 Quadratkilometern geschaffen hat: Felsformationen, die an Pilze, Kapuzen, Schlümpfe erinnern oder geradezu unsittliche Formen angenommen haben. Und weil sich dieser Stein gut bearbeiten lässt, wurden die Tuffsteinkegel früher von Mönchen zu Kapellen und Klausen ausgehöhlt. Noch heute wohnen zum Teil Bauern in dem gut gegen Hitze im Sommer und Kälte im Winter isolierenden Gestein.


Nach einer Nacht offroad in einer Art Canyon, nur unweit der grandiosen Tuffsteinlandschaft, ziehen wir am Montag weiter über Kayseri und Sivas (eine recht langweilige Strecke!) bis nach Zara, wo wir an einem Flüsschen direkt neben einer Stromschnelle unser Nachtlager aufschlagen. Weil es hier nicht mehr so trocken ist wie an der Mittelmeerküste, wagen wir es auch endlich einmal ein Lagerfeuer zu machen und zu grillieren. Nur, kleinste Insekten verderben uns den gemütlichen Abend, indem sie uns in die Nase, in die Ohren und in den Mund fliegen!

Heute nun haben wir zwei Bergketten überquert und die Schwarzmeerküste bei Giresun angelaufen. So eine hässliche Stadt! – schmutzig, stinkig, üble Mietskasernen, viel Verkehr, das Wetter trüb und weit und breit kein Campingplatz, obwohl die ADAC-Karte einen eingezeichnet hat. Zum Glück hat sich der befürchtete Garagebesuch wieder erübrigt: Ein Teerstückchen, das sich zwischen Bremsscheibe und Abdeckblech verklemmt und dort einen gewaltigen Krach veranstaltet hatte, löste sich von selbst wieder. 

Das bringt mich auf ein weiteres Thema: Strassenbau! Wohl nirgendwo auf der Welt ist ein solches Strassenbaufieber ausgebrochen wie hier in der Türkei. Jede einigermassen wichtige Strasse wird derzeit begradigt und auf mindestens vier Spuren ausgebaut. Überall Baustellen, kilometerlange frische Teerspuren, die man befahren muss, hässlich grober Rollsplitt usw. Und wenn unser Bundesrat Moritz Leuenberger vollmundig immer wieder argumentiert: „Wir bauen keine Autobahnen auf Vorrat“, hier könnte er mal lernen, was Strassenbau auf Vorrat wirklich bedeutet. Ja, der heutige Tag hat nicht gepasst, und der Übernachtungsplatz zwischen vermülltem Fluss und Hauptstrasse rundet dieses Bild noch ab.

Donnerstag, 12.8.2004

Den Abstecher ans Schwarze Meer hätten wir uns tatsächlich schenken können. Ausgerechnet am Mittwoch morgen zieht eine gewaltige Regen- und Sturmfront der Küste entlang – zeitweise ist Fahren kaum mehr möglich. Und als Tüpfelchen auf dem i verliert noch ein Kieslastwagen vor uns seine halbe Ladung. Zum Glück haben wir genügend Abstand, so dass ein kleine Delle unterhalb des Kühlergrills der einzige Schaden bleibt.
 
Die Polizei ist zufälligerweise grad vor Ort zur Stelle, und mit ihrer Hilfe und etwas Verhandlungsgeschick können wir sogar noch 100 Millionen Lira (ca. 87 Franken) Schadenersatz bar auf die Hand heraushandeln – ist wohl die bessere Lösung als auf die Zahlung einer Versicherung zu hoffen.

Trabzon entpuppt sich als nicht viel attraktiver als Giresun (ein in der Schweiz lebender Türke, den wir unterwegs antreffen, bezeichnet diese Region als die Dritte Welt der Türkei).


Und so bleibt der Besuch des hoch in den Felshängen klebenden Klosters Sumela der einzige Höhepunkt. Und weil es danach wieder zu schütten beginnt, verzichten wir auf eine Nacht auf einem der dortigen, an und für sich hübschen Campingplätze und fahren weiter ins Landesinnere.

Heute Donnerstag sind wir recht zügig vorwärts gekommen. Allerdings stellen wir erstaunt fest, dass nicht nur in den kleineren Ortschaften die an der Mittelmeerküste allgegenwärtigen Supermärkte europäischen Standards fehlen, sondern auch in der recht grossen Stadt Erzurum. Nur die unglaubliche Dichte an Tankstellen, Garagen, Autozubehörläden und Aufpolierer (nennen sich Otokuaför, also Autofriseure) ist geblieben. Und womit wir auch nicht gerechnet haben: Die ganze Gegend liegt auf rund 2000 Meter über Meer. Das heisst, es wird nachts nicht nur recht kalt, sondern es hat auch kaum Bäume, in den man sich beim freien Campieren etwas tarnen könnte. Und um die grosse Wäsche, die heute den ganzen Tag auf dem Autodach kräftig geschüttelt worden ist, aufzuhängen, müssen wir die Vorzeltstangen zu Hilfe nehmen.

Sonntag, 15.8.2004

Nachdem wir unsere Alpwäsche eingezogen und auch noch eine Freiluftdusche genossen hatten, verlassen wir am Freitag unser Bergcamp wieder, nicht ohne uns zu wundern, wieviel Passanten an diesem abgelegenen Ort noch auftauchten: vier Mal ein Ochsengespann, das Heu vom Maiensäss ins Tal brachte, eine Familie mit einem Eselkarren und mehrere Jugendliche, die ihren Gwunder stillen wollten – offensichtlich hatte sich unsere Anwesenheit recht schnell bis ins nächste Dorf umgesprochen. 


Nach einer Fahrt zum Teil auf Schotter durch die wilde Berglandschaft Kurdistans erreichen wir Tatvan am Van-See, einem salzhaltigen, sehr ruhigen Gewässer auf rund 1700 Meter, das wegen seiner Grösse auch als Meer bezeichnet wird. Im Garten des Hotels King, des lokalen Zocker- und Bauchtanz-Etablissements, können wir unser Lager aufschlagen. Wir sind Nummer 11 und 12 in der jährlichen Liste der ausländischen Gäste. 



Am Samstag erklimmen wir den Nemrut Dagi, einen rund 3000 Meter hohen erloschenen Vulkan, der in seinem Krater einen See aufweist. 





  
Am Ufer des Van-Sees unweit der Insel Achtamar, auf welcher eine armenische Kirche thront, finden wir einen Campingplatz, auf dem wir dank der Vermittlung eines in Deutschland lebenden, offensichtlich recht einflussreichen Türken sogar kostenlos campieren können. Dafür leisten wir uns zum Abendessen im einfachen, aber exzellenten Restaurant auf dem Platz einen Fleischspiess vom Grill und beschliessen den heutigen Sonntag als Ruhe- und Waschtag und zum Vorbereiten auf den Grenzübertritt in den Iran zu nutzen, über den ganz unterschiedliche Gerüchte, von völlig problemlos bis zu einem halben Tag verschlingend, kursieren.

Mittwoch 18.8.2004

Dies sind unsere letzten Tage in der Türkei, die uns alles in allem einen ausgesprochen positiven Eindruck hinterlassen hat. Selten haben wir so viele hilfsbereite Leute getroffen und sind spontan zum Tee, zum gratis Campieren oder wie heute sogar zum gratis Autowaschen eingeladen worden. 

Am Montag haben wir in Van nochmals einen Migros Markt gefunden und uns tüchtig mit Waren eingedeckt, die man sonst im Osten der Türkei und wohl auch in Iran nicht mehr erhält: vernünftigen Kaffee für unsere Espresso- und Cappuccino-Kocher zum Beispiel. Beim lokalen Toyota-Händler auch noch einen Oelfilter für unseren LandCruiser, da in ca. 1500 km schon wieder ein Oelwechsel ansteht und es in Iran kein Toyota-Vertriebsnetz gibt. Um das Geld für die Schweizer Autohaftpflichtversicherung, die uns von Iran weg keine Deckung mehr bietet, zu sparen, schicken wir unsere Originalnummernschilder zur Deponierung zurück in die Schweiz und fahren künftig mit Duplikaten weiter. Schliesslisch gilt es auch noch einen Kanister Petrol für Kocher und Lampe zu besorgen, nachdem wir endlich den türkischen Ausdruck dafür, nämlich "Kandil Yakiti", herausgefunden haben. In Iran mit der für uns unlesbaren Schrift wäre das ganze wohl noch eine Spur schwieriger geworden. Das ganze hat aber wieder unheimlich Zeit gebraucht, so dass wir erst kurz vor Sonnenuntergang in ein Wäldchen am Strassenrand abgetaucht sind, idyllisch ohne Zaungäste, aber dafür mit ganzen Schwärmen voll Mücken. Rund eine halbe Stunde Mückenklatschen stand vor dem Zubettgehen noch auf dem Programm.

Am Dienstag Morgen war der Spuk vorbei, dafür haben uns zwei ungemein aufdringliche Halbwüchsige – seit ein paar Tagen haben die Türken offensichtlich Schulferien, und den Kindern scheint es ungemein langweilig zu sein!! – noch vor dem Frühstück von unserem Platz vertrieben. Rund 15 Kilometer weiter finden wir einen schönen Platz am See zum Brunchen, nur hier wimmelt es wieder von Mücken. Es ist allerdings eine recht kurzlebige Spezies, das Auto ist danach voll von Mückenkadavern, sogar den Zyklon-Luftfilter galt es noch zu leeren.

Nach einem Besuch der Bendimahi-Wasserfälle fahren wir den Grenzort Dogubayazit an, der für seine alte Burg Ishak Pasha Saraj und seinen Bilck auf den über 5000 Meter hohen Berg Ararat bekannt ist. 

Wir beschliessen, gleich zwei Nächte auf dem Campingplatz direkt unter der Burg zu nächtigen, und haben diese heute Morgen noch besichtigt. Nach den letzten Einkäufen (Kopftuch, weite Kleider) duschen wir noch mal richtig warm.


Und nachdem uns ein in Oesterreich lebender türkischer Soldat auf dem Campingplatz noch seinem ungemein kulturinteressierten Kommandanten vorgestellt hat, gibt es wohl zum letzten Mal für zwei Monate eine Flasche Wein zum Znacht.





Samstag, 21.8.2004

Der Grenzübertritt in den Iran verlief am Donnerstag weniger problematisch als befürchtet. Auf der türkischen Seite lotste uns ein Touristenschlepper im Eilzugtempo durch die Kontrollen – um uns danach zu ausgesprochen schlechtem Wechselkurs iranische Rial zu verkaufen. Zum Glück haben wir bei ihm nur unsere restlichen Lira im Wert von rund 50 Franken gewechselt. Den Rest in Dollar danach zu klar besseren Konditionen in der iranischen Wechselstube. Auch auf iranischer Seite geniessen wir offensichtlich eine Art Touristenbonus, so dass wir nach insgesamt rund einer Stunde Richtung Maku weiterfahren konnten.


Welcome to Iran, mit Kopftuch, langen Hosen, geschlossenen Schuhen usw. Wir nehmen den erst besten Pfad in die Berge und finden tatsächlich eine sehr ruhige Stelle zum Campieren. Drei nächtens durchfahrende Bauern haben uns nicht gesehen, ein weiterer am andern Morgen hat uns diskret in Ruhe gelassen. 

Am Freitag sind wir dann weiter Richtung Orumiehsee weitergefahren, einem Steppensee, ähnlich dem Van-See in der Türkei. Und jetzt merken wir, dass wir den europäischen Einflussbereich endgültig verlassen haben. 


Lesbare Strassenschilder sieht man nur noch auf den Durchgangshauptstrassen. Tankstellen – in der Türkei noch Massenware – sind rar und haben allesamt keinen Diesel mehr. Für Benzin gibts Warteschlangen. Die Strassen sind zwar top ausgebaut, andere Infrastruktur, wie Wasserbrunnen, ist klar schlechter. Das Positive: Es gibt mehr (vor allem jüngere) Leute hier, die recht gut englisch sprechen und einem immer sofort spontan ihre Hilfe anbieten, wenn sie sehen, dass wir ein Orientierungs- oder anderes Problem haben. 

Nachdem wir für rund 6 Franken doch noch zu 25 Liter Diesel gekommen sind (aus einem Fass gezapft), erreichen wir gegen Abend die recht grosse Stadt Orumieh, die gemäss unserer Karte einen Campingplatz aufweisen soll. Diesen finden wir zwar nicht, dafür ein riesiges Picknick- und Freizeitgelände am See. Es schliesst offiziell um 24 Uhr, wir dürfen nach Vermittlung des perfekt englisch sprechenden Platzwartes mit Sondergenehmigung der Nationalgarde jedoch für die Nacht stehen bleiben. Und weil Freitag ist (Sonntag für die Iraner), ist hier noch bis Mitternacht der Teufel los. Wir sind eine der Hauptattraktionen. Alle wollen wissen, woher wir kommen, wohin wir fahren, bieten uns Tee und Essen an oder offerieren uns ihre Hilfe während unseres Aufenthaltes. Es ist halb zwei, bis wir Ruhe finden, und weil ausserdem noch ein paar Mücken im Auto übernachten, mangelt es etwas am Schlaf.

Dienstag, 24.8.2004

Nach fünf Tagen in Iran können wir uns ein erstes Bild von diesem Land machen. Im Gegensatz zur Türkei gibt es hier weniger zu sehen. Sogar die Moscheen sind schmuckloser, ohne Minarette und ohne rufenden Muezzin. Von diesem Standpunkt aus hätten wir also durchaus unseren Zeitplan etwas anders gestalten können. Andererseits ist hier das tägliche Leben so extrem billig, dass man durchaus länger bleiben sollte. Und die Freundlichkeit, Zuvorkommenheit und das Verantwortlichkeitsgefühl der recht häufig englisch sprechenden Bevölkerung ist überwältigend, aber dennoch nicht aufdringlich. Ein bisschen erinnert die Situation an die Zeit des Kommunismus in den Ostblockstaaten. Mit Ausnahme der Importgüter ist alles sehr billig, nur das Angebot ist begrenzt. Und aus den Gesprächen mit den Einheimischen lassen sich zwei Hauptsorgen erkennen: erstens die generelle Unzufriedenheit mit der totalitären konservativen Regierung und zweitens die Angst, dass die Amerikaner aus den Debakeln von Afghanistan und Irak immer noch nichts gelernt haben, und als nächstes die Regierung in Teheran zu stürzen versuchen könnten.

Nach einem Fussbad im salzhaltigen Orumiehsee – für richtigen Badespass hätten wir rund einen Kilometer auseinander liegende nach Geschlechtern getrennte Badeanstalten besuchen müssen – haben wir am Samstag Mittag endlich eine Tankstelle mit Diesel gefunden.

Nach 200 Liter war es dem Tankwart dann aber nicht mehr geheuer und er stellte uns kurzerhand den Zapfhahn ab. Doch nun haltet euch fest: Die 200 Liter Most haben gerade mal 33'000 Rial, das sind umgerechnet rund 5 Schweizer Franken gekostet!! Das sind 2,5 Rappen für einen Liter. Der Saft ist hier also rund 60 Mal billiger als in Europa. Wir umrunden den Orumiehsee in zwei Tagen und besuchen am Sonntag Nachmittag das Bergdorf Kandovan, das ähnlich wie Göreme in Kappadokien aus Häusern in den Tuffsteinen drin besteht, wobei die hier alle noch bewohnt sind.

Wir campieren in einem trockenen Flusslauf – ja, ich weiss, Regel Nummer Eins fürs Offroad-Campieren: Übernachte nie in einem Flussbett! Aber von Regen ist hier nun wirklich weit und breit nichts zu sehen. Dass allerdings um halb acht Uhr abends noch ein Bauer mit einem riesigen Traktor und Anhänger hier Kies aufladen will und wir deshalb Auto und Wäscheleine schnellstmöglich versetzen mussten, das war noch weniger zu erwarten. 

Am Montag kaufen wir in Osku, einem richtigen Vorzeigeörtchen für Touristen für Irma endlich typisch iranische Mode, also eine schwarze mantelartige 3/4 lange Bluse mit langen Ärmeln. Jetzt fühlt sie sich endlich richtig angezogen. Heiss ist es allerdings auch in diesem Gewand! 

Etwas zeitaufwändig gestaltet sich in diesem Land die Suche nach geeigneten Schlafplätzen, da es keine Wälder gibt und das Hügelland relativ flach verläuft. Nicht dass wir uns bedroht fühlten, aber nach Auskunft von Einheimischen sieht es die Polizei nicht gern, wenn man von der Strasse aus sichtbar übernachtet. Aus Sorge um unsere Sicherheit warnen uns zwei Bauern in unmissverständlicher Zeichensprache vor anschwellenden Fluten, weil wir erneut in einem trockenen Flusslauf campieren. Sie ziehen allerdings (mit Pferd der eine, mit Moped der andere) schnell wieder ab, nachdem wir ihnen ebenfalls in Zeichensprache zu verstehen gegeben haben, dass wir die Gefahren durchaus kennen und tatsächlich kein Gewitter in Sicht sei. Und tatsächlich ist bis heute Morgen kein Tropfen Regen gefallen.

Donnerstag, 26.8.2004

Der Bazar von Zanjan hat uns am Dienstag Nachmittag nicht gerade vom Sockel gehauen. Schon eher die mit Hackfleischbällchen gefüllten Fladenbrote in einer Gassenküche, eine Riesenportion für rund drei Franken für uns beide. Frisch gestärkt fahren wir zügig weiter bis nach Soltaniyeh, vor rund 1300 Jahren Hauptstadt des schiitischen Mongolensultanats auf dem Gebiet des heutigen Iran. An einem plätschernden Bächlein beziehen wir unser Nachtlager.

Am Mittwoch Vormittag besichtigten wir die drei Mausoleen in Soltaniyeh, welche an die lange zurück liegende Blütezeit des jetzt eher verschlafenen Dorfs erinnern: der Dom des Sultans Mohammed Kohdabandeh, die Chalaby Oghly und das Monument von Molla Hassan Kashi. Leider befinden sich die drei Kuppelbauwerk derzeit in Restauration. Bereits ist aber erkennbar, dass in rund drei bis fünf Jahren hier fantastische Zeugen der iranischen Geschichte zu sehen sein werden.


Ebenfalls echt überrascht hat uns am Nachmittag die Höhle von Kataleh Khor. Während einer eineinhalbstündigen Wanderung sehen wir in der Mischzone von Eisenerz haltigem Gestein und Calcit ein Zusammenspiel von roten und weissen Farben sowie eine riesige Fülle von feinsten Tropfsteingebilden. Sowas haben wir noch selten gesehen und vor allem noch nie mit Blitzlicht fotografieren können. Und das kühle Höhlensystem ist erst noch eine wahre Wohltat bei Aussentemperaturen von satt über 30 Grad. 

Schon mal von Montezumas Rache gehört? Jawohl, das ist eine elegante Umschreibung von beschleunigter Verdauung. Nun hat‘s auch uns mal erwischt. Allerdings nicht ganz so schlimm – man könnte es eher als Khomeynis Drohfinger umschreiben. Und mit dem gezielten Einsatz von Imodium haben wir den Stuhlgang nach drei Tagen wieder voll im Griff. Nach einem eher langweiligen Fahrtag haben wir eben unser Nachtlager an einem Flussufer aufschlagen wollen, als ein zufällig vorbei wandernder Bauer nicht locker lässt, uns in sein rund zwei Kilometer entferntes Heim – ein für diese Gegend typisches Lehmhaus – zu Tee und Obst einzuladen. Er wohnt dort mit Vater, Mutter, Frau und zweijärhigem Sohn auf engstem Raum ohne jeden Komfort. Dagegen ist das Leben in unserem LandCruiser mit fliessend warmem Wasser etc. der pure Luxus! Trotz dem wir kein Wort Neupersisch (Farsi) und unsere Gastgeber kein Englisch sprechen, können wir ihnen erklären, woher wir kommen und wohin wir zu fahren gedenken. Im Gegensatz zu Deutschland ist die Schweiz hier in Iran allerdings kaum bekannt und auch diese Familie scheint unsere Heimat nicht so richtig orten zu können.

Sonntag, 29.8.2004

Am Freitag, also dem islamischen Sonntag, haben wir Qom besucht, die konservativste Stadt in Iran und mit dem Grabmal der Fatima al Masume auch einer der heiligsten Ort in Iran. Tatsächlich herrscht um diese Pilgerstätte eine ungemein religiöse Stimmung. Für uns Ungläubige allerdings gibts Hindernisse. Prinzipiell ist der Zutritt in den Vorhof zwar auch uns erlaubt, Irma – nur mit Mantel und Kopftuch statt mit Tschador – scheitert allerdings schon am Eingang. Ich darf rein, werde aber beim ersten Fotoversuch höflich aber bestimmt aufs absolute Fotografierverbot hingewiesen. Und später, beim Campieren rund 30 km südlich der Stadt, geraten wir nochmals mit dem Gesetz in Konflikt. Wir haben uns mitten in einem Naturschutzgebiet niedergelassen – das Hinweisschild in Farsi konnten wir logischerweise nicht lesen – und so erhalten wir noch abendlichen Besuch vom Aufseher. Nachdem wir ihm aber klar gemacht haben, dass wir nicht jagen, keinen Abfall hinterlassen und am andern Morgen sicher wieder verschwinden, wünscht er uns gute Nacht.

Ein trauriger Morgen an diesem Samstag: Der Capuccino-Maker, Stolz unserer Bordküche, ein Milchschäumer für den Herd, der uns sogar mitten in der Wildnis den Luxus eines perfekten Schäumchens auf dem Morgenkaffee erlaubt hat, ist kaputt – so ein sch... Plastikteil ist nach rund 80 Einsätzen bereits ausgeleiert.
A propos Statistik: Eben ist der Kilometerzähler unseres Landcruisers auf 25'000 gesprungen. Seit unserer Abfahrt haben wir also bereits 9000 Kilometer abgespult. Zeit für einen Ölwechsel in einer der zahlreichen speziellen Ölwechselstationen. Reinfahren, eine Viertelstunde warten, und schon hat der Landcruiser 11,3 Liter frisches Motorenöl bester Qualität und den (bereits in der Türkei gekauften) neuen Ölfilter verpasst bekommen. Kostenpunkt: rund 30 Franken. So erreichen wir gegen Abend bereits die Region Esfahan.

Heute ist Sightseeing-Tour in Esfahan angesagt. Allerdings erst nach einer wahren Hindernissfahrt durch den Stadtverkehr. Wer bremst ist feige, Blinker und Rückspiegel gibts nicht, der Vordermann ist immer im Recht, ausser der von hinten Kommende hupt, und das tut hier fast jeder. Wir finden dennoch ganz nahe des Meydan-e-Emam einen Parkplatz, und besuchen den riesigen zentralen Platz der Stadt, der sieben Mal so gross sei wie der Markusplatz in Venedig und von mehreren Moscheen und unzähligen Bazargassen umrahmt wird.
Angenehm, wie diskret hier die Händler auf ihr Angebot hinweisen. Und man könnte hier mit etwas Handeln wirklich echt preisgünstig Teppiche, Tischtücher, Metallgravuren usw. einkaufen. Aber wir haben dafür schlicht und ergreifend keinen Platz in unserem LandCruiser. 


So bannen wir das ganze auf Fotochip, besichtigen noch die zwei aussergewöhnlichen Fussgängerbrücken (Si-o-se-Pol und Pol-e-Khaju), bevor wir die nahe gelegenen Berge ansteuern, um – gut versteckt hinter einer Felsnase – nach einer Offroad-Dusche die Vollmondnacht zu geniessen.






Dienstag, 31.8.2004

Es muss nicht immer Sahara sein, um in die Wüste zu fahren. Südwestlich von Esfahan gibt es alles, was ein Wüstenfuchs sich wünschen kann: Sanddünen, grüne Wadis, verlassene Karawansereien und einen Salzsee.
Wir versuchten am Montag quer durch dieses Gebiet nach Yazd zu fahren. Allerdings wählten wir in Varzaneh, der letzten Ortschaft vor dem Wüstengebiet, irrtümlich eine Route südlich des salzhaltigen Flusses, und so landeten wir nach rund 40 Kilometern in der Sackgasse, das heisst dem Zusammenfluss von Wadi und Salzsee. Die bis dahin gut sichtbare Piste (offenbar Wochenends von Ausflüglern aus der Stadt benutzt) endet abrupt, und schon stecken wir bis zu den Naben im Schlamm. Mit Schaufeln, Sandblechen und geschlossenen Differentialsperren schaffen wir es schliesslich doch noch, wieder rückwärts aus dem Matsch zu kommen, aber das hätte böse ausgehen können! 


Keine Experimente mehr, also zurück, schön auf dem Backtrack unseres GPS. Entschädigt werden wir durch eine herrliche Mondnacht auf dem Areal der bereits erwähnten zerfallenen Karawanserei – ein Highlight in Sachen Übernachtungsplatz. 

Heute wählen wir nun die Route nördlich des Wadis und stellen fest, dass wir – wären wir von Anfang an so gefahren – etwas verpasst hätten. Es sind zuerst rund 40 Kilometer pfeifengerade Schotterpiste, bevor es dann in die Berge geht. Von hier sehen wir erst, dass eine Überquerung des Salzsees auf der von uns zuerst gewählten Route absolut unmöglich gewesen wäre. Wir geniessen die Fahrt durchs Bergland – eine echte Abwechslung – und erreichen gegen Abend die Umgebung von Yazd, wo wir in einem buschbewachsenen Niemandsland entlang einer Bahnlinie ein erstaunlich lauschiges Camp aufschlagen. Und an den regen Bahnverkehr sind wir uns von zuhause her ja noch gewöhnt!

Freitag, 3.9.2004

Am Mittwoch besuchen wir die Stadt Yazd und  staunen über das grosse Aufgebot an Polizei. Plötzlich ein Konvoi von Geländewagen, eskortiert von noch mehr Polizei und einem Pickup voller Fotografen und Kameraleute. Des Rätsels Lösung: Staatspräsident Chatami ist auf Besuch! Wir besichtigen die Freitagsmoschee mit den angeblich höchsten Minaretten Irans, essen im Traveller-Guesthouse Silk Road Inn einen Happen, wundern uns, dass Traveller (es hat dort eine Gruppe Deutsche) so verlaust aussehen müssen, und sind schliesslich froh um unsern gut ausgerüsteten, zwar etwas staubigen, aber immer gut aufgeräumten LandCruiser, mit dem wir nun wieder die Berge zum Übernachten ansteuern.

Der Donnerstag ist ein reiner Fahrtag ohne grosse Vorkommnisse, sieht man davon ab, dass wir erstmals an einer Strassensperre von der Nationalgarde kontrolliert werden. Der Wachhabende hat wohl erst vor kurzem seine Winkel abverdient und macht nun auf Dienst nach Vorschrift. Pech nur, dass er nicht weiss, was ein Schweizer Pass ist, und auch die Gültigkeitsgepflogenheiten iranischer Visas offenbar nicht kennt. Nach einer halben Stunde Wartezeit – inzwischen ist sein Vorgesetzter auf dem Platz – lässt er uns kleinlaut ziehen. 

Noch einmal übernachten wir auf rund 2500 Meter Höhe, bevor wir heute Richtung Shiraz abtauchen und die Ausgrabungsstätte von Persepolis, der fast 2500 Jahre alten Hauptstadt der Achameniden, besichtigen, welche von Archäologen mit der Akropolis in Athen gleichgesetzt wird. Nach einigem Hin und Her – ausgerechnet, wenn wir Wäsche auf dem Dach zum Waschen haben, finden wir keinen geeigneten Schlafplatz – landen wir schliesslich auf dem wohl einzigen Campingplatz Irans in Shiraz, wo wir uns im Restaurant des Touristenkomplex auch noch ein gediegenes, aber verhältnismässig teures Nachtessen leisten.


Sonntag, 5.9.2004

Der Speise- und Getränkeplan ist mittlerweile wieder etwas reichhaltiger geworden. Denn – oh Wunder – im dritten Anlauf ist es mir gelungen unseren Cappuccino-Maker (das Ding fürs Schäumchen auf der Milch des Morgenkaffees) wieder funktionstüchtig zu machen – mit Hilfe einer Feder aus einem Kugelschreiber, einer Gummiunterlegescheibe und einer herkömmlichen M5-Mutter. In Shiraz haben wir zudem auch wieder Corn Flakes gefunden, im obersten, hintersten Regal eines Quartier-Supermarktes. Und wir haben einen würdigen Ersatz für unser geliebtes, hier zu Lande aber verbotenes Feierabend-Bier entdeckt: Pineapple Beer, das ist alkoholfreies Bier mit einem Schuss Ananassaft drin, echt stark und ungemein süffig! Auch die allabendliche Stechmückenplage, die uns seit Ungarn mehr oder minder in Atem gehalten hat (Irmas Beine sahen zwischenzeitlich einem Nadelkissen ähnlich), ist hier im Süden Irans deutlich zurückgegangen.

Die zwei Tage auf dem Campingplatz in Shiraz waren überhaupt gut geeignet, um etwas zu retablieren, kleinere Reparaturen und Reinigungen durchzuführen, ein Internetcafé, hier Coffeenet genannt, aufzusuchen und einfach mal nichts zu tun. Bloss die Rückfahrt mit einem Taxi aus der Stadt in den ITTO Tourist Complex am Samstag Abend gestaltete sich etwas schwierig. Kaum ein Taxifahrer spricht englisch oder kann auch nur unsere Schrift lesen. So winken die meisten ab. Mitgenommen hat uns dann einer, der wohl eigentlich nicht im Dienst war, sondern mit seiner Freundin unterwegs war. Das aufgestellte Pärchen (beide wohl anderweitig verheiratet und damit auf einem gefährlichen Pfad!) hat uns dann durch halb Shiraz gefahren, denn der Abu Nasr Boulevard ist etwa so lang wie die Stadt breit, und wir hatten vergessen, uns den Namen der Querstrasse (Jahngardi Street) zu merken.

Nach einer Autowäsche, die nicht viel gebracht hat (statt Autoshampoo wird hier Waschpulver verwendet und dann mit viel zu wenig klarem Wasser zu wenig gespült) sind wir nun wieder on the Road Richtung Kerman, bzw. haben kurz nach Sirjan wieder offroad unser Lager auf 2300 Meter Höhe aufgeschlagen, richtig angenehm nach der recht schwülen Hitze in der Stadt.

Dienstag, 7.9.2004

Nach einem wenig ereignisreichen Fahrtag haben wir am Montag die Umgebung von Kerman erreicht, um rund 20 Kilometer vor der Stadt in sandig kiesigem Wüstengebirge zu campieren. Und wieder ist mal etwas kaputt gegangen. Dreimal könnt ihr raten. Richtig, eine der beiden Wasserbrausen. Diesmal ist aber nicht der Flansch undicht, sondern der Handgriff gebrochen und lässt sich auch mit bestem Sekundenleim nicht reparieren – ich hasse Plastik!!

Nun gilt es langsam ernst, uns auf tropische Regionen vorzubereiten: In rund einer Woche erreichen wir das pakistanische Tiefland – Malariagebiet! Wir beginnen mit der Prophylaxe gegen diese heimtückische Krankheit.
Und in Kerman bummeln wir nicht nur durch den in einer alten Karawanserei mit grossen Windtürmen (Vorläufer einer Klimaanlage) untergebrachten Bazar, sonder suchen auch ein Internetcafe auf, um (einmal mehr) einen Ersatzbrauseschlauch zu bestellen, den uns dann gute Geister in ein paar Monaten nach Indien bringen sollen. Übrigens wissen wir nun, dass die Iraner tatsächlich ein sehr gläubiges Volk sein müssen. Für denn Fall, dass irgendwo keine Moschee ist, gibt es auch eine fahrbare Version – wir haben eine solche Version in Mahan gesichtet. Etwa zwei bis drei Personen dürften unter der Minikuppel Platz finden.

Donnerstag, 9.9.2004

Wir sitzen in einem steinig kiesigen Dünenfeld am Rande der Wüste Lut. Es ist abends um 10 Uhr und immer noch gut 30 Grad warm. Ein trockener steifer Wüstenwind trocknet jede Schweissperle gleich im Ansatz. Wir schlürfen genüsslich unseren Espresso und stellen uns vor, dass in der Schweiz demnächst die ersten Kälteeinbrüche mit Nässe und Schnee bis in tiefe Lagen stattfinden werden. Rund drei Stunden zuvor erlebten wir übrigens einen kurzen Schreckmoment. Das Brummen unserer Wasserpumpe wurde aus den Weiten des Dünenfeldes plötzlich von einem Gröhlen beantwortet. Wilde Tiere? In der Tat, aber harmlose: Eine Dromedar-Familie zieht gemächlich in respektvollem Abstand in Richtung einer feuchten buschbewachsenenen Ebene.

Am Mittwoch hatten wir etwas Pech mit unserem Tagesprogramm. Wir wollten in Mahan das Mausoleum von Shah Ne‘matollah Vali und den Prinzessinnengarten Bagh-e Shahzade besichtigen. Doch fanden ausgerechnet an diesem Tag Festivitäten mit offenbar auserlesenen Gästen aus Wissenschaft und Politik statt, und beide Anlagen waren für die geschlossene Gesellschaft reserviert. Ein paar Fotos von draussen mussten deshalb genügen. Mit einer grossen Wäsche auf dem Dach  sind wir anschliessend weiter gezogen, um am Rande eines breiten, völlig trockenen Flussbettes bei Darzin seit langem wieder das erste Mal im Schatten eines Baumes zu campieren.

Heute nun erreichten wir Bam, eine Oasenstadt am Rande der Wüste, gesäumt von Dattelpalmenwäldern. Doch die Idylle täuscht. Die Spuren des verheerenden Erdbebens vom vergangenen Jahr sind mit Ausnahme des Strassennetzes und der Stromversorgung noch kaum beseitigt. Die Leute leben immer noch in Containern, überall liegt Schutt und Schrott, und von der zuvor gut erhaltenen Lehmziegelfestung Arg-e-Bam und der umgebenden antiken Stadt ist nur noch ein riesiger Trümmerhaufen übrig. Ein mulmiges Gefühl, wenn man weiss, dass hier in Iran jederzeit an jedem Ort ein ähnliches Ereignis stattfinden könnte.

Sonntag, 12.9.2004

Nach zwei mehr oder weniger ereignisarmen Fahrtagen mit einigen Umwegfahrten, weil wir einmal mehr nicht (oder zumindest für uns nicht) lesbar markierte Abzweigungen verpassten und etwas Zeitschinden – wir wollten nicht am Freitag, dem iranischen Sonntag, den Grenzübertritt vornehmen – sind wir am Samstag um 17 Uhr als Letzte, bevor die Grenze geschlossen wurde, nach Pakistan eingereist. Als erstes galt es, die noch überschüssigen 400'000 iranischen Rial (ca. 60 Franken) zu einem mässig attraktiven Wechselkurs in pakistanische Rupies zu wechseln. Es ist uns also tatsächlich gelungen, in dreieinhalb Wochen in Iran nicht mehr als 350 Franken zu verbrauchen! Dann wurden wir von den pakistanischen Grenzbeamten mit Tee und Konfekt bewirtet – das hatten wir auch noch nie erlebt! 

Ab jetzt herrscht Linksverkehr. Das heisst, dort wo die Fahrbahn überhaupt breit genug ist zum Kreuzen, sitze ich am Strassenrand und Irma zur Mitte hin als Ausguck. Zum Überholen der riesigen Lastwagen oder beim Einmünden muss sie mir ansagen, ob die Bahn frei ist. Nach rund 25 Kilometern – unterdessen war es schon dunkel geworden – Ende der Fahrt. Ein Wachposten der pakistanischen Grenzwache liess uns nicht mehr weiterfahren. Camping auf dem Checkpoint, sicher, aber etwas lärmig, da die ganze Nacht hindurch Lastwagen vor der geschlossenen Kette recht geräuschvoll abbremsen mussten, um danach wieder voll zu beschleunigen.

Heute begleitete uns die Furcht der pakistanischen Sicherheitsorgane vor Übergriffen der Taliban oder Al Qaida über die nahe afghanische Grenze hinweg den ganzen Tag. Bei weiteren Tassen Tee wurde uns wärmstens ans Herz gelegt, unterwegs ja nicht anzuhalten. 




Wir konnten es uns trotzdem nicht verkneifen, an einem Trucker-Rastplatz eine Fotosession mit den legendären pakistanischen Lastwagen und ihren stolzen Chauffeuren durchzuführen. Unglaublich, mit welcher Hingabe die Trucker ihre Gefährte verzieren und bei jeder Gelegenheit abstauben. Dass der ganze Klimbim nicht nur das Gewicht erhöht, sondern auch die Aerodynamik drastisch verschlechtert, ist ihnen Wurscht, schneller als 50 km/h wird ohnehin nicht gefahren, sonst würde der ganze Zierrat wohl davon fliegen.

Schliesslich suchen wir, wie uns nahe gelegt wurde, in Nushki ein staatliches Guesthouse auf, um in dessen Garten zu campieren, und versetzen die dortigen Sicherheitskräfte damit gleich in helle Aufregung. Der Sicherheitschef des Distrikts persönlich kommt uns besuchen und ordnet ein Sicherheitsdispositiv an. Kein Wunder, Afghanistan ist hier nur rund 15 freie Kilometer durch die Wüste entfernt. So werden nicht weniger als 4 Polizisten mit Kalaschnikovs abkommandiert, um unser Camp zu bewachen – so müssen sich wohl hohe Staatsgäste fühlen…


Mittwoch, 15.9.2004

Nein, ein Schützenpanzer wurde zwar nicht aufgeboten, als wir am Montag Morgen losfahren wollten. Aber punkt zehn Uhr stand doch ein Pickup mit vier schwer bewaffneten Grenadieren der Elitetruppe Chagai Levies Forces vor der Tür um uns auf dem weiteren Weg Richtung Quetta zu eskortieren.
Die Eskorte wechselte ein paar Mal von Pickup zu Motorrad und wieder zu Pickup, wobei die letzte Schicht von der Quetta Citypolice übernommen wurden, die uns direkt und mit Sirene zu unserem gewünschten Hotel/Campingplatz brachten. Nur dass dort, ebenfalls aus Sicherheitsgründen, derzeit nicht mehr campiert werden darf (unser Reiseführer stammt halt noch aus der Zeit vor dem schicksalsschweren 11. September). Zum Glück fand sich aber ein anderes Hotel, das nach wie vor Camping anbietet. Allerdings in einer etwas weniger ruhigen Lage und nur auf dem Parkplatz im Hof, der bis tief in die Nacht rege benutzt wird. 

Dennoch beschlossen wir zwei Nächte zu bleiben, da wir noch eine Autoversicherung abschliessen und angesichts der nun schlechter werdenden Wasserqualität die Filteranlage unserer bordeigenen Wasseraufbereitung mit dem bakteriell undurchlässigen Mikrofilter bestücken mussten. In Quetta stellen wir fest, dass nicht nur Lastwagen, sondern auch Busse, Tuktuks (das sind diese Vespa-Dreiradtaxis) Traktore und sogar Eselkarren verziert werden wie Christbäume.
Brot wird hier noch in Erdofen gebacken und die Schuhmacher verwenden für die robusten Gummisohlen alte Autoreifen. Frauen scheint es keine zu geben, doch woher kommen denn die vielen Kinder??

Heute nun haben wir die in Abgas und Staub fast erstickende Stadt und ihre Umgebung wieder verlassen – schön inkognito ohne Eskorte – um unsere Atemwege in Ziarat, einer Art Höhenkurort auf 2500 Meter zu erholen. Als wohl einzige Gäste in der Bungalow- und Campinganlage der staatlichen Tourismusförderung PTDC gelingt uns das hervorragend, auch wenn die eben einsetzende Abendbrise auf dieser Höhe einen schon fast zu starken Kontrast zur Schwüle der Stadt darstellt. Nach wie vor wissen wir nicht recht, was wir von der Sicherheitslage halten sollen.
Die Leute hier in Pakistan begegnen uns fast durchwegs freundlich, auch wenn der Umgang etwas rauher, die Verkaufstaktik der Strassenhändler aggressiver und die um Kugelschreiber und Geld heischenden Kinder aufsässiger sind als in den Ländern zuvor.

Sonntag, 19.9.2004

Nun sind es drei Monate her, dass wir zu unserer grossen Reise aufgebrochen sind. Und nach der trockenen Hitze in Iran und Belutschistan sowie der kühleren Bergregion lernen wir nun die tropisch feuchte Hitze des Industals kennen. Da schwitzt man nur einmal! Und wir haben in den letzten beiden Tagen auch gelernt, dass die pakistanischen Strassen eine einzig grosse Baustelle sind. Tagesetappen über 200 Kilometer sind kaum mehr möglich. 

Nach einem Wasch- und Faulenzertag in dem von riesigen Wacholderwäldern bewachsenen Bergland von Ziarat haben wir uns am Freitag nach langem erstmals wieder übers Weltgeschehen aktuell informieren können. Es gibt hier den Balochistan Express, eine achtseitige Zeitung in Englisch. Bei der Weiterfahrt Richtung Osten haben uns dann prompt heftig verschätzt. Erst um halb neun sind wir in Fort Munro, einem weiteren Urlaubsregion auf  dem Bergkamm zwischen den Regionen Belutschistan und Punjab angekommen. Zwei Stunden Nachtfahrt in Pakistan – das ist wie Blindflug mit einem Helikopter im Wohnzimmer. Kaum einer fährt mit Licht, bevor es nicht stockdunkel ist, und bei den meisten brennt ohnehin nur die Hälfte der Beleuchtung, wenn überhaupt. Von den Esel-, Ochsen- und Kamelgespannen wollen wir gar nicht reden. Dazwischen rasen mit aufgeblendeten Scheinwerfern und permanentem Gehupe die Liniengeschosse (Busse) heran. Wehe dem, der ihnen nicht fluchtartig Platz macht!

Auch im Resthouse von Fort Munro, wo wir unser Lager in der Gartenanlage aufschlagen dürfen sind wir einmal mehr die einzigen Gäste. Entsprechend ruhig ist die Nacht. Nur der handfeste Pfnüsel, den ich irgendwo in der Dreckluft von Quetta aufgelesen habe, nervt. Beim Frühstück am Samstag Morgen kriegen wir Besuch von einem neugierigen Ziegenbock, bevor wir über eine abenteuerliche Passstrasse ins Industal hinunterfahren. Erneut haben wir uns mit der Etappe verschätzt und erreichen unser anvisiertes Ziel Uch Sharif erst wieder nach Sonnenuntergang. Es ist Samstag Abend und auf der Strasse in diesem Bauerndorf ist der Teufel los. Dennoch finden wir fast auf Anhieb wieder ein Resthouse, hinter dem wir recht ungestört campieren können.


Heute morgen nun haben wir unter Führung des (unterbeschäftigten) Kochs des Resthouses die antiken Grabmäler (Mausoleen) in der Umgebung von Uch Sharif besucht, bevor wir nach Bahwalpur weiter gezogen sind. Diesmal nur 70 Kilometer, aber auch dafür benötigen wir wieder mehr als zwei Stunden. Dennoch können wir für einmal schon mitten am Nachmittag im grosszügigen Gelände des PTDC Motels im Schatten eines Mangobaums unser Lager aufschlagen und uns vom Fahrstress der vergangenen zwei Tage erholen. Das tropisch feuchte Klima hat übrigens auch Vorteile: Der Pfnüsel ist weg!

Dienstag, 21.9.2004

Nicht nur die feuchte Hitze macht uns in der breiten Indus-Ebene zu schaffen, auch die Suche nach Übernachtungsplätzen gestaltet sich recht schwierig, da zwischen Bahwalpur und Rawalpindi Touristen so gut wie unbekannt sind. Gestern versuchten wir es erstmals offroad in einem Gebiet, das sich verlockenderweise Thal Desert nennt. Tatsächlich gibt es hier zwischen erstaunlich vielen Palmen und anderen Bäumen Sanddünen, doch nichtsdestotrotz ist kaum ein Fleckchen zu finden, das nicht bewohnt oder von weitem einsehbar ist. Und überall, wirklich überall sind Leute! Eine solche Bevölkerungsdichte gibt es nicht einmal im Schweizer Mittelland. Mit erneut etwas Glück finden wir direkt am Fluss Jehlum ein Guesthouse, das den staatlichen Wasserwerken gehört. Der Nachtwächter lässt uns im Garten campieren, hält damit aber wohl den Dienstweg nicht ein. Denn mitten in der Nacht, nachdem uns schon ein heftiges Gewitter (der erste Regen seit rund sieben Wochen) auf Trab gehalten hat, werden wir von irgend so einem höheren Inspektor und seinen Wachleuten geweckt. Die Pässe werden kontrolliert und unser Auto nach Waffen durchsucht. Nach dem alles in Ordnung ist, gibt es eine fast kniefällige Entschuldigung, und der Inspektor gibt uns seine Visitenkarte, „falls wir während unseres Aufenthaltes in Pakistan nochmals irgend ein Problem haben sollten!“

Das hatten wir dann schon heute. Weil ein Wachposten unsere Durchfahrt verschläft, fahren wir südlich von Kushab in ein schönes, Sanddünengebiet, das aber für Ausländer verboten ist – militärisches Sperrgebiet. Bei einem zweiten aufmerksameren Checkpoint dann das grosse Theater. Kaum vorstellbar, wenn wir hier, wie ursprünglich geplant, tatsächlich offroad übernachtet hätten. Bündelweise Papier wird verkritzelt, das Auto wird erneut durchsucht und wir werden verknurrt, uns bei der nächsten Polizeihauptwache registrieren zu lassen. Dort erneut das ganze Prozedere mit Personalien, Passnummer, Visanummer, woher und wohin und überhaupt und dass wir wirklich nur Touristen sind, dann können wir unsere Fahrt nach Kallar Kahar fortsetzen. Dieses kleine Örtchen liegt an einem See in der Salt Range, einer Bergkette aus salzhaltigem Gestein, welche die grosse Ebene nach Norden abschliesst. Es gibt hier wieder ein reguläres Guesthouse, das Klima ist klar angenehmer, und von hier weg nördlich beginnt nun endlich jenes Gebiet, in dem Touristen nicht als Ausserirdische behandelt werden sollten – wir sind gespannt.

Samstag, 25.9.2004

Drei Tage haben wir nun in der Region der Hauptstadt Islamabad verbracht. Am Mittwoch erreichten wir über die Autobahn (gebührenpflichtig, auch hier!) Taxila, einen geschichtsträchtigen Ort, hatten sich doch hier vor rund 2500 Jahren hintereinander die alten Griechen, Inder und Perser  niedergelassen und Städte sowie Tempel errichtet. Die Grundmauern sind noch vorhanden und geben Aufschluss über die damaligen Siedlungen. Heute sind hier vor allem Töpfer an der Arbeit, und mehrere Hochschulen nutzen den historischen Vorort von Islamabad ebenfalls.

Grossreinemachen am Donnerstag – der Garten des Youth Hostels Taxila, wo wir unser Camp aufgeschlagen haben, eignet sich gut dafür. Jede Staubox wird ausgeräumt und von diesem unsäglichen Film aus Staub und Feuchtigkeit, der sich im Industal niedergeschlagen hatte, befreit. Nun fühlt sich in unserem fahrenden Haus nicht mehr alles klebrig an, und es riecht auch klar besser.

Am Freitag ist Einkaufstag in Islamabad, und einmal mehr gelingt es uns, Kaffee zu kaufen (nicht einfach hier in Asien, denn hier wird vor allem Tee getrunken), bevor ein Notstand ausbricht, und wieder gilt es auch, sich mit den Tücken der Computertechnik in einem Internetcafé rumzuschlagen.

Heute nun haben wir die Nase unseres LandCruisers nordwärts gerichtet. Es wird gebirgig und wir überqueren bei Murree einen rund 2500 Meter hohen bewaldeten und dicht besiedelten Pass, um dann wieder auf rund 600 Meter hinunter ins Tal des Jehlum abzusteigen. An der Grenze zu Kaschmir ist dann an einem Polizeicheckpoint wieder einmal Schluss. Weiterfahrt nach Muzzaffarabad nur mit einem NCO, einer Art Spezialbewilligung für unsicher eingeschätzte Regionen. Und das hätten wir in Islamabad besorgen müssen. Rückfahrt nach Islamabad? Nach einigem Verhandeln verraten uns die Polizisten einen Schleichweg, der uns den kompletten Rückzug erspart. Es ist der wohl steilste Pass, den wir je gefahren sind, teilweise nur Schotter, und oft meinen wir, beim nächsten Bauerngehöft sei Schluss, doch es geht immer weiter nach oben. Mehr als einmal ist sogar der erste Gang unseres LandCruiser noch fast zu lang übersetzt. Doch nach rund 16 Kilometern erreichen wir tatsächlich Nathiagali und damit wieder eine nordwärts führende Strasse, die uns schliesslich doch noch zu unserem anvisierten Ziel Balakot im Kaghan Valley bringt.

Mittwoch, 29.9.2004

Wir sind nun in Gilgit mitten auf dem berühmten Karakorum Highway, der von 1966 bis 1978 gemeinsam von China und Pakistan gebaut wurde und haben wieder einmal einen Relax- und Waschtag eingeschaltet, nachdem wir die letzten Tage immer etwas mit dem Zeitplan zu kämpfen hatten. Und für ganze 100 Rupien (ungefähr 2.20 Franken) haben wir endlich einmal unsere Schlafsäcke waschen lassen. Die feuchtwarmen Nächte hatten ihnen doch arg zugesetzt.

Am Sonntag fuhren wir das Kaghan Valley bis nach Naran hoch mit dem Ziel, am Montag über den Babusar Pass (ca. 4100 m ü M.) direkt nach Chillas ins Industal zu gelangen. Doch zuvor kraxelten wir noch über einen üblen und sehr steilen Schotterpfad zum 3200 Meter hoch gelegenen Saiful Maluk See hoch, der normalerweise von Touristen nur mit Jeep und Fahrer besucht wird. So staunten denn die professionellen Jeep-Driver nicht schlecht, als sich zwischen ihren extrem schmalspurig bereiften CJ5 auf einmal unser LandCruiser breit machte. Doch vom Babusar Pass rieten sie uns einstimmig und entschieden ab; dazu sei unser Toyota definitiv zu breitspurig, zu lang im Radstand und vor allem zu hoch. Schade!

So hiess es am Montag nach einer ruhigen, aber eher frösteligen Nacht – endlich kam auch unsere Standheizung wieder einmal zu Ehren – zurück bis an den Anfang des Kaghan Valley und dann über die normale Route via Besham dem Indus entlang den Karakorum Highway hoch zu fahren. Ein Umweg von rund 200 Kilometer. Mehr als 40 km/h liegen hier in diesem grandiosen Bergtal im Durchschnitt zudem auch nicht drin, und so erreichten wir denn auch erst gestern Dienstag nach Einbruch der Dunkelheit Gilgit. Auch in dieser Region ist offroad übernachten kaum möglich, vom KKH führen so gut wie keine Nebenpfade weg, und wenn dann nur zur nächsten Siedlung. Vorteil: Die Suche nach einem Plätzchen entfällt. Wir haben unsern Fahrplan auf die PTDC-Motels abgestimmt, die meist auch eine Campingmöglichkeit bieten.

Freitag, 1.10.2004

Das dürfte der Höhepunkt unserer Reise gewesen sein, zumindest geografisch! Denn, nachdem wir uns gestern bis nach Sost (2700 m ü M.) vorgearbeitet hatten, erklommen wir heute den über 4700 Meter hohen Kunjerab-Pass und konnten einen Blick ins (wolkenverhangene) China hinunter werfen. Über 30 Liter Diesel hat unser LandCruiser für die 160 Kilometer von Sost auf die Passhöhe und wieder hinunter gesoffen und dabei in der dünnen Luft gequalmt wie eine Dampflok. Auch wir fühlten den Höhenrausch, und der kurze Fussmarsch zum chinesischen Grenzstein liess uns schon ausser Atem geraten.





Das leichte Schneetreiben auf der Passhöhe hat uns an den (in der Schweiz wohl schon einziehenden) Winter erinnert, so dass wir recht zügig wieder den Rückweg angetreten haben. Umso mehr der Ausblick von der Passhöhe recht unspektakulär ist. Ganz im Gegensatz zu zahlreichen Stellen auf der 800 Kilometer langen Strecke von Islamabad, welche von 7000 bis 8000 Meter hohen Gipfel mit klingenden Namen wie Nanga Parbat, Rakaposhi oder Haramosh gesäumt wird.






Montag, 4.10.2004

Hochs und Tiefs prägten die letzten drei Tage. Am Samstag erwachen wir in Karimabad mit Regen. Nun hat uns der Herbst also auch hier eingeholt. Es ist trüb und kalt. Das hält uns jedoch nicht davon ab, einen weiteren Abstecher vom KKH nach Baltistan zu machen. Wir bereuen es vorerst, denn die Strasse von Gilgit nach Skardu ist alles andere als schön, und so erreichen wir unser Ziel einmal mehr erst bei Dunkelheit.

Zaghafte Sonnenstrahlen wecken uns am Sonntag Morgen. Also auf Richtung Sadpara Lake und die Deosai Plains! Es ist eine sogenannte Jeep-Road, also nur für Allradfahrzeuge geeignet. Schneetreiben setzt ein, noch bevor wir die auf rund 4000 Meter gelegene Hochebene erreicht haben. Doch nach einer halben Stunde strahlt die Sonne auf die frisch verschneiten Gipfel rund herum Flussdurchquerungen und eine abenteuerliche Hängebrücke, die – so der Brückenwart – auf 3,3 Tonnen ausgelegt sei, sorgen für Nervenkitzel. Unser LandCruiser mit samt unserer Ausrüstung wiegt bestimmt über 3 Tonnen, und die Brücke schwankt und ächzt bedrohlich.



Als Nachtlager hatten wir schon zuvor das PTDC Motel in Astore ausgesucht, doch – oh Schreck – das steht nicht im Dorf selbst, sondern rund 800 Meter höher am Mara Lake. Es ist einmal mehr schon wieder stockdunkel, und die üble Schotterstrecke mit Spitzkehren, die zum Teil ein Zurücksetzen nötig machen, zerrt ganz schön an den Nerven. Sind wir wirklich auf dem richtigen Pfad? Endlich, wir sind oben, nur das Motel ruht schon im Winterschlaf. Immerhin, vor dem benachbarten Governement Resthouse können wir unser Hubdach ausfahren. Keine Ahnung jedoch wie die Umgebung aussieht. Wir wissen bloss, dass wir auf 3200 Meter sind, und es nachts arschkalt wird. Und ausgerechnet heute weigert sich die Standheizung standhaft, länger als 10 Minuten am Stück zu heizen.

Am Morgen die Überraschung: dieses Panorama! Grandios, was sich uns hier als Kulisse fürs Frühstück darbietet. Rundum eine wahre Arena von 6000 bis 8000 Meter hohen Gipfeln, gekrönt vom Nanga Parbat. Doch nun streikt auch noch die Kamera!! Error 99, heisst soviel wie unbekannter Fehler, ist aufgetreten. Das Foto fällt flach. Und die Stimmung ist trotz des einmaligen Rundblickes getrübt. Geht nun unser Equipement wirklich schon nach dreieinhalb Monaten schrittweise über den Jordan? 

Ein Blick in die Bedienungsanleitung der Standheizung klärt das erste Problem auf: uneingeschränkter Betrieb nur in Lagen bis 1500 m ü M., darüber müsste die Brennstoffzufuhr dem geringeren Sauerstoffgehalt der Luft angepasst werden. Und tatsächlich, im Tal unten heizt das Miststück bei einem Testlauf während des Picknicks wieder wie ein Hochofen. Und nach dem Runterladen der Bilder aufs Laptop bequemt sich auch die Kamera wieder dazu, Bilder zu schiessen. Damit erübrigt sich eine vorzeitige Rückkehr nach Islamabad, und wir können unser Programm wie geplant fortsetzen. Nach den ausgiebigen Offroad-Fahrten steht für morgen aber erst noch eine Autowäsche und ein Schmieren des nach den Wasserdurchfahrten quietschenden Fahrwerks auf dem Programm.

Mittwoch, 6.10.2004

So nehmen wir am Dienstag Morgen von Besham aus den Shangla-Pass ins Swat-Tal in Angriff. Nach der Autowäsche hat sich übrigens auf wundersame Weise zusammen mit dem Schmutz auch das Fahrwerkquietschen wieder verflüchtigt. Und das ist auch gut so, denn hier lernen wir erst, was wirklich schlechte Strassen sind. Eigentlich ist die rund 80 Kilometer lange Strecke ein einziges Schlagloch. Ennet der Passhöhe tauchen wir ein in ein ungemein grünes Tal. Die Khaki-Ernte hat gerade begonnen, was für die Bauern offenbar ein Grund zum Feiern ist. Das Kilo der leuchtenden Früchte, das wir unterwegs kaufen wollen, erhalten wir sogar geschenkt. Na ja, dass Khaki oft etwas fusselig wirken, ist bekannt, aber diese hier, die sind schon extrem fusselig! Noch einmal geniessen wir im Garten eines Government Guesthouses in Miandam auf 1800 Meter die klare gute Bergluft. Wir werden sie noch vermissen…

Denn heute sind wir das für seinen fischreichen Fluss bekannte Swat-Tal hinunter durch Mingoaraund über den Malakand-Pass nach Peshawar weitergefahren.
Hier scheint der pakistanische Verkehr noch chaotischer als anderswo, und der Smog noch dichter. Bereits eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang ist die Sonne nur noch als rote Scheibe in den Abgasen zu sehen. Und es ist wieder heiss wie im Sommer. Wir lassen uns vor dem Tourist Inn Motel unser Nachtessen dennoch schmecken, und dann mal gute Nacht!

Freitag, 8.10.2004

Kindergesang weckt uns am Donnerstag Morgen. Was wir am Abend nicht realisiert hatten: das Tourist Motel mit seinem völlig bekifften Gastwirt liegt mitten in einem Schulenviertel, und hier beginnen alle Klassen pünktlich um acht mit Gesang. Auch eine Bäckerei grenzt an diesen Hof, und so gibt es frisches Brot zum Frühstück – erstmals seit Monaten wieder Vollkornbrot!
Ein kurzer Stadtbummel in der völlig verrückten Altstadt von Peshawar, wo sich Schmuggler, Geldwechsler und Händler aller Art ein Stelldich ein geben und sogar eine Ziege im Goldschmuckladen nichts Aussergewöhnliches ist, dann geht es auf die Autobahn. Was für eine Erholung, auf der fast verkehrsfreien, sechsspurigen topfebenen Strasse mit 100 km/h ohne Gepolter Richtung Islamabad zu fahren!

Nun sind wir zurück auf dem Tourist Campingplatz. Auswärts Nachtessen, lange schlafen, retablieren (grosse Wäsche, Schlafsäcke auslüften), schrauben (ein Brenner unseres Petrolkochers benötigt eine Revision, der gebrochene Griff der einen Wasserbrause wird nochmals geleimt) und Seele baumeln lassen (prima in der Hängematte) ist angesagt, bevor wir morgen die letzte Etappe in Pakistan unter die Räder nehmen werden. Dann soll uns Indien für rund fünf Monate kennen lernen (oder eher umgekehrt?).

Montag, 11.10.2004

Wir sind in Indien! Doch hier zuerst noch der Schluss unseres Pakistan-Aufenthaltes: Am Samstag sind wir über die (einmal mehr kaum befahrene) Autobahn von Islamabad nach Lahore gefahren: 370 Kilometer in 4 Stunden, ein absoluter Rekord für pakistanische Verhältnisse. Smog, Wind und viel aufgewirbelter Staub empfangen uns. Und auf der Suche nach einem auf Camping-Touristen eingerichteten Resthouse erhielten wir Hilfe von einem Spezialisten für Diesel-Einspritzpumpen. Der frührere Land Rover-Angestellte hatte eben die von schlechtem bei Schmugglern in Belutschistan getanktem Diesel verseuchte Einspritzung eines Hyundai Terracan revidiert, mit welchem zwei Schotten im Rahmen einer Wohltätigkeitstour nach Australien unterwegs sind. Er lotste uns zielstrebig zum YWCA-Hostel, wo wir einen riesigen Innenhof bloss mit Dutzenden von Vögeln und Streifenhörnchen teilen mussten.

Lahore ist die zweitgrösste Stadt Pakistans (hinter der Hafenstadt Karachi) und hat auch touristisch einiges zu bieten. Doch weil unser Visum eben nur 30 Tage gültig ist und am Sonntag abläuft, beschränken wir uns auf den Besuch der grossen Mogul-Moschee und des gegenüber liegenden Fort, bevor wir, getrieben von einer gewaltigen Gewitterfront, die Grenze im 30 Kilometer entfernten Wagah ansteuern. Einmal mehr verläuft der Grenzübertritt problemlos aber ungemein Schreibkram-aufwändig. Unterdessen ist auch der Schotte mit seinem Hyundai wieder flott und passiert die Grenze etwa 10 Minuten nach uns.

Indien, das heisst, wieder ein Bier trinken dürfen (teuer – rund 3 Franken kostet die Halbliter-Flasche), das heisst etwas lockerere Sitten, unverschleierte, sehr bunt gekleidete und von Kopf bis Fuss Schmuck tragende Frauen, kein Muezzinruf mehr morgens um fünf, eine Fülle von Farben und ein viel intensiveres Leben als in den islamischen Ländern. Der Strassenverkehr ist etwa gleich chaotisch wie in Pakistan, und wir sind froh, dass wir den heutigen Stadtbummel durch Amritsar nicht mit dem eigenen Fahrzeug, sondern als Passagiere einer Velorikscha unternehmen konnten. 




Höhepunkt war natürlich der Besuch des goldenen Tempels, der, mitten in einem riesigen Teich angelegt, das Herzstück einer grossartigen Tempelanlage bildet. Auf dem Rückweg hilft uns unser Rikschafahrer noch beim Einkaufen von Mineralwasser, Bier und Obst, und die ganze Fahrerei kostet am Schluss nicht mehr als 5 Franken. Dennoch haben wir den Eindruck, dass Indien (im Vergleich zu unserer ersten Reise in diesem Land vor 8 Jahren) klar teurer geworden ist. Auch unser Camping im kultigen und schön angelegten Mrs. Bandahris Guesthouse (die alte Dame ist mittlerweile 98 jährig und sitzt immer noch gern unter den Gästen im Garten ihres typisch altenglischen Anwesens) kostet rund 13 Franken pro Nacht, soviel haben wir seit der Türkei nie mehr bezahlt!

Donnerstag, 14.10.2004

Endlich, wir campieren nach fast fünf Wochen seit zwei Tagen wieder offroad, und zwar in der Wüste Thar in Rajasthan, schön in den Sanddünen versteckt. Auch hier ist die Zivilisation zwar nie weit weg, aber die Bevölkerungsdichte ist doch nicht so gross wie in Pakistan. Ruhe, gute Luft, Sand zwischen den Zehen, ein Feierabend-Bier in der Hand zum Sonnenuntergang – einfach herrlich! Nur die Insektenwelt scheint hier absolut vollzählig vertreten zu sein. Kochen ohne unfreiwillige Fleischzugabe ist kaum möglich, und vor dem Zubettgehen ist das grosse Halali mit der Fliegenklatsche angesagt.

Am Dienstag haben wir Amritsar südwärts verlassen und uns bis nach Abohar durch den Verkehrsdschungel geschlängelt. Dort campieren wir ein vorerst letztes Mal im Garten eines staatlichen Resthouses, bevor wir uns am Mittwoch Richtung Wüste aufmachen.
Insbesondere nach dem Einkaufen in Ganganagar wie auch heute nach dem Besuch der Stadt Bikaner mit ihrem gut erhaltenen, architektonisch interessanten und mit Unmengen von antiken Waffen bestückten Fort stellen wir folgendes fest: Hier in Indien werden wir zwar nicht mehr bestaunt wie die grünen Männchen vom Mars – man ist sich Touristen eher gewöhnt – allerdings gehen einem die aggressiven Hotelschlepper, Rikscha- und Tuktuk-Fahrer, vor allem aber die bettelnden (dabei aber ganz und gar nicht unterernährt aussehenden) halbwüchsigen Buben ganz schön auf den Geist. Schade, denn die Städte hätten viel Interessantes zu bieten. Aber wenn man noch im Auto sitzend, schon von drei Seiten beschwatzt und danach dauernd am Ärmel gezupft wird, ist man froh, dem Rummel rasch wieder entfliehen zu können.

Montag, 18.10.2004

Die Wüste lässt uns nicht so schnell wieder los. Am Freitag sind wir nochmals nach Bikaner zurück gefahren: Irmas Mutter feierte Geburtstag, und dazu haben wir ein spezielles E-Mail kreiert. Vor dem Internetcafé dann eine Überraschung: Ein LandCruiser der allerersten Serie parkiert neben dem Unseren, und dessen Fahrer hat extra fast eine Stunde auf uns gewartet. Er ist (pensionierter) Toyota-Spezialist und hatte früher diesen Typ LandCruiser im Dienste der WHO gefahren und gewartet. Bis nach Sudan brachte ihn dieser Job. Und auch er schwört immer noch auf die Zuverlässigkeit der Allrad-Toyotas.

Käfer-Invasion Samstag Nacht. Nach Sonnenuntergang verwandelt sich unser lauschiges Dünenplätzchen in ein Tummelfeld nicht nur für Mäuse und Schlangen (!), sondern auch für riesige schwarze Käfer, fliegende Ameisen, Libellen und, und, und… Kochen mit Hindernissen, essen erst recht! Von wegen idyllischer Wüstenromantik!

Wie ein Märchenschloss taucht am Sonntag das Fort der Stadt Jaisalmer aus der Steppe auf. Und der erste Eindruck täuscht nicht. Diese Stadt ist wirklich märchenhaft mit ihren verwinkelten Gässchen und ihren verschnörkelten Häusern (den so genannten Havelis). Wer die alte Stadt Eivissa der spanischen Insel Ibiza mag, wird sich hier zu Hause fühlen. Nur dass hier überall, aber auch wirklich überall die heiligen Kühe rumspazieren oder liegen und ihre Fladen hinterlassen. Wir geniessen unser Feierabendbier auf einer Terasse mit Blick auf den Jain-Tempel und das Nachtessen mit Sonnenuntergang und herrlichem Ausblick über die Fortmauer auf die darunter liegenden Gassen. Nur der Übernachtungsplatz auf dem Vorplatz der staatlichen DAK-Bungalows fiel da etwas ab.

Heute schliesslich war für uns beide der Besuch beim Coiffeur angesagt. 300 Rupien hat Irma fürs volle Programm bezahlt (rund 9 Franken), mein Haarschnitt kostete die Hälfte. Frisch frisiert wollten wir den Sonnenuntergang (und die Nacht) in den Sam Sand Dunes verbringen. Was wir allerdings nicht wussten: Der Dünenzug ist nur sehr klein und ein Naturschutzgebiet. Nichts mit Offroad-Fahren, nur Kamelsafaris sind zugelassen. Ein paar Kilometer weiter finden wir dennoch ein Sanddünengebiet. So weitab der Zivilisation, wie das einem die Reiseführer weis machen wollen, ist diese Wüste hier in Indien allerdings schon nicht.

Donnerstag, 21.10.2004

Drei Tage zum Vergessen: Auf die kleine Wüstenidylle unter dem zunehmenden Mond am Montag Abend folgt das grosse Lazarett. Bei Irma beginnts schon am Dienstag Morgen mit Schwindel und Übelkeit, bei mir erst am Abend mit einem Ziehen im Rücken. Die Nacht in Khuri ist Horror: Beide haben wir über 39 Grad Fieber, dann kommt noch Durchfall dazu. Malaria?? So sind wir am Mittwoch Morgen schnurstracks nach Jaisalmer zurück gefahren, um einen Arzt aufzusuchen. Und das läuft hier so: Man geht ins Spital, wartet, während Tauben durch die Gänge flattern, darauf, dass ein Arzt frei wird. Der untersucht einen recht kurz, schreibt dafür eine umso längere Medikamenten-Rezeptliste. Mit dieser wird man zur Apotheke verwiesen, erhält dort einen ganzen Sack voll Pillen, Pülverchen und Spritzen, und schliesslich gehts über den mit Kuhdung gepflasterten Hof zum Labor. Dort werden die Spritzen appliziert und ein Bluttest gemacht. Eine halbe Stunde später Entwarnung: keine Malaria, dafür sonst eine hässliche Magen-/Darm-Infektion. Wir leisten uns deshalb den „Luxus“ eines Zimmers in einem Guesthouse, um die Sache auszukurieren.

Der „Luxus“ entpuppt sich als ein Bett, das um Welten unbequemer ist, als jenes in unserem LandCruiser, einem Deckenventilator, der zwar die Hitze am Tag erträglicher macht, mit seinem Geflatter aber auch nicht grad dem Schlaf förderlich ist, und einem musikalischen Rahmenprogramm von mindesten drei Seiten.
Kein Wunder, das Guesthouse liegt im Musikerviertel von Jaisalmer. So bleibt nachts viel Zeit, um über die Lebensweise der Inder nachzudenken, zu bewundern, mit welcher Leichtigkeit sie ohne Kapital, mit nur minimalster Unterstützung vom Staat und minderwertigem Material ihren Alltag meistern, sich aber auch zu fragen, weshalb sie kaum etwas unternehmen, um sich aus dem hygienischen Steinzeitalter mit allgegenwärtigen Tierfäkalien, offenen Abwasserkanälen und schlechter Wasserqualität zu lösen. Keine Frage indessen, dass wir unsere hygienischen Gewohnheiten anpassen müssen. Das heisst wirklich nichts Ungekochtes mehr aus Restaurant-Küchen (hauptverdächtig für unsere Krise ist ein Salatteller), Händewaschen nur mit spezieller Dettol-Desinfektionsseife und regelmässige Entkeimung von Geschirr, Besteck und Küchentüchern mit flüssigem Dettol.

Samstag, 23.10.2004

Der Medikamenten-Cocktail wirkt: Wir sind zwar immer ein bisschen high, aber Fieber und Durchfall sind bereits am Freitag soweit überwunden, dass wir erneut südwärts aufbrechen können, nachdem wir auch noch unseren LandCruiser vom Schmutz befreien liessen – er war unter einem dicht von Vögeln und Streifenhörnchen besiedelten Baum parkiert und entsprechend versch… So lernen wir auch noch die indische Variante des Autowaschens kennen: zuerst Hochdruck (gut!), dann einseifen (der Hochdruckstrahl wird über ein Stück Seife gehalten), wieder Hochdruck und schliesslich nachreiben mit einem löchrigen alten Stofflappen (na ja!).

Bei den Sam Sand Dunes treffen wir eine kauzige Karawane an: drei Kamel-Einachser, nur der vorderste wird vom neusten Hyundai-Kleinwagenmodell gezogen. Des Rätsels Lösung: Hier wird gerade Bollywood-mässig ein Werbespot gefilmt, und wir wären fast mitten ins Filmset gefahren. 

Nach einer Nacht und einem Frühstück (endlich einmal ohne Zaungäste) in einer Mulde zwischen zwei verdächtig mit Schlangenspuren verzierten Dünen sind wir heute zügig südwärts gefahren und haben im Hill-Resort Mount Abu auf 1200 Meter vor dem Holiday Inn (hat mit der bekannten Hotelkette nur den Namen gemein) unsere Zelte aufgeschlagen.
Der Mount Abu ist ein Inselberg, welcher aus der nun wieder üppig grünen Tiefebene Indiens aufragt. Der Lebenstandard in dieser Gegend ist klar höher als im Wüstengebiet, entsprechend werden wir auch weniger angebettelt. Und statt mit Taxis oder Rikschas kann man sich hier im Bollerwagen chauffieren lassen.



Montag, 25.10.2004

Während wir den Sonntag klar dem Retablieren, Desinfizieren unserer Küchen- und Essgeräte und dem endgültigen Erholen von der Infektion widmeten, sind wir heute auf eine fünfstündige Sightseeing-Tour rund um Mount Abu gegangen, und zwar mit dem Bus des Tourismusvereins für umgerechnet etwa 1.50 Franken. Wir sind die einzigen Wessies an Bord, der Rest sind Einheimische, darunter viele Jains, welche zum Dilwara-Tempel mit seinen einzigartigen Marmorskulpturen pilgerten. Mit ihrem übermässigen Schmuckbehang, ihren leuchtend farbigen, mit viel Glitzerkram besetzten Sarees, darunter aber barfuss, bieten die Jain-Frauen einen ungemein exotischen Anblick. 


Dass wir dabei noch etwas für unsere Fitness gemacht haben, liegt daran, dass viele Tempel auf dem höchsten Punkt eines Hügels oder Felsens errichtet wurden und nur zu Fuss über Treppen erreichbar sind. Und während wir einen dieser Hügel (den sogenannten Honeymoon Point) bezwangen, wechselte der Busfahrer noch schnell den leckenden Hauptbremszylinder – zum Glück VOR der Talfahrt!

Donnerstag, 28.10.2004

Frisch erholt sind wir am Dienstag wieder in die Ebene hinunter gefahren, haben uns vor dem Übertritt in den (alkoholfreien) Bundesstaat Gujarat nochmals mit Bier eingedeckt, bevor wir unser Ziel Patan ansteuerten. Dort sollte sich gemäss unserem Reiseführer ein historisch interessanter Stufenbrunnen und gleich dahinter ein staatlich geführtes Guesthouse mit einem Garten (zum Campieren) befinden. Doch der Brunnen ist in Restauration und das Guesthouse geschlossen. Tip des Ticketverkäufers: Modhera. Dort sei ein schöner Sonnentempel zu besichtigen und gleich dahinter ein Resthouse, das geöffnet sei.
Der Tempel ist tatsächlich sehenswert, nur das Resthouse ist bloss eine Cafeteria. Man dürfe hier keine Übernachtungsgäste aufnehmen. Der Reiseleiter einer holländischen Busreisegruppe realisiert unser Problem und lädt uns mit der Einwilligung des ebenfalls anwesenden Resort-Besitzers in eine Bungalowanlage nach Desada ein. Das liegt unmittelbar am Rand des grossen Salzmeers Little Rann of Kuchh. 

Wir lassen es uns zwei Tage im schön schattigen Vorgarten des Resorts wohl sein, schlagen uns die Bäuche am Buffet voll und unternehmen am Mittwoch Abend – die Holländer sind unterdessen schon wieder weiter gereist – eine Jeep-Safari in den Rann of Kuchh, wo es die sehr seltenen (geschützten) Wildesel, Flamingos, Antilopen, Enten usw. sowie einen traumhaften Sonnenuntergang zu sehen gibt.
Für unsere Fitness tun wir ebenfalls noch was: Des Jeeps Anlasser streikt, und so dürfen wir ein paar Mal anschieben. Das ganze kostet dann noch 1500 Rupies (ca. 35 Franken). Na ja, immerhin war sonst ja alles gratis.

Einem Tipp des Resort-Besitzers folgend, fahren wir heute Richtung Dholawera, das am grossen Rann of Kuchh liegt. Die angeblich notwendige Bewilligung schenken wir uns, nach dem wir in Rapar von zwei Amtstellen jeweils an eine andere verwiesen wurden mit dem Hinweis, wir als Europäer bräuchten die Bewilligung gar nicht. So schlagen wir im Buschland nahe der Salzebene unser Lager auf, brutzeln uns eine herzhafte Gemüserösti, geniessen den Vollmond und schlafen wie die Bären.




Montag, 1.11.2004

Päng!!  Fast genau 20'000 Kilometer nach unserer Abfahrt aus der Schweiz die erste Panne: ein Plattfuss hinten rechts. Ein Loch von fast einem Zentimeter Durchmesser auf der Profilinnenseite, sauber durchgestanzt. Das muss ein kolossaler Hufnagel oder ein Stück Armierungseisen gewesen sein. Geschehen ist dies am Freitag Abend, ausgerechnet kurz vor Sonnenuntergang während der fieberhaften Suche nach einem Offroad-Übernachtungsplatz rund 30 Kilometer vor Bhuj in einem Gebiet, das laut unserem Reiseführer Wüste sein sollte, in Tat und Wahrheit aber so landwirtschaftlich genutzt wird, wie das Berner Mittelland. Doch das war nur der Höhepunkt eines Tages voller Pech und Pleiten. 


Bereits am Morgen hatte sich Dholawira als wenig interessant entpuppt, dann fuhren wir rund 30 Kilometer über einen Damm quer übers Salzmeer. Auf unserer Karte ist dieser als durchgehend eingezeichnet, in Tat und Wahrheit fehlen jedoch die letzten 10 Kilometer noch. Also das ganze zurück, was einen Umweg von rund 120 Kilometer bedeutete. Doch am Ende haben wir das Rad noch bei Tageslicht gewechselt und auch noch einen leidlich geeigneten Schlafplatz gefunden. Erst am Samstag Morgen sollten wir neugierige Zaungäste bekommen.

Der Plattfuss entpuppte sich am Samstag als ein grösseres Problem als erwartet: Der erste Pneuflicker winkte gleich ab, als er das Loch im Reifen entdeckte und verwies uns an einen andern, mitten in der Stadt Bhuj. Den mussten wir erst einmal finden. Auch dieser schüttelte jedoch den Kopf, der Reifen sei allenfalls noch mit einem Schlauch zu gebrauchen. So entschlossen wir uns, den zweiten Reservereifen auf die Felge aufziehen und den defekten Pneu soweit mit einem Schulterflicken reparieren zu lassen, dass man ihn notfalls mit einem Schlauch (haben wir auch an Bord) wieder aufziehen könnte. Eine Sache einer Viertelstunde, denkt man. Doch in Bhuj herrschte Stromausfall bis vier Uhr nachmittags. Weder die Pneumontiermaschine noch der Luftkompressor funktionierten. Das bedeutete ein unfreiwillig langer Aufenthalt in der vor zwei Jahren von einem Erdbeben recht stark in Mittleidenschaft gezogenen Stadt samt Übernachtung im Garten eines (hervorragenden) Restaurants. Wir assen dort zu Mittag und zu Abend und haben sicher an diesem Tag zwei Kilo zugenommen.

Am Sonntag dann endlich wieder einmal Meer, rund zweieinhalb Monate, nachdem wir die türkische Riviera verlassen hatten. Doch in Mandvi am Gulf of Kuchh erwies es sich als recht schwierig, mit dem Auto überhaupt in die Nähe der Küste zu gelangen. Der einzige Zugang entpuppte sich als Luxuscamp mit Zelten, die man für rund 60 Franken pro Nacht mieten kann. Wir handelten eine Benutzung von Toilette und Dusche für rund 13 Franken aus, genossen tagsüber den menschenleeren riesigen Strand und das angenehm warme Wasser des indischen Ozeans (leider  mit Quallen durchsetzt) sowie abends ein leckeres Fischmahl im Strandrestaurant.

Mangels Schatten beim Auto und am Strand entschlossen wir uns heute Morgen dennoch, das paradiesische Fleckchen wieder zu verlassen und Richtung der Südküste von Gujarat weiter zu ziehen, wo wir hoffen einen Strand mit Palmen oder anderen Bäumen zu finden. Auf halber Strecke haben wir im Buschland recht früh unser Lager aufgeschlagen und unsere Wochenwäsche zum Trocknen aufgehängt. Doch wie kriegt man vor dem zu Bett Gehen eine rund 15 Zentimeter grosse Meg/a-Heuschrecke, die wild im Auto rumhüpft, wieder raus? Mann versucht sich als Torero mit einem Frotteetuch, frau setzt ihre Stirnlampe als Wurfgeschoss ein. Und irgendwann ist der Eindringling dann tatsächlich wieder draussen.

Donnerstag, 4.11.2004

Wir sind wieder am Meer und zwar in einem Kaff namens Dwarka. Das ist ein Pilgerort der Jains und hat die grösste Tempeldichte von ganz Indien, gemessen an der Einwohnerzahl. 




Erreicht haben wir das Örtchen am  Dienstag knapp vor Sonnenuntergang nach einer Fahrt von rund 200 Kilometer über übelste Strassen. Dennoch haben wir auf Anhieb die etwas versteckte Zufahrt zum Dünenvorland des breiten Strandes gefunden. Wieder kein Schatten, dafür aber herrliche Meersicht. Ein Wunder, dass der internationale Tourismus dieses Fleckchen noch nicht entdeckt hat. 

Am Mittwoch unternehmen wir einen Stadt- und Einkaufsbummel und scheitern einmal mehr bei der Suche nach Milchprodukten. Nach einer halben Stunde finden wir endlich Butter. UHT-Milch, Käse und Eier sind in Dwarka offenbar völlig unbekannt, und wahrscheinlich haben wir auch die einzige 1,5-Liter-Flasche Pepsi-Cola in der ganzen Stadt gekauft. Dafür essen wir zu Mittag für 60 Rupien (30 Rupien oder rund 90 Rappen pro Nase) und stellen dabei endgültig fest, dass wir fürs selbst Kochen eher mehr Geld brauchen – aber es geht eben doch nichts über ein gutes Frühstück oder ein gemütliches Nachtessen mit Lagerfeuer. Genau das machen wir denn auch nachdem wir noch den Leuchtturm von Dwarka bestiegen und wieder an unser Dünenplätzchen zurückgekehrt sind.

Heute beschliessen wir, einen Tag zum Faulenzen und etwas Putzen einzuschalten. Doch, was ist das?? Plötzlich knistert es in den Büschen. Feuer!! Ein Dornenbusch, etwa 200 Meter von unserem Lagerplatz entfernt steht in Vollbrand. Was tun?? Blitzartig zusammenpacken, abwarten oder den Brand bekämpfen? Wir entschliessen uns für Letzteres und  sorgen mit tüchtig Sand schaufeln dafür, dass sich die Flammen nicht weiter ausbreiten und das Feuer recht schnell wieder ausgeht. Nun haben wir aber ein Bad im Meer und anschliessend eine Freiluft-Dusche mehr als verdient...

Montag, 8.11.2004

Am Freitag Morgen brennt es schon wieder in den Büschen. Dabei sind auch Stimmen zu hören. Nun wissen wir, dass wir es hier offenbar mit Pyromanen zu tun haben. Da wir aber ohnehin schon unsere sieben Sachen gepackt haben, lässt uns das kalt. Wenn die nichts besseres zu tun haben, als ihr Küstenvorland abzubrennen, bitte schön… Wir fahren auf jeden Fall weiter Richtung Veraval, wo es weitere Strände haben soll.  Allerdings kommen wir auf den in dieser Gegend wirklich extrem schlechten Strassen zu wenig zügig vorwärts und verfahren uns zu allem noch kurz vor Sonnenuntergang in einem Ort namens Chorwan. Doch das musste wohl so sein, denn wir landen am Ende der Sackgasse beim Beach Palace Resort des staatlichen Tourismusvereins. Na ja, das Palace selbst ist am Verfallen, die Bungalows sind ok (wir brauchen ja ohnehin nur eine Toilette), und die Sicht aufs Meer ist umwerfend.

Der Samstag beginnt mit Abstechern zum Somnath-Tempel und an den Hafen von Veraval. Wehe, dem der hier mit einem Fotoapparat aufkreuzt – jeder Hafenarbeiter will vor seinem Schuppen, jeder Fischer auf seinem Boot fotografiert werden. Zum Glück kann man auf einer Digitalkamera den Schrott wieder löschen. Rund 30 Kilometer im Landesinnern besuchen wir anschliessend den Sasan Gir Nationalpark, wo die letzten frei lebenden asiatischen Löwen hausen.
Die grossen Katzen sind so an die Besucherbusse gewöhnt, dass sie sich nicht in ihrer Siesta stören lassen. Die Rehe und Antilopen sind da schon schwieriger zu fotografieren. Die Nacht verbringen wir auf Vermittlung eines Hotelresort-Managers auf einem benachbarten Bauernhof, wo wir am Sonntag Morgen sogar noch mit Büffelmilch-Tee verwöhnt werden. 

Nun aber nichts wie los, Richtung Diu, einer über zwei Brücken zugänglichen Insel, die früher portugiesisch war. Dadurch geniesst sie noch heute einen Sonderstatus. Anders als im umliegenden Bundesland Gujarat ist hier Alkohol wieder frei erhältlich und erst noch rund halb so teuer als im übrigen Indien. Wir decken uns als erstes mit genügend Bier ein und suchen dann nach einem Übernachtungsplatz. Doch die wirklich schönen Strandabschnitte sind nun wirklich auch mit einem Geländewagen nicht zugänglich. 



Wir verstecken uns, so gut es geht  westlich von Nagoa Beach, geniessen den lauen Abend mit Meeresrauschen, müssen dann aber heute morgen feststellen, dass dies offenbar die örtliche Viehweide ist. Fünf Hirtenbuben mit Kühen, Schafen und Ziegen sind Zaungäste beim Aufstehen und Frühstücken. 


Weil uns Diu aber sonst gut gefällt, beschliessen wir zwei weitere Nächte hier zu verbringen, allerdings im Garten eines einfachen Bungalow-Resorts. Zuerst aber besuchen wir die beiden rund 400 Jahre alten katholischen Kirchen (die Protugiesen lassen grüssen) und das Fort, geniessen die mediterrane Stimmung bei einem Fischmahl in einem Terrassenrestaurant mit Meersicht, decken uns anschliessend im besten Supermarkt seit unserer Ankunft in Indien mit lange gesuchten Produkten wie Papiernastücher, Thunfisch in Büchsen, Sonnencreme etc. ein und ärgern uns schliesslich im Internetcafé über die unglaublich schlechten Telefonleitungen und die entsprechende Dauerwarterei beim Surfen.

Freitag, 12.11.2004

Was für uns Weihnachten und Neujahr, das ist für die Inder das Diwali-Fest, und das ist jetzt, fünf Tage lang, von gestern Donnerstag bis und mit kommenden Montag! Und wer die Inder kennt, weiss, dass das nicht eine beschauliche Feier sein kann. Feuerwerk, Musik die ganze Nacht lang, und eine Unmenge Leute auf der Strasse. Nachdem wir am Dienstag und Mittwoch das süsse Nichtstun am Strand des Sea Village Resort nahe des Sunset Point von Diu geniessen konnten, haben wir uns am Donnerstag noch mit Vorräten, Frischzeug und vor allem billigem Bier eingedeckt und sind danach nach Palitana weitergezogen.
Das ist ein Pilgerort der Jain mit einer Vielzahl von Tempeln auf einem rund 600 Meter hohen Inselberg. Obwohl das Sumeru Hotel des staatlichen Tourismusvereins, in dessen grosszügigem Garten wir campieren, am Stadtrand liegt, ist die ganze Nacht der Bär los (auch die muslimische Minderheit ist am Feiern, der Fastenmonat Ramadan ist zu Ende). Der Mangel an Müdigkeit nach den Tagen am Strand und die Mücken besorgen den Rest, dass wir eine recht unruhige Nacht verbringen.

Heute morgen haben wir das erste Mal während unserer Reise den Wecker gestellt. Um sechs Uhr piepst er los. Um sieben essen wir Frühstück im Hotelrestaurant, und um acht sind wir bereits unterwegs auf den Tempelberg. Nicht mit einem Bergbähnchen – gibt es nicht und würde wohl dem Pilgergedanken widersprechen – sondern zu Fuss, 3309 Treppenstufen hoch. Bis zum Treppenanfang fahren wir mit dem Tuktuk. Dort werden wir fast aus dem Fahrzeug gezerrt von den sogenannten Dhooli-Trägern.
Diese übernehmen die Funktion der Seilbahn und transportieren weniger berggängige Pilger auf einer Art Sänfte bis zum luftigen Heiligtum. Wir nehmen eine dieser Sänften für Irma, während meine Wenigkeit etwas für die Fitness zu tun gedenkt und in echter Pilgermanier den Berg angeht. Auf halber Strecke erklären uns die drei Träger, die sich an der Trage abwechseln, dass der im allgemeinen Gewusel ausgehandelte Preis von 200 Rupies selbstverständlich pro Mann und nicht für die ganze Fuhre gelte. Es gelingt uns auf 500 Rupies runter zu handeln (diesen Richtpreis liessen wir uns zuvor im Hotel geben). Oben erwartet uns nicht nur eine fantastische Rundsicht, sondern auch eine eindrücklich spritiuelle Stimmung in den grossartigen Anlagen mit Hunderten von Tempeln und Tempelchen. Wieder unten ist man dann naturgemäss schneller als oben, und den Rest des Nachmittags verbringen wir im Hotelgarten mit Ausruhen von den Strapazen. Mal sehen, ob es morgen auch noch einen handfesten Muskelkater absetzt.

Sonntag, 14.11.2004

Auch die zweite Nacht in Palitana von Freitag auf Samstag war nicht ruhiger. Und erneut schafften wir es auch mit unseren Moskito-Gittern nicht, alle Mücken aus unserem LandCruiser fernzuhalten. Zeit also, diesen Ort zügig zu verlassen, erneut Richtung Meer. Doch hier in Indien hat man offenbar wirklich ein gestörtes Verhältnis zu Meer und Strand. Die schönsten unberührten Sandstrände sind absolut unzugänglich. Auf jeden Fall haben wir auf einer Länge von rund 50 Kilometer fast jeden Feldweg Richtung Meer ausprobiert, aber keinen Strand anfahren können.
Das einzige, was wir gefunden haben, ist der grösste Schiffsfriedhof der Welt. In Alang verschrotten rund 100 Spezialfirmen mit total 20'000 Angestellten 70 Prozent aller ausrangierten Passagierdampfer, Frachter, Supertanker und Kriegsschiffe. Und rund herum sind nochmals soviele Kleinfirmen damit beschäftigt, die noch brauchbaren mechanischen Motorenteile, Installationen, Mobiliarien etc. zu verhökern. 

Genervt von der vergeblichen Suche nach einem Traumstrand, beschliessen wir, am Ende einer Mole ziemlich weit ausserhalb des kleinen Örtchens Ghogha zu übernachten. Kein Mensch ist dort zu sehen und die daneben ansässigen Regierungsangestellten haben auch nichts dagegen. Doch kurz vor Sonnenuntergang ist plötzlich das halbe Dorf am Strand und auf der Mole, so dass wir kurzerhand wieder zusammenpacken und uns bei einbrechender Dunkelheit im rückwärtigen Buschland verschlaufen müssen. Bis heute Morgen um 8 Uhr hatten wir immerhin Ruhe. 

Den zweitletzten Diwali-Tag und vor allem die Nacht verbringen wir im Velavador-Nationalpark. Nach einer rund zweistündigen Fotosafari, die uns hier heimische Antilopen wie den Blackbuck und den Bluebull, Kraniche, Flamingos und andere Vögel vor der Linse bescherte, bleibt etwas Zeit zum Relaxen und Retablieren. Dabei werden wir vom Chef der Parkranger zum Nachtessen eingeladen, nachdem wir ihm ein (in Gujarat nicht erhältliches) Bier spendiert haben.

Dienstag, 16.11.2004

Eigentlich wären die Feiertage nun vorbei, trotzdem arbeitet im Moment nur etwa die Hälfte der Inder. Und auch die gähnen mehr vor sich hin. Gestern sind wir in die Agglomeration von Ahmedabad vorgerückt und haben direkt die Toyota-Garage angesteuert, um den für heute angesetzten grossen Service zu regeln. Dann haben wir uns in eines der offenen Shopping-Centers gestürzt, auch wenn dieses von den Urlaub Feiernden völlig belagert wurde – die erste Einkaufsmöglichkeit dieser Art seit rund drei Monaten. Erstaunlich, was man hier doch alles kriegt, während auf dem Land die Produktevielfalt aufs Minimum schrumpft!

Nach einer (erneut Mücken-schwangeren) Nacht auf dem Campingplatz des YMCA erhält unser LandCruiser also nun den hochverdienten Ölwechsel- und Schmierservice, dazu eine Motor- und Karosseriewäsche. Steht wieder da wie neu, und der Preis von umgerechnet rund 200 Franken ist für hiesige Verhältnisse zwar hoch, verglichen mit jenen in der Schweiz aber immer noch niedrig. Und den Löwenanteil beanspruchte ja auch der (wohl noch in der Schweiz) von Mardern benagte Wassersensor am Dieselfilter, der gewechselt werden musste. Toll, dass dieses Teil (wie auch Öl- und Dieselfilter) vom hierzulande gebräuchlichen Van Qualis (mit 2,4-Liter-Turbodiesel-Motor) übernommen werden konnte. Doch, wie das so ist, sobald ein Auto einmal an einer Werkstätte geschnuppert hat, ist der Teufel los. Nach rund 300 Metern haben wir unseren zweiten Plattfuss, und auch dessen Reparatur gestaltet sich recht schwierig.
Es gibt zwar Dutzende von Pneuwerkstätten, aber die einen flicken heute gar nicht, die zweiten zumindest keine Schlauchlosreifen, die dritten haben keine Auswuchtmaschine. Und jener, der es dann doch versuchte, hatte offenbar keinen Erfolg. Auch nach dem zweiten Flickversuch zischt es immer noch aus dem von einem Buschdorn stammenden Leck. Wahrscheinlich ist morgen nochmals ein Besuch bei diesem Herrn fällig!

Freitag, 19.11.2004

Nachdem der platte Reifen nun (unter Murren) endgültig geflickt, die letzten Einkäufe im Einkaufsparadies erledigt und bei McDonalds (ja, auch das gibt es hier!) ein Fisch- und ein China-Burger vertilgt worden sind, verlassen wir am Mittwoch den Grossraum Ahmedabad Richtung Udaipur auf dem vierspurigen National Highway 8. Mit einer Autobahn in unserem Sinn hat dieser Highway allerdings nicht so viel gemeinsam, laufen doch hier auch die Kühe über die Fahrbahn, sind Kamelgespanne, Velofahrer und Fussgänger unterwegs, und ab und zu kommt einem auch ein Geisterfahrer entgegen, der sich den Umweg bis zur nächsten Überleitung sparen will. Entsprechend kommen wir auch nicht so schnell vorwärts, verpassen prompt den richtigen Zeitpunkt um einen Offroad-Campingplatz zu finden, müssen in der Dunkelheit bis in die Stadt weiterfahren und dort ein Hotelzimmer nehmen, weil sich nachts um 10 kein Resthouse mit Vorgarten zum Campieren finden liess.


Am Donnerstag ist Stadtbummel in Udaipur angesagt, ein Besuch des Jain-Tempels, das Mittagessen in einem Dachgarten-Restaurant und ein Rundgang durch die imposante Palastanlage. Nur die Promenade dem See entlang entfällt – der See hat nämlich kein Wasser! Schade, sonst würde das rundum von Hügeln umgebene Udaipur fast den Charme einer Tessiner Stadt ausstrahlen.
Es habe in dieser Region vier Jahre langwährend der Monsunzeit fast nicht geregnet, erfahren wir von einem Einheimischen den Grund für den desolaten Anblick von Inseln, die zu Fuss erreicht werden können, von Badegahts, die ins Leere reichen und von Kühen, die auf dem ehemaligen Seegrund friedlich grasen. Und an einer Tankstelle erfahren wir, dass es sehr wohl ein Resort mit Campingmöglichkeit gibt, allerdings etwas ausserhalb, gleich neben einem Freilichtmuseum. Also nichts wie hin. Und tatsächlich, das Plätzchen ist ruhig. Allerdings müssen wir feststellen, dass die Nächte hier in Rajasthan wieder klar kühler sind als jene in den Tagen zuvor in Gujarat. 

Heute beginnen wir den Tag mi einem Rundgang durch das oben erwähnte Shilpgram Freilichtmuseum, wo wir die unterschiedlichen Wohn-, Kleidungs-, Musik- und Tanzarten in Rajasthan, Gujarat und Maharastra auf engstem Raum vergleichen können. Und was erstaunlich ist: Anders als bei uns in Europa, wo Folklore nur noch für die Touristen praktiziert wird, entspricht das hier gezeigte tatsächlich der alltäglichen Realität auf dem Land.
Nach dem Besuch der Tempelanlage von Ranakpur ist unser Kulturbedarf gedeckt und wir erholen uns auf dem Vorplatz des benachbarten Shilpi Tourist Bungalowresorts bei kühlem Bier, selbst gemachten Spätzle mit Zwiebeln und Rotkraut. Ah, ja, die Wasserbrausen – schon wieder ist was abgebrochen, diesmal einer der Drehregler. Hoffentlich bleiben diese billigen Plastikdinger noch bis im Februar einigermassen funktionstüchtig. Dann sollten wir ja Ersatz kriegen.







Sonntag, 21.11.2004

Nach einem reinen Fahrtag haben wir am Samstag Abend die Kleinstadt Pushkar erreicht. Was für einen Harley-Davidson-Fahrer das Biker-Treffen in Sturgis (South Dakota/USA), das ist für einen indischen Kameltreiber der alljährlich in der Woche vor dem November-Vollmond stattfindende Kamelmarkt hier in Pushkar. Die Parallelen sind unverkennbar: Beides sind verschlafene Kleinstädte, die einmal im Jahr aus den Nähten platzen und von wilden Naturburschen in Beschlag genommen werden, die stolz ihre herausgeputzten Verkehrsmittel herzeigen, miteinander fachsimpeln und in bunter Jahrmarktstimmung an zahlreichen Ständen Zubehör kaufen können.
Dazu kommen viele in- und ausländische Schaulustige. Die Hauptsache aber: Kamele, so weit das Auge reicht, sorgfältig getrimmt, kunstvoll geschminkt, mit Blumenschmuck bekränzt. Selbstverständlich darf auch eine Prämierung für das schönste Kamel nicht fehlen. Die Kameltreiber haben ihren Sonntagsturban montiert. 

Doch wir sind ja in Indien, und hier gipfelt ein solcher Anlass für die gläubigen Hindus in einem die Seele reinigenden Bad im heiligen Pushkarsee während der Vollmondnacht, also nächsten Freitag. Dann sind allerdings die meisten Kameltreiber bereits wieder auf dem Heimmarsch, und auch wir werden morgen wieder abreisen, bevor der Ort von Pauschaltouristen überschwemmt wird und die Preise explodieren.

Freitag, 26.11.2004

Inbegriffen oder nicht, das war noch die Streitfrage des Sonntag Abends nach dem Dinnerbuffet. Der Receptionist hatte mir ersteres versichert, der Kellner anschliessend eine Rechnung von hier zu Lande schon fast unverschämten 800 Rupies präsentiert. Der Chef des Camps wollte meine Verärgerung offenbar nicht verstehen, doch seinen Cousin plagte wohl das schlechte Gewissen, denn er offerierte uns für die folgenden Tage einen Stellplatz im Garten seines Hauses in Jaipur samt Verpflegung für 500 Rupies pro Tag.

Wir nahmen das Angebot dankend an und quartierten uns am Montag Nachmittag bei Frau Pinku und den beiden Söhnen ein. Für uns fast undenkbar, wie einfach hier sogar eine typische Mittelschicht-Familie wohnt. Und weil offenbar das Geld fehlt, um die Wasserpumpe zu flicken, gibts das Wasser nicht fliessend vom Dach, sondern nur direkt aus der Zisterne im Garten, was auch WC-Spülung und Dusche recht kompliziert macht.

Nach einem faulen Dienstag, den wir nur zum Versenden von E-Mails und Beschaffen von Malaria-Prophylaxe für die kommenden Wochen benutzten, verlassen wir die gastliche Stätte am Mittwoch Morgen gerne wieder. Zwar konnten wir uns hier wirklich die Bäuche voll schlagen, bis uns nachts kaum mehr wohl war, doch des einen Sohn lästige Gafferei gab uns zu stark auf den Geist. Wir unternehmen noch einen Stadtbummel, besichtigen den berühmten Palast der Winde (bloss eine Fassade, also eine Art Aussichtsgalerie, die der damalige Maharadscha 1799 für seine Haremsdamen errichten liess), müssen allerdings leider feststellen, dass andere Sehenswürdigkeiten, wie der Stadtpalast oder das Freiluftobservatorium von 1728, wegen den Parlamentswahlen im Distrikt Jaipur geschlossen sind. Und auch der Palast im 11 Kilometer entfernten Amber ist nicht geöffnet.
Sogar die Elefanten haben Ausgang gekriegt, wir begegnen ihnen auf dem Rückweg. Und uns bleibt genügend Zeit, um bis nach Sawai Madhopur vor den Toren des Ranthambore-Nationalparks weiter zu ziehen. Wir quartieren uns im grosszügigen Garten des staatlichen RTDC-Motels ein – strategisch günstig, starten doch von hier aus die zwei Mal täglich stattfindenden Bustouren durch den Park.

Rehe, Hirsche, Blue Bulls, Krokodile, Störche und einen Haufen weiterer bunter Vogelarten, aber keinen Tiger haben wir während der vierstündigen Safari am Donnerstag Nachmittag erspäht. Ausgerechnet der König der Tiere, von dem es hier 45 Stück geben soll, machte sich rar, auch wenn der Tourguide noch so versicherte, wie häufig man ihn hier zu sehen bekomme. Ein paar Tatzenabdrücke, das war alles. Dennoch lohnte sich die Fahrt durch dieses Stück unberührter Natur allemal. Weil der Platz so ruhig und mit 100 Rupien pro Tag so günstig ist, beschliessen wir, heute noch einen Tag hier zu bleiben und wieder Mal einen Relax- und Retabliertag einzuschalten, 

Sonntag, 28.11.2004

Indien im Hochzeitsfieber. Nachdem die zweiwöchige Festzeit zwischen Diwali und Moomal nun endlich zu Ende ist, beginnt die Hochzeits-Saison. Eine Hochzeit in Indien dauert überdies nicht nur einen Tag wie bei uns, sondern ganze 10 Tage. Hochbetrieb für die Musikbands, nein, das ist keine Blasmusik, wie wir sie kennen, sondern eine Truppe mit einem liebevoll hergerichteten Leiterwagen mit Kassetten- oder CD-Spieler und überdimensionierten Lautsprechern. Und Hotels mit Gartenvorplatz sind ungemein beliebt, um in ein sogenanntes Wedding-Palace umfunktioniert zu werden. Pech für uns, denn so gehen uns die Camping-Möglichkeiten flöten.
Nachdem wir uns am Samstag nach Bundi verschoben hatten, schlugen wir einmal mehr in einm RTDC-Motel unser Lager auf. Kurze Zeit später treffen Handwerker und lastwagenweise Material ein. Die ganze Nacht wird gehämmert, gezimmert und (vor-)gekocht, und heute Morgen ist der Hotelvorplatz in einen (eher kitschigen) Hochzeits-Palast umfunktioniert. Und unser LandCruiser steht mitten drin. Mit etwas Glück können wir noch rausfahren, bevor die ersten Hochzeitsgäste eintreffen.

Wir besichtigen Bundi, ein wirklich herziges, urindisches und äusserst fotogenes Städtchen und dessen vergleichsweise überdimensionierten Maharadscha-Palast aus dem 18. Jahrhundert. Ja, diese Fürsten wussten, wo es am schönsten ist und wie man sich dort noch schöner einrichtet! Heute ist übrigens der erste Herbsttag, etwas neblig am Morgen und den Tag hindurch gar nicht mehr so heiss.




So geniessen wir einen leichten Lunch in einem Dachterrassen-Restaurant, bevor wir nach Kota weiterfahren. Dort steuern wir wiederum das RTDC-Motel an, doch was steht dort im Garten? – richtig, ein Wedding-Palace, und das Hochzeitsfest ist in vollem Gang! Wir finden trotzdem noch einen schönen Garten, beim altenglischen Sukhdam Heritage Hotel.

Donnerstag, 2.12.2004

Manchmal nervt es schon etwas, wenn man dauernd als Hauptdarsteller eines riesigen Freilufttheaters begafft wird. Genau das passiert aber, wenn man als westlicher Tourist und erst noch mit einem eigenen Auto, das auf die Einheimischen wie ein UFO wirkt, auf dem Marktplatz aufkreuzt. Und wenn man dann einen der meist Halbwüchsigen und mit englischen Standardphrasen („hello“, „how are you“, „what‘s your name“, „where are you going“) um sich werfenden Jungs tatsächlich mal nach dem Weg fragt, sind dessen Englischkenntnisse meist am Ende. So geschehen am Montag in der (angeblich sehr fortschrittlichen) Stadt Kota auf der (vergeblichen) Suche nach einem schön grossen Supermarkt. Erst ein Zornausbruch meinerseits half, dass wir zu einem kleinen Laden geführt wurden, dessen Besitzer gut Englisch konnte und unsere Einkaufswut voll auszukosten verstand. Was er selbst nicht im Laden hatte (Senf, Mayonnaise etc.) liess er kurzerhand im ganzen Quartier herum organisieren, so dass wir schlussendlich doch noch mit aufgefüllter Vorratsbox Richtung Darrah Nationalpark weiterfahren konnten. Dieser allerdings brachte es für uns gar nicht, da er per Auto gar nicht zugänglich ist.

Nach einer Nacht in Jhalawar steuerten wir am Dienstag die Colvi Caves an. Das ist ein rund 2000 Jahre altes buddhistisches Kloster in Höhlen auf einem Tuffsteinhügel mit herrlicher Aussicht. Rund 3 Stunden brauchten wir für die 80 Kilometer, doch der Trip zu dieser vom Massentourismus noch nicht entdeckten Sehenswürdigkeit hat sich gelohnt. Und nur rund 5 Kilometer davon entfernt fanden wir auch noch einen schönen Übernachtungsplatz offroad in einem kleinen Wadi. Schon lange haben wir nicht mehr so ruhig und gut geschlafen!

Die ausgesprochen schlechten Strassen vor allem in den Dörfern auf unserer abseits der Hauptverkehrsachse verlaufenden Route von den Colvi Caves Richtung Shivpuri liessen uns am Mittwoch einmal mehr unser anvisiertes Ziel nicht erreichen. Zum Glück, denn so erreichten wir rund 20 Kilometer nach Baran just um den Sonnenuntergang ein lichtes Waldstück – ideal zum Campieren. Der schönste Offroad-Schlafplatz, den wir in Indien bisher gefunden hatten. Am Mittwoch Morgen konnten wir deshalb fast nciht mehr aufhören mit Frühstücken. Und nur auf die Weide ziehende Kühe waren unsere Zaungäste. 

Zum Glück hatten wir diesen Platz gewählt, denn – einmal in Shivpuri angekommen – fanden wir heute das staatliche Tourist Village im Umbau vor, und der Receptionist brauchte rund zwei Stunden und seinen Chef, bis er kapierte, dass wir kein Zimmer, sondern einen Campingplatz suchten, und dass wir bereit sind, dafür auch einen kleinen Betrag zu bezahlen. Statt einen geruhsamen Nachmittag zu geniessen, konnten wir uns so einmal mehr erst kurz vor sechs Uhr Abends einrichten, und wir fragen uns ernsthaft: Stellen wir uns eigentlich so dämlich an, oder ist die Mehrheit der Inder wirklich derart begriffsstutzig?


Sonntag, 5.12.2004

Eigentlich sind es von Shivpuri bis nach Fathepur Sikri bei Agra nur rund 220 Kilometer, doch wir brauchten zwei volle Tage dafür. Nach einem faulen Freitag verliessen wir am Samstag Vormittag das Tourist Village wieder, besuchten noch die in malerischen Gärten angelegten Chattris (Grabmähler) eines Maharadschas und seiner Mutter, bevor wir nordwärts hielten. Auf eine nähere Besichtigung von Gwalior verzichteten wir angesichts des heillosen Verkehrschaos jedoch und spendierten stattdessen unserem LandCruiser ein Wäsche. Sie sollte für die Katz‘ sein – doch dazu später. Mit etwas Glück fanden wir bei Dhaulpur einen schönen Offroad-Übernachtungsplatz, nur 50 Meter von der Strasse weg, aber perfekt von Büschen getarnt.

In der Schweiz ist jetzt wohl wieder Pfnüselsaison. Doch auch uns hats beide erwischt mit triefenden Nasen und Husten. Halb so schlimm, denn heute stehen ja nur 60 Kilometer auf dem Programm. Doch, oha lätz, die haben es in sich. Zuerst verfahren wir uns wieder einmal und stranden, nachdem die Strasse zur Piste, die Piste zum Karrenpfad und der Karrenpfad zum halben Bachbett wurde, in einem Acker. Doch, doch das wäre der richtige direkte Weg nach Fathepur Sikri gewesen, gibt man uns später zu verstehen. Aber da sind wir schon wieder auf halbem Weg zurück auf die Hauptstrasse, die zwar etwas weiter, jedoch klar besser zu fahren ist. Tatsächlich wird der National Highway Nummer 3 nach ein paar Kilometern sogar vierspurig. 

Doch zu früh gefreut! Auf einmal stehen unendliche Lastwagenkolonnen auf der linken Spur, und auf einer Kreuzung weist uns die Polizei nach rechts. Der Highway sei wegen eines Unfalles für rund 5 Stunden gesperrt. Nur wo führt nun die Umleitung durch? Ein erster Umfahrungsversuch endet wieder bei den Polizisten, beim zweiten Mal hängen wir uns an einen Chauffeurwagen der Regierung. Dessen Fahrer muss zwar auch laufend nach dem Weg fragen, doch er kann sich in Hindi mit der kaum des Englischen mächtigen Landbevölkerung wenigstens verständigen. Und die Strasse wird wieder zur Piste, die Piste zum Feldweg, der Feldweg zum Pfad durch den Acker – das hatten wir doch heute schon mal. Und der LandCruiser sieht schon wieder aus wie Sau! Doch am Ende erreichen wir doch noch kurz vor Sonnenuntergang Fathepur Sikri, wo wir für 500 Rupies ein Zimmer im staatlichen Gulisham Tourist Complex nehmen, zum Duschen und unseren Pfnüsel auskurieren. Denn in den kommenden Tagen steht ein dichtes Programm mit dem Besuch des Taj Mahal als Höhepunkt auf dem Programm.

Donnerstag, 9.12.2004

Diese Woche steht für uns ganz im Zeichen eines touristischen Marathonprogramms. Am Montag Morgen besuchten wir die Moschee und den Palast in Fathepur Sikri – nein, nicht ganz. Den Palast besichtigten wir mit Hilfe eines ortskundigen Führers nur von aussen, denn der Eintritt war uns schlicht zu teuer, und so erlebten wir wohl ebenso spektakuläre Einblicke, aber für ein Fünftel der Kosten. Am Nachmittag verschoben wir uns nach Bharatpur, wo wir beim Nightingale Hotel unmittelbar neben dem Eingang zum Keolado-Nationalpark den bisher besten Campingplatz (mit Ausnahme jener offroad natürlich) hier in Indien fanden. So beschlossen wir denn auch spontan, dort zwei Mal zu nächtigen, etwas in der Hängematte rum zu hängen, die zweite Hälfte des Indien-Aufenthaltes zu planen und den Parkbesuch auf Dienstag zu verschieben.

Götterspeise, das ist Zwieback, Apfelmus und Vanillecreme darüber, und genau das gabs (bereits schön am Vortag zubereitet) am Dienstag zum Frühstück, nachdem wir – dem mittlerweile eher kühlen Herbstklima sei Dank – erstmals seit langem wieder so richtig bis um halb zehn ausschlafen konnten. Per Velorikscha ging es dann auf Pirsch in den Park, wo neben Dschungelkatzen, Schakalen, Blue Bull-Antilopen und gepunkteten Rehen vor allem die Vogelwelt heimisch ist; über 400 Arten! Nur, sogar mit einem 450-mm-Teleobjektiv kommt man hier nicht zurecht, eine 800-mm-Kanone samt robustem Stativ müsste es schon sein – ein paar Profis machten es vor.

Am Mittwoch die Fahrt nach Agra, wieder einmal über eine Nebenstrasse. Und prompt verirrten wir uns erneut bei der Einfahrt in die Stadt. Nach einer Ehrenrunde durch hoffnungslos von Marktständen, Ochsengespannen, Traktoren, Tuktuks und Velorikschas verstopfte Strassen fanden wir aber recht schnell das Quartier um den Taj Mahal, ein paar gut bestückte Lebensmittelläden und sogar ein Café, wo wir einmal mehr unseren zur Neige gehenden Kaffeevorrat im letzten Moment aufstocken konnten – Cappuccino am Morgen und Carrajillo am Abend sind somit für die nächsten zwei Monate wieder gesichert. Nur mit der Unterkunft haperte es mal wieder. Das laut Reiseführer für uns wohl empfehlenswerteste Hotel steht mittlerweile in einer Fussgängerzone, und im Garten des zweitbesten findet doch schon wieder eine Hochzeit statt! Wir finden trotzdem eine Bleibe, allerdings nur in einem relativ lauten Innenhof.



Heute nun steht – zumindest architektonisch – wohl der Höhepunkt unserer Reise an: der Besuch des Taj Mahal. Was sich allerdings die indische Regierung hier bei der Erhebung des Eintrittspreises erlaubt, grenzt an Wucher: 750 Rupies pro Person, das sind fast 20 Franken, müssen Ausländer bezahlen, während Inder für 50 Rupies Einlass finden. Dass dies ein ausgesprochen schlechtes Klima zwischen Einheimischen und Touristen schürt und den Abriss auch andersweitig fördert, scheinen die Finanzminister nicht zu bedenken. 



Wir geniessen den umwerfenden Anblick des gigantischen Bauwerks dennoch, und die Kamera läuft heiss. Man muss schon ein unglaublich schlechter Fotograf sein, wenn man hier nicht tolle Bilder schiesst. 


Nachdem wir auch noch das Rote Fort durchwandert haben, brauchen wir eine Velorikscha, um zum Hotel, bzw. vorher noch zu einem Internetcafé zurückzufahren. 10 Rupies, biilig!! Allerdings landen wir dabei prompt in einem Marmorladen. Nun, wir haben ja Zeit, lassen uns die wirklich eindrücklich Handwerkskunst erklären, bewundern die mit Intarsien verzierten Tischplatten, Schatullen etc. und verlassen den Laden, ohne etwas zu kaufen.
Einen weiteren Besuch in einem Silbergeschäft können wir unserem Velochauffeur ausreden, in dem wir ihn auf später vertrösten. Wir essen jedoch im Hotel und lassen uns tunlichst nicht mehr draussen blicken.

Sonntag, 12.12.2004

Zum Abschluss unseres Agra-Besuchs wurden wir am Freitag Mittag in einem Bottle-Store (Alkoholladen) beim Bierkauf mit einem klassischen Taschenspielertrick (Austausch einer 500er- gegen eine 100er-Note) noch um 400 Rupies (rund 10 Franken) betrogen, ohne dass wir es rechtzeitig gemerkt hätten. Dann sind wir endlich wieder aus diesem Abzocker-Pflaster raus!! 

Doch zuvor mussten wir uns noch von hinten ans Ufer des sehr wenig Wasser führenden Yamuna-Flusses durchkämpfen, um ein Foto unseres LandCruiser mit Taj Mahal im Hintergrund zu knipsen. Und einer allein glaubt es nicht: Wir sind noch nicht fertig damit, kommt bereits schon wieder ein Souvenirhändler angelatscht.

Nun wird rigoros die Sparschraube angezogen. Der erste der das zu spüren bekam, ist der Concierge des Tourist Village in Datia. Er will uns keinen Übernachtungsplatz für 100 bis 150 Rupies anbieten, sondern beharrt auf dem Zimmerpreis von 490 Rupies. Wir lehnen dankend ab und übernachten wild, nur rund 300 Meter entfernt in der Nähe eines grossen Telekommunikationsturmes. Der dortige Anlagewart wunderte sich zwar anderntags etwas, hatte aber sonst nichts einzuwenden.

Am Samstag erreichten Khajuraho. Die Suche nach einem Offroad-Schlafplatz verlief ergebnislos, so dass wir uns nach Sonnenuntergang wieder nach einem Guesthouse umsehen mussten. Einer Irrfahrt in das für den Durchgangsverkehr gesperrte Dorfzentrum sei Dank, werden wir von einem Typen angequatscht, der gleich fragt, ob wir Camping suchen. Oha, der weiss Bescheid, und der Preis von 100 Rupies pro Nacht ist heiss, also nichts wie hin! Und tatsächlich entpuppt sich der Garten als klein aber fein, so dass wir hier insgesamt drei Nächte bleiben werden. Doch nun der Reihe nach.


Heute haben wir die berühmten Tempel von Khajuraho besichtigt, wobei besichtigt wortwörtlich gemeint ist. Berühmt sind die über 1000 Jahre alten Heiligtümer nämlich wegen ihrer Vielfalt an Sandsteinfiguren aussen wie innen, worunter sich auch sehr viele ausgesprochen freizügig dargestellte Sexszenen befinden. Es handle sich nicht um eine erotische Zurschaustellung, sondern um eine Verehrung der Fruchtbarkeit, lautet die offizielle Erklärung, aber die detailgetreuen Darstellungen lassen keinen Zweifel offen, dass die begabten Steinmetze damals bei ihrer Arbeit kaum nur religiöse Gedanken hatten. Wir verweilen bis Sonnenuntergang bei den Tempeln und hoffen, die vom Tourismusverein organisierte Sound-and-Light-Show von einem Terrassenrestaurant aus kiebitzen zu können. Wir sehen davon allerdings nur die Rückseite, und beschliessen, weil das Ganze wirklich sehenswert erscheint, einen Tag länger hier zu bleiben, ein weiteres Mal 15 Franken Eintritt zu bezahlen und der Show morgen Abend beizuwohnen. Irgendwann allerdings werden wir uns beim indischen Tourismusverein noch gehörig  über die Preispolitik bei den Eintritten beschweren.

Freitag, 17.12.2004 

Der zusätzliche Montag in Khajuraho hat sich gelohnt, die mystische Sound-and-Light-Show bei den Tempeln ist wirklich sehenswert! Und man erfährt auch noch einiges über die Entstehungsgeschichte der grossartigen Bauwerke. Am Dienstag setzten wir unsere Reise Richtung Bandhavgarh Nationalpark fort. Allerdings unterschätzten wir etwas die extrem schlechten Strassen auf dem Gebiet des Bundesstaates Madhya Pradesh. Und so kamen wir nur rund 60 Kilometer an den Park heran. Auf einem Hügelzug fanden wir exakt zum Sonnenuntergang einen lauschigen Schlafplatz. Und die Temperaturen sind hier klar milder als in der Ebene unten.

Am Mittwoch dann die Fahrt zum Nationalpark. Allerdings schienen uns alle Einheimischen auf einem Umweg zum Park weisen zu wollen. Denn die tatsächlich gefahrene Route stimmte in keiner Weise mit unserer Karte überein. Wie auch immer, wir erreichten den Park am Nachmittag. „To see the tiger is virtually guaranteed“, verspricht vollmundig der Werbeprospekt des Parkes. So sollen wohl die happigen Eintritts- und Safari-Preise gerechtfertigt werden. Am Morgen früh sei Tiger-Kontakt noch wahrscheinlicher versicherte uns der Manager des Tourist Village, wo wir unser Lager aufgeschlagen haben, und so entschlossen wir uns entgegen unseren Gepflogenheiten für einen Sunrise-Trip am Donnerstag Morgen. Beim Nachtessen konnten wir uns noch einer Fahrgemeinschaft anschliessen, so dass sich die Gebühren für den Safari-Suzuki, den Fahrer und den Führer etwas reduzieren liessen.

In aller Hergottsfrühe ging es also am Donnerstag Morgen zum Park. Endlich kamen auch einmal unsere warmen Outdoor-Jacken zum Einsatz, denn in dem offenen Suzuki zieht es erbärmlich. Pünktlich um 6.15 Uhr ging die Tiger-Jagd los. Ein herrlicher Sonnenaufgang, unberührte Natur, gute Luft… aber keine Tiger. Überhaupt hat es hier klar weniger Tiere als in den bisher besuchten Parks. Beim Teestopp um 9 Uhr dann die Meldung per Funk: Späher auf Elefanten sollen einen Tiger gesichtet haben. Allerdings in so hohem Gras, dass er nur von Elefanten aus gesichtet werden könne. Und das koste – wen wunderts – nochmals 600 Rupies (rund 15 Franken) pro Person extra. Das riecht doch stark nach abgekarteter Sache, und so zeigten nur ganz wenige der rund 50 Safari-Teilnehmer Interesse. Und – oh, Wunder – noch bevor die Elefanten herbei geführt werden sollten, kam die nächste Meldung vom Späher: Der Tiger sei wieder verschwunden. Mit dem leichten Gefühl, dass auch die total 1420 Rupies (ca. 37 Franken) noch zu viel waren, verliessen wir den Park. Trinkgeld für Fahrer und Führer gabs von unserem Team (2 Italiener, 1 Franzose und wir 2 Schweizer) keines – no tiger, no tip!

Noch am Donnerstag Nachmittag verliessen wir den Park wieder. Immerhin hatte die Übernachtung hier nichts gekostet, doch wir peilten erneut den Offroad-Schlafplatz auf dem Hügel von Dienstag Nacht an, diesmal aber auf dem direkten Weg! Nach rund 40 Kilometern wurde aus der schlechten Strasse ein Karrenpfad und später quasi ein Bachbett. Das hatten wir ja schon ein paar mal. 


Nur weitere 10 Kilometer später führt das Trassee aber direkt in einen – offenbar erst kürzlich erschaffenen – Stausee. End of the way! Aha, deshalb hatten uns die Einheimischen auf so kompliziertem Weg zum Park gewiesen. Und nun mussten wir den Umweg (jedenfalls teilweise) nochmals fahren. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichten wir unser lauschiges Plätzchen doch noch wieder.

Heute nun haben wir die rund 300 Kilometer nach Varanasi unter die Räder genommen. Dass allerdings hier in Madhya Pradesh sogar der National Highway am Zerfallen ist, damit haben wir nicht gerechnet. Und prompt wird es wieder Nacht (mittlerweile eben schon um 17.30 Uhr) bis wir Varanasi erreichen. Die Ausfahrt von der Umfahrungsstrasse in die Stadt verpassen wir schon mal. Und wie sollen wir erst die als Campingplatz angepriesenen DAK-Bungalows finden? Wir kapitulieren und lassen einen Tuktuk-Fahrer als Lotse vorfahren. Der bringt uns allerdings erst zum Taj Palace-Fünfstern-Hotel. Das habe ja auch einen Parkplatz in einem Garten (und gibt wohl mehr Provison). Erst geharnischter Protest veranlasst ihn, das angestrebte Ziel anzupeilen. Die Bungalow-Anlage ist jedoch nicht mehr in Betrieb. Dafür finden wir im Garten eines fast daneben liegenden China-Restaurants einen richtigen Campingplatz vor, der – wie das Gästebuch uns verrät – in den letzten 20 Jahren schon oft von Overlandern als Übernachtungsplatz gerühmt worden war. Und auch die Küche entpuppt sich als hervorragend.

Dienstag, 21.12.2004

Der Campingplatz hinter dem China-Restaurant erwies sich als so ideal, dass wir beschlossen, mindestens drei Nächte hier zu verbringen und den Samstag zum Wasch-, Putz- und  Relaxtag zu erklären. Und so können wir auch den Tuktuk-Fahrer vom Vortag, der in der Hoffnung auf das grosse Geschäft schon am Morgen wieder aufkreuzte, elegant abwimmeln. Zu ärgerlich nur, dass ausgerechnet an diesem Abend unser (vor eineinhalb Jahren in Marokko gekaufter) Teppich einen Guss Salatöl erwischte – bis das wieder draussen ist!! Und in Varanasi ist das Klima nun definitiv zu feucht für eine grosse Teppichwäsche – der würde hier nie und nimmer trocknen. Bereits um fünf Uhr nachmittags ziehen die ersten Smog- und Nebelschwaden auf, in der Nacht beginnt es sogar fast zu nieseln – richtig herbstlich, nur nicht so kalt!



Schon mal zu dritt auf einer Vespa gefahren? Was hier in Indien gang und gäbe ist, entpuppt sich als äusserst unbequem, vor allem für den ganz hinten Sitzenden. Unser Gastwirt bestand nämlich darauf, uns am Sonntag Vormittag eigenhändig mit seinem Roller in die Altstadt am Ufer des Ganges zu führen. Unterdessen hatte sich auch der Nebel gelichtet, der heilige Fluss zeigte sich in einem schon fast mystischen Licht. Und die Szene ist unglaublich: Ein Ghat (Badetreppe) reiht sich ans nächste. 


Junge Männer präsentieren hier badend und sich waschend ihre Bodies, weis aussehende Sadhus zelebrieren stolz die Armut, während sie von wohltätigen Gassenköchen verköstigt werden, Frauen erledigen mit viel Schaum ihre grosse Wochenwäsche im Fluss, Kühe und Wasserbüffel patroullieren der Promenade entlang, Ruderboote mit einheimischen und ausländischen Touristen dümpeln im Dunst, und etwas weiter den Fluss abwärts werden an einem speziellen (und mit strengstem Fotografierverbot belegten) Ghat die Verstorbenen eingeäschert. 


Hindus zahlen ein Vermögen dafür, dass ihre Asche den heiligen Fluss hinunter schwimmt. Zum Abschluss des Tages erwischen wir für die Rückfahrt noch einen betrunkenen Rikscha-Fahrer, der bei der Bezahlung prompt nicht mit den vereinbarten 20 Rupies zufrieden ist und auf deren 100 besteht. Doch da ist er bei uns an der falschen Adresse, und weil er stattdessen unseren Gastwirt noch um Provision anbaggern will, fasst er von diesem gleich noch eine Ohrfeige.

Nach dem Besuch der Ausgrabungsstätte von Sarnath (über 1500 Jahre alte Buddhisten-Tempel und Stupas, die an jener Stelle errichtet wurden, wo Buddha nach seiner Erleuchtung die erste Predigt gehalten haben soll) werden noch die Vorräte an Bord aufgefüllt, denn in den folgenden Tagen stehen – wollen wir zu Weihnachten tatsächlich die Meeresküste im Bundesstaat Orissa erreichen – lange Fahretappen auf dem Programm. Keine Zeit für Einkaufstouren!

Heute Dienstag haben wir nun die erste dieser Etappen unter die Räder genommen – der blanke Horror. Der National Highway Nummer 2, welcher die zentralen Regionen Indiens mit der östlichen Hafenstadt Kalkutta verbindet, ist eine einzige Baustelle (der Ausbau auf vier Spuren ist voll im Gang) und hoffnungslos mit Lastwagen überfüllt. Und eine Autobahnbaustelle in Indien hat nun wirkllich nichts mehr mit einer solchen in Europa gemein. Da gibt es keine Polizei, welche den Verkehr regelt. Spurwechsel werden nicht markiert, wer sie verpasst, sieht sich auf einmal als Geisterfahrer im Gegenverkehr. Jede Lücke wird zum Vordrängeln ausgenützt, bis irgendwann einmal gar nichts mehr geht. Frisch geteerte oder betonierte Abschnitte wechseln mit Schotter und riesigen Schlaglöchern ab, die durchschnittliche Geschwindigkeit sinkt unter 20 km/h ab. Zum Glück fahren wir einen Geländewagen, so können wir Manöver vollführen, welche sogar die Inder noch zum Staunen bringen. So legen wir mit Allradantrieb rund 3 Kilometer auf dem mit Erdhaufen übersäten Mittelstreifen zurück oder überholen eine weitere Endloskolonne in voller Schräglage auf dem seitlichen Strassenbord. Nur dass ein wild vordrängelnder Motorradfahrer an unserer Stossstange hängenbleibt und dann noch Schadenersatz fordert, das hätte nicht sein müssen. Wir lassen ihn lamentierend einfach stehen und erreichen doch noch kurz nach Sonnenuntergang Bodhgaya, den Ort von Buddhas Erleuchtung.

Samstag, 25.12.2004

Nun knallen sie wieder; es ist Weihnachten! Auch wenn die Mehrheit der Inder als Hindus mit der Geburt Christi nichts am Hut hat, packen sie jede Gelegenheit beim Schopf um ausgelassen zu feiern und vor allem Feuerwerk knallen zu lassen. Wir sind in Orissa und wollten eigentlich in Ruhe am Strand von Chandipur den Heiligen Abend und den Weihnachtstag verbringen. Doch da hatten wir die Rechnung ohne die Einheimischen gemacht. Auch wenn Schwimmen und Sonnenbaden für sie Fremdwörter sind, haben nicht wenige von ihnen die über 500 Kilometer weite Anfahrt von Delhi und Umgebung nicht gescheut, um die erneute Feiertagsstrecke statt im feucht kühlen, nebligen Landesinnern an der warmen Meeresküste zu verbringen.

Das wollten wir auch, denn das herbstliche Klima in Varanasi und Bodhgaya hat uns nicht nur ganz schön auf den Geist gegeben, sondern auch unsere Infrastruktur einer harten Bewährungsprobe unterzogen. Frottee- und Geschirrtücher, Schlafsäcke und Decken – nichts liess sich mehr draussen trocken. So blieb uns nichts anderes mehr übrig, als jeden Morgen die Standheizung anzuwerfen und als Fön zum Trocknen unseres Bettzeugs einzusetzen, damit dieses nicht zu müffeln begann. 


Nachdem wir am Mittwoch noch ganz gemütlich die Tempel und Klöster in Bodhgaya besichtigt hatten und uns angesichts der für Indien ganz untypischen Bauten sowie der vielen Mönche (und Nonnen!) aus diesen Ländern zeitweise nach Thailand oder in den Tibet versetzt glaubten, setzten wir uns das ehrgeizige Ziel, in zwei Tagen das Meer zu erreichen. Keine einfache Aufgabe angesichts der Verkehrs- und Strassenverhältnisse. Einmal von der Delhi-Kalkutta-Strecke weg, kamen wir allerdings klar schneller vorwärts und erreichten am Donnerstag Abend Ranchi, wo wir allerdings den Tourist Complex des regionalen Fremdenverkehrsvereins auch nach zwei Stunden nicht fanden. Zum Glück wurde uns (als persönlichen Gästen des Platzverwalters) beim YMCA ein adäquater Schlafplatz zu Teil.

Auch gestern wurde es Nacht, bis wir den Strand von Chandipur erreichten, wobei die entscheidende halbe Stunde einem Tankwart zu „verdanken“ war. So lange brauchte dieser nämlich, um einzusehen, dass er trotz vollmundiger Beschilderung („all international Credit Cards welcome") die Bedienung des Kreditkartenlesers nicht im Griff hat. Dann riss uns der Geduldsfaden und wir bezahlten bar. Dass das erhofft verschlafene Chandipur dann allerdings noch von lauten Inlandtouristen überschwemmt wurde, liess unsere Weihnachtsstimmung endgültig verfliegen. 

So genossen wir in einem Restaurant ein Fischmahl und machten uns heute, nachdem wir feststellten, dass sich das Meer über Nacht mit dem Wechsel von Flut zu Ebbe rund 5 Kilometer weit zurück gezogen hatte, Richtung Bhubaneshwar aus dem Staub. Diese Stadt liegt zwar nicht mehr am Meer, dafür ist es im Tourist Village klar ruhiger. Ideal, um morgen vor dem Besuch der Tempel noch eine überfällige Wasch- und Putzaktion durchzuziehen.

Dienstag, 28.12.2004

Hurra, wir leben noch! Spass beiseite, am Sonntag Abend – wir hatten die geplante Wasch- und Putzaktion bereits erfolgreich beendet, unser rollendes Haus von Sand und Staub befreit und den fettverschmierten Teppich gründlich eingeweicht und gespült – erfuhren wir per SMS von einem schweren Erdbeben in Indonesien, welches einen Tsunami ausgelöst und weite Küstenstriche in Sumatra, Thailand, Sri Lanka, auf den Malediven, Andamanen und Nikobaren, aber auch in Südindien rund um Madras verwüstet und Zehntausende von Toten hinterlassen hatte. Wären wir etwas schneller auf unserer Route vorwärtsgekommen, sässen wir jetzt mitten im Krisengebiet oder auf dem Meeresgrund.

So beendeten wir jedoch am Montag mit einer gründlichen Autowäsche den Weihnachtsputz, besuchten in Bhubaneshwar noch ein paar eher uninteressante Tempel und stellten erst später fest, dass wir die wirklich sehenswerten schlichtweg nicht gefunden hatten. Dafür machten wir auf der Fahrt nach Puri (wieder ans Meer) noch einen Zwischenhalt beim buddhistischen Friedensmonument in Dhauli. 

Von wegen, die Inder hätten das Strandleben noch nicht entdeckt. Puri entpuppt sich als eine faszinierende Mischung von tief religiösem Pilgerort, verschlafener Altstadt mit so engen Gassen, dass sogar unser nicht allzu breiter LandCruiser fast stecken bleibt, einfachem Fischerdorf und mondänem Badeort mit grossen Luxushotels für die reichen Städter aus Delhi – Weihnachtsferien! Zum Glück haben wir unser Haus dabei, sonst wäre es mit der Zimmersuche wohl eng geworden.  So aber fanden wir im Garten des staatlichen Pantanivas Tourist Bungalows direkt am Meer ein recht ruhiges Plätzchen und holten in einem Restaurant mit Baumterrasse richtig gediegen das Weihnachtsessen nach.

Sind wir in Rimini, Malaga oder Playa del Ingles? Unglaublich, wie viele Leute sich am scheinbar endlos langen und recht breiten Sandstrand tummeln. Nur dass hier eben alle ihre langen Kleider zum Sitzen im Sand und auch zum Planschen im Wasser anbehalten. Wir begnügen uns mit einem Strandspaziergang und tauchen dann als Kontrastprogramm in die Massen der Pilger um den riesigen Jaganath-Tempel ein, der für uns als Nicht-Hindus aber leider nicht zugänglich ist. Ferienstimmung der ganz besonderen Art.

Samstag, 1.1.2005


2004 ist Geschichte, und für uns ist das erste halbe Jahr oder ein Viertel unserer geplanten Reise schon vorüber. Doch hier noch ein Blick zurück auf die letzten Tage des alten Jahres: Am Mittwoch verliessen wir Puri um den vielgerühmten Sonnentempel in Konarak zu besuchen. Den einmal mehr recht hohen Eintritt hätten wir uns jedoch sparen können. Das antike Bauwerk befindet sich nämlich derzeit in Restauration, und es hatte schlichtweg zuviele Leute, um auch nur ein Paar vernünftige Fot¡os zu schiessen. Am Schluss zog sogar noch ein Tross von Staatslimousinen mit einer wohl einflussreichen Politikerin ins Gelände ein. 

In der Hoffnung, die Festtage mögen schnell vorüber gehen und die Massen von einheimischen Touristen möglichst schnell wieder nach Hause fahren, suchten wir anschliessend ein einsames Stück Strand zwischen Konarak und Puri – und wir wurden auf einem alten, nicht mehr durchgehenden, weil teils weggespültem Stück der Küstenstrasse sogar fündig.  Spontan beschlossen wir nach einem kurzen Bad in der recht starken Brandung hier zu übernachten und eventuell sogar noch einen weiteren Tag anzuhängen.

Da nur ein paar Fischer kurz vorbeischauten und uns schnell wieder in Ruhe liessen, blieben wir am Donnerstag effektiv zum Relaxen am Strand. Zu dumm nur, dass wir nicht genügend Brot eingekauft hatten. Was tun? Brot selbst backen, das heisst am Nachmittag den Teig vorbereiten und ziehen lassen, und am Silvester Morgen daraus frische Chapati (das sind die typischen indischen Fladenbrote) braten – mmmh, fein!! 

Weniger fein indessen, dass sich Irmas Mobiltelefon nicht mehr aufladen liess und der offenbar elektronische Defekt auch nicht zu reparieren war. So gabs – als verspätetes Weihnachtsgeschenk – ein neues Handy.   Und wegen des ganzen Handy-Gezetters fehlte uns natürlich prompt wieder eine halbe Stunde, um noch vor Dunkelheit am Lake Chilika – einem küstennahen durch einen schmalen Kanal vom Meer gespiesenen Salzwassersee – einen ruhigen Offroad-Lagerplatz für die Neujahrsnacht zu suchen. Blieb also einmal mehr nur das staatlliche Tourist-Village in Rambha mit den üblichen neugierigen Hotelgästen („where are you from?“, „can we see your car?“ etc.).  Wir liessen uns davon aber nicht stören und feierten bei einer Extraflasche Kingfisher Strong Bier den Jahreswechsel in unserer guten Stube im LandCruiser drin – Prosit Neujahr!

Mittwoch, 5.1.2005

Die Nachrichten von der Tsunami-Katastrophe verheissen nichts Gutes: Immer mehr Todesopfer werden gemeldet, Seuchen sollen ausgebrochen sein. Deshalb beschlossen wir, unsere Route definitiv zu ändern und statt der Küste entlang durch das Landesinnere nach Südwesten zu fahren. 


Ein letztes Mal fuhren wir am Sonntag ans Meer nach Gopalpur, einem niedlichen Küstendörfchen, wo wir in den Dünen gleich hinter der Küste einen sandigen Schlafplatz fanden. Nur die Fischer, die hier zum Teil riesige Brocken von Fischen aus dem Meer ziehen, und ihre Frauen schenkten uns (moderate) Beachtung.

Nun, Sand hat so seine Tücken, und so schafften wir es am Montag Morgen nur mit Hilfe unserer Sandbleche und mit ziemlich viel Publikum (die Fischer hatten wegen Ebbe grad Pause), unser lauschiges Camping-Plätzchen wieder zu verlassen. Und in der nächst grösseren Stadt landeten wir mitten in einer Demonstration von aufgebrachten Gläubigen, die sich wegen des (offenbar von der Stadtverwaltung angeordneten) Abbruchs mehrerer kleiner Tempel mit der Polizei Scharmützel lieferten. War wohl nicht unbedingt unser Tag. Doch die wirklich schöne Bergstrecke durch die naturbelassenen East Ghats entschädigte für den Stress.

Zwei Tage hatten wir für die Route von Gopalpur nach Palampet veranschlagt. Doch wir hatten die Rechnung wieder mal nur anhand der Karte angestellt. Doch die Praxis sieht anders aus. Am Dienstag schafften wir erneut gerade mal rund 190 Kilometer, um dann – schon bei stockdunkler Nacht – rund 30 Kilometer nach Jagdalpur im wahrhaft biblisch rückständigen Bundesstaat Chhattisgarh mit Mühe und Not noch einen Schlafplatz zu finden. Und auch heute schafften wir es nicht. In Bhopalpatnam erklärt man uns, dass beide laut Karte möglichen Routen nicht passierbar seien. Die eine Brücke über den Fluss Godavari sei eingestürzt, die andere gar nie gebaut worden. 

Wir haben die Wahl zwischen einem Umweg von rund 400 Kilometer auf Asphalt oder rund 150 Kilometer auf Schotter. Wir entscheiden uns für letzteres und werden von den Einheimischen nach Tarlaguda gewiesen – bitte nachsprechen: Tarlaguda, mit schön rollendem R und kurzen Vokalen. Tarlaguda! Tatsächlich, auch des Englischen absolut unkundige Bauern verstehen, wo wir hinwollen und weisen uns auf einer recht abenteuerlichen Offroad-Piste quer durch Natur pur mit Wasserdurchfahrten und viel Staub, was uns schon einen Vorgeschmack auf Afrika liefert. Doch offroad im Buschland nächtigen (und duschen!) ist ja ohnehin interessanter als im Garten eines Hotels.

Sonntag, 9.1.2005

Nach einer recht hektischen Woche sind wir heute in Hampi angelangt, im 15. Jahrhundert die Hauptstadt des ehemaligen Hindureichs Vijayanagara, einem beliebten Zweitages-Ausflugsziel für Goa-Reisende: jede Menge Tempel und Palastruinen, hübsch in eine felsige Hügellandschaft eingebettet mit Reisfeldern dazwischen. Richtig ideal, um wieder einmal zwei, drei Tage an Ort zu bleiben, zu retablieren und relaxen. Und endlich wieder einmal unter westlichen Leuten zu weilen. Nichts gegen die an und für sich liebenswerten und hilfsbereiten Inder, aber ihr Mangel an Gefühl für Privatsphäre kann einem mit der Zeit schon etwas verleiden. Doch nun der Reihe nach.

Am vergangenen Donnerstag schafften wir es auf den klar besseren Strassen von Andrah Pradesh bis rund 100 Kilometer an Hyderabad heran und übernachteten noch einmal offroad nur rund hundert Meter von der Hauptstrasse weg, aber zwischen zwei Hügelzügen völlig abgeschirmt und ohne jegliche Zaungäste. Am Freitag erreichten wir dann um die Mittagszeit Hyderabad, die fünftgrösste Stadt Indiens, und brauchten fast vier Stunden bis wir einen einigermassen tauglichen Übernachtungsplatz – diesmal wieder im Hof eines YMCA-Guesthouses – fanden. Eigentlich wollten wir mindestens zwei Tage hier verbringen. Doch die nur wenig für westliche Touristen geeignete Infrastruktur und die schiere Grösse der an und für sich recht modernen Stadt liessen uns anders entscheiden: Nach einem Grosseinkauf in einem guten Supermarkt und dem Erledigen überfälliger Post in einem top eingerichteten Internetcafé beschlossen wir, auf den Besuch der weit auseinander liegenden Sehenswürdigkeiten zu verzichten und die Stadt am Samstag fluchtartig zu verlassen.

Ein paar Fotos vom Fort Golconda, dann zügig Richtung Südwesten. Mit dem Grenzübertritt nach Karnatka verschlechtert sich aber der Strassenzustand erneut schlagartig, und die Bevölkerungsdichte nimmt in gleichem Masse zu. Bis nach Hampi durchfahren wäre unmöglich und so blieb uns nichts anderes übrig, als mit dem letzten Büchsenlicht entlang der Strasse, aber recht gut von Büschen getarnt, zu übernachten. Trotz des Samstag abendlichen Hochbetriebs auf der Strasse blieben wir unbemerkt. 


Heute schliesslich trafen wir schon um den Mittag in Hampi ein, wegen eines Fahrfehlers allerdings am nördlichen Ufer des Tungabadhra Flusses. Und Brücke gibts keine, nur ein Fährboot für Fussgänger. 

Der Vorteil: Es ist ruhiger auf dieser Seite als im Zentrum, und wir finden im Little Italy Guesthouse, einer Mischung von Strohhütten-Hotel und Bauernhof inmitten von Wasserbüffeln einen originellen Campingplatz. An das früh morgendliche Gekrähe der drei Hofhähne muss man sich allerdings erst einmal gewöhnen.

Dienstag, 11.1.2005

Hampi gefällt uns immer besser. Bereit am Sonntag Abend haben wir noch den Sonnenuntergang auf einem der Felshügel genossen. Gestern und heute haben wir ausgiebige Spaziergänge durch die weit verstreuten historischen Relikte unternommen. Dies nachdem wir jeweils den Fluss in einem dieser, Coracles genannten und an eine halbierte Kokosnuss erinnernden, Boote aus Bambusrohr überquert hatten – eine recht unbequeme Geschichte, und nasse Füsse kriegt man auch dabei! Das kann allerdings auch willkommen erfrischend sein, vor allem nachdem einem rund 3 Kilometer vom Dorfzentrum weg die Sandalen zerrissen sind und man barfuss zurück gewandert ist.

Alles halb so schlimm, denn die Stimmung hier ist einzigartig, nicht so religiös zwar wie an den typischen Hindupilgerorten, eher etwas Jahrmarktatmosphäre, doch richtig ideal, um etwas die Seele baumeln zu lassen. Wenn man wieder mal das Gefühl hat, die Knie an den Ohren oben zu haben, sitzt man in eines jener zahlreichen Kneipchen am Fluss, geniesst zu Spottpreisen hervorragende indische Leckerbissen, trinkt ein kühles Kingfisher-Bier dazu, schnuppert den Duft von Räucherstabchen, da und dort auch von gerauchtem Hanf, und fühlt sich etwas an Ibiza erinnert, als die spanische Insel noch eine Hippie-Hochburg war.

Samstag, 15.1.2005

Nicht ohne etwas Bedauern verliessen wir am letzten Mittwoch Hampi, weil nach drei Nächten die Batterien unserer Stromversorgung wieder nachgeladen werden müssen. In solchen Momenten bedauern wir schon, dass wir nicht ein Solarzellenpanel auf dem Dach installiert haben, das uns genügend Strom für Kühlschrank, Innenbeleuchtung, Wasserpumpe und für die Vorwärmung der Brenner des Petrolkochers liefern würde. Doch wir wollen ja eigentlich reisen und nicht nur rumhängen. 


Und nach einer Offroad-Übernachtung auf einem kleinen Pässchen erreichten wir am Donnerstag beizeiten die für ihre Hoysala-Tempel bekannten Orte Halebeedoo und Belur. Nach einem Rundgang durch die beiden antiken Heiligtümer reichte die Zeit sogar noch, um unserem LandCruiser eine Wäsche zu gönnen, bevor wir uns in einem dichten Wäldchen ebenfalls unter die Dusche begaben.

Erstaunlich, dass wir so nah an den beiden Städten ein so ruhiges (aber recht kaltes) Schlafplätzchen fanden, während wir am Tag darauf vergebens danach Ausschau hielten. In einem Guesthousekomplex in Sravanabelgola fanden wir allerdings eine strategisch günstig gelegene Bleibe. An diesem bei den Jains hoch heiligen Ort wird Sri Gomateshvara verehrt, der hier stehend meditiert haben soll, bis ihn die Pflanzen umrankten. 


Auf zwei Hügeln mit grandiosem Rundblick sind die ihm gewidmeten Heiligtümer errichtet. Wir erkommen den einen noch gestern Freitag Abend zum Sonnenuntergang, den andern heute Morgen (allerdings nicht bereits zum Sonnenaufgang!). Dort wurden wir Zeuge einer Zeremonie, bei welcher der über 17 Meter hohen Statue des Heiligen die Füsse gesalbt werden. 

Die nächste Etappe führte uns heute Nachmittag in die Region Mysore, wo wir in der prächtigen und bei den Schönen und Reichen aus der Stadt zum Promenieren beliebten Brindavan-Gärten einmal mehr den grossen Kontrast in diesem Land erleben konnten. 


Allerdings, so ganz aussen vor bleibt das typisch chaotische Indien auch in dieser Parkanlage nicht. Wegen Stromausfalls (hier zu Lande ein alltägliches Ereignis) begann die Lichtshow erst mit rund einer halben Stunde Verspätung. Und nachdem wir in einem gerade erst eröffneten Restaurant noch so richtig geschlemmt haben, können wir gleich in der hintersten Ecke des riesigen Parkplatzes völlig ungestört übernachten.



Montag, 17.1.2005

Eigentlich hatten wir vor, noch zwei weitere Nächte in Mysore zu verbringen, um neben dem Besuch der Sehenswürdigkeiten noch in Ruhe so gewisse Sachen einzukaufen, die es eben nur in den grösseren Städten zu kaufen gibt. Doch nachdem wir am Sonntag die katholische Kathedrale St. Philomena und den prächtigen Stadtpalast schnell gefunden und ohne Verzögerungen besichtigen konnten, fanden wir sogar noch einen modernen Supermarkt, so dass wir am Nachmittag nach der Fahrt auf den Chamundi-Hügel (mit dem Tempel von Mysores Schutzgöttin) die Schnauze unseres LandCruisers stadtauswärts Richtung Natur richteten.

Nach dem enttäuschenden Bandhavgarh-Nationalpark vor rund einem Monat hatten wir uns eigentlich vorgenommen, keine Wildparks mehr zu besuchen.  Nun, wir haben unseren Vorsatz gebrochen und sind von Mysore direkt zum Nagarhole-Nationalpark gefahren. Dort wollten uns die Parkranger mit unserem LandCruiser zuerst nicht einlassen. Ein so komplett für Offroad-Fahrten ausgerüstetes Fahrzeug sei hier nicht gestattet. Nach hartnäckigem Insistieren unsererseits und einer erfolglosen Durchsuchung nach Schusswaffen oder anderer Wildererausrüstung liessen sie uns dann doch passieren, allerdings nicht ohne die klare Anweisung, auf direktem Weg das Visitorcenter mitten im Park anzufahren, wo wir auch campieren könnten.

Das Camp entpuppte sich dann aber als Wiese inmitten einer Siedlung, wo die Ranger und übrigen Parkbediensteten mit ihren Familien (und die sind wie üblich in diesem Land nicht gerade klein) sowie zwei Arbeitselefanten hausen – toll, wir sind wiedermal im Freiluftkino, und zwar als Hauptdarsteller… Und nachdem auch noch ein weiteres Plastikteil unserer Wasserbrausehahnen (diesmal eine der Steckbuchsen) in Stücke gefallen war, näherte sich unsere Stimmung dem Nullpunkt. Zusammenpacken oder nicht, das war die Frage heute Morgen. 

Wir entschliessen uns dennoch zum Bleiben, reparieren auf ein Neues den Wasserhahn, erledigen die Wochenwäsche und stehen pünktlich um drei Uhr Nachmittags zur Bussafari beim Visitorcenter. Dort tankt der Chauffeur zwar eben 10 Liter Diesel aus einem Fass in den Kleinbus, doch sonst tut sich nichts. Nach einer halben Stunde heisst es, die Safari fände erst statt, wenn sich 10 Passagiere  einfänden, wir sind aber zu diesem Zeitpunkt noch allein. Um vier treffen dann immer mehr (einheimische) Naturfreunde ein, so dass der Bus bis halb fünf doch noch voll wird. 


Doch, das Warten hat sich gelohnt. Tiger sehen wir zwar auch hier keinen (bloss ein paar Tatzenabdrücke im Sand), dafür aber eine ganze Menge wilder Elefanten, Wildschweine, Wisentbüffel und ganze Herden von Rehen. Übrigens, während diese Zeilen geschrieben werden, ertönt plötzlich ein furchterregendes Brüllen aus dem Dschungel und löst im schon fast nachtschlafenden Dorf helle Aufregung aus – ein Tiger??

Donnerstag, 20.1.2005

Ja, es war ein Tiger, und zwar sehr nah am Dorf, wie wir am Dienstag Morgen vom Chef der Parkranger erfuhren. Nun haben wir also zumindest eines dieser viel gepriesenen Raubtiere auch noch gehört. Mit einem permanenten Seitenblick ins Unterholz – ob da nicht doch noch plötzlich eine gelbschwarz gestreifte Grosskatze auftauche – fuhren wir darauf hin durch die üppige Natur der urwaldbewachsenen Hügellandschaft zuerst zu den Urupi Wasserfällen, dann weiter nach Madikeri, einem wirklich schmucken und sauberen Dorf auf rund 1200 Metern Höhe. 

Da der Countdown für unseren Transfer nach Südafrika nun läuft, gilt es vermehrt nach Internetcafés Ausschau zu halten (hier zu Lande zum Glück keine Seltenheit), um per E-Mail via unseren Schweizer Ansprechpartner die Seefracht zu organisieren. Gar nicht eine so einfache Angelegenheit, wie sich herausstellt, und vor allem mit immensem Bürokram verbunden. So verbringen wir den Mittwoch mit Relaxen, Retablieren, E-Mailen und Sonnenuntergang geniessen von dem in der ganzen Region bekannten Park Rajas Seat.

Heute ein Tag mit Knalleffekt. Wir beschliessen, von Madikeri über eine verwunschene Dschungelstrasse vom Bundesstaat Karnatka in jenen von Kerala über zu wechseln und die Westküste Indiens zu erreichen.  Zuerst läuft alles gut, dann enden wir in Telecauvery auf 1300 Metern Höhe schon einmal in einer Sackgasse. Also 10 Kilometer zurück und dann links. Der Polizeicheckpoint-Beamte wundert sich  zwar, dass da westliche Touristen auf diesem Weg vom Bundesstaat Karnatka in jenen von Kerala überwechseln wollen, hat dagegen aber nichts einzuwenden. 

Ganz anders 20 Kilometer weiter beim Posten der Kerala State Police: „Halt, stopp, Ausweiskontrolle, Fahrzeugpapiere.“ Kurze Zeit später: „Bitte unserem Jeep folgen nach Hosdrug auf die Hauptwache.“ Sind wir wieder einmal auf einer verbotenen Strasse eingereist? Werden wir sonst wegen irgend was gesucht? Das hatten wir ja in Pakistan auch schon mal. Der Deputy Commissoner klärt uns auf: Es wird ein LandCruiser gesucht, der Sprengstoff an Bord haben soll. Diesmal also nicht Spione, sondern Terroristen. Na bravo! Und weil wir auf dem Landweg von Pakistan nach Indien eingereist sind, sind wir ohnehin schon zum vorne herein verdächtig.  


So wird unser Auto von oben bis unten durchsucht, und sogar ein Schnüffelhund versucht sich vergeblich an unserem Camper. Fehlanzeige!! Peinlich, peinlich, um so mehr schon die ganze Lokalpresse und sogar das Fernsehen auf dem Polizeihof versammelt ist und den vermeintlich grossen Fang reportieren will. Ein Kokosnuss-Drink und eine Gratisübernachtung auf dem Gelände des benachbarten, Polizei-eigenen PWD-Resthouses sind die Wiedergutmachung. Und für Publizität dürfte in den nächsten Tagen auch gesorgt sein. 

Sonntag, 23.1.2005

Wir sind die Stars!! Schon am Freitag, also einen Tag nach unserer irrtümlichen „Verhaftung“ berichtete eine Lokalzeitung mit einem unaussprechlichen Namen auf Seite 2, für uns unleserlich in Hindi, über unsere Verhaftung und zeigt ein Foto unseres LandCruisers, umringt von Polizeibeamten und beschnüffelt vom Schnüffelhund. 


Und logischerweise wurden wir darauf hin beim Besuch des Forts Bekal an jeder Ecke von Einheimischen auf unseren Fall angesprochen, umso mehr an jenem Freitag noch Eid Mubarak, ein für das moslemisch dominierte Kerala sehr wichtiger Feiertag gefeiert wurde. So beeilten wir uns auf dem Weg nordwärts erneut die Grenze nach Karnatka zu queren und wieder ikognito zu reisen. 

In Ullal, nur wenige Kilometer südlich von Mangalore fanden wir sogar ein nur mässig von Einheimischen frequentiertes Stück Palmenstrand zum freien Campieren. Doch, oha lätz, kaum ist das Dach unseres LandCruisers aufgestellt, treten auch schon wieder zwei Polizisten auf den Plan. Allerdings nicht um uns zu verhaften oder weg zu weisen, sondern nur um uns zu warnen, der Strand sei etwas gar abseits und deshalb aus ihrer Sicht nicht sicher; wir sollten doch eher am Strand beim Ortszentrum und damit in Sichtweite ihres Postens übernachten. Nachdem wir ihnen klar gemacht hatten, dass wir entlegene Strände bevorzugen, um so wenig neugierige Anwohner wie möglich um uns herum zu haben, hinterliessen sie uns noch ihre Telefonnummer – nur für den Fall …

Der Fall trat nicht ein, und bis auf einen Muschelfischer, der am Samstag frühmorgens schon gleich neben unserem Fahrzeug seinen Fang zu verlesen begann, blieben wir gänzlich unbehelligt. In Coondapoor erhofften wir uns, erneut einen solchen Strand zu finden (an dem wir vor 9 Jahren bereits einmal übernachtet hatten). Wir fanden ihn nicht mehr. Hingegen ein kleines Beach Resort in der Turtle Bay, wo uns zwischen den einfachen Bungalows unter Palmen ein ideales Plätzchen zum Campieren zugewiesen wird. Und der Sandstrand ist so paradiesisch, dass wir auch den heutigen Sonntag hier verbracht haben. 


Und nachdem auch noch eine englische Motorradreisegruppe mit 8 gemieteten Royal Enfields auf den Hof geknattert kommt, das Radio in der Strandbar auf einen Sender mit Rockmusik eingestellt wird und der Mond fast voll die tropisch warme Nacht erhellt, ist die Ferienstimmung perfekt.



Donnerstag, 27.1.2005

Eigentlich hätten wir es nicht nur 2 Tage sondern 2 Wochen in der Turtle Bay ausgehalten – es stimmt hier einfach alles! – doch wir müssen zwischendurch immer mal wieder die Batterien laden, und so wechselten wir am Montag das Szenario vom tropischen Strandparadies in den Dschungel, genauer gesagt zu den Jog Falls. Na ja, viel Wasser kommt ja nicht die immerhin 260 Meter hohe Felswand hinunter, die Natur ist aber dennoch spektakulär, und wir hatten vom (leider etwas vermüllten) Garten des (ziemlich vergammelten) staatlichen KSTDC-Hotels eine Topaussicht auf den Abgrund.

Doch, welcher Teufel hat uns wenig sportliche Autotouristen wohl am Dienstag geritten? Wir kletterten (und das ist keine Untertreibung) tatsächlich bis zum See am Fusse des Wasserfalls hinunter, manchmal wie weiland Tarzan und Jane mit Hilfe von Lianen. Und weil sich die erste Route als effektiv unbegehbar erwies und wir bei Hälfte umkehren mussten, wurde am Ende gar die eineinhalbfache Strecke daraus. Der Muskelkater kam denn auch so sicher wie das Amen in der Kirche. 

Nun, am Mittwoch war ja wieder ein Fahrtag angesagt, diesmal wieder talwärts ans Meer, nach Gokarna, dem vielleicht letzten Hippieparadies auf dieser Welt, nachdem Goa von der Technoszene vereinnahmt wurde – ein friedlicher Pilgerort, umgeben von wahren Traumstränden. Allerdings, mit einem Campingfahrzeug steht man hier komplett neben den Schuhen. Nicht nur, dass kein einziger dieser Strände nicht einmal mit einem Allradfahrzeug zugänglich ist, sogar die angrenzenden Guest Häuser und Beach Resorts sind nur zu Fuss, mit einem Velo oder allenfalls (mit etwas Mut) mit einem Motorrad erreichbar. Etwas abseits, an der einzigen die Halbinsel querenden Schotterpiste, dann auf einmal ein Schild: Camping. Toll! Wir sind zwar die einzigen Gäste, finden aber alles vor, was wir brauchen.

Heute machen wir einen Bummel durch das für indische Verhältnisse wirklich kleine Dorf. Es fällt tatsächlich schwer, hier nicht die Hektik des Alltags fallen zu lassen und schrittweise den materialistischen Zwängen abzuschwören. Uns hindert allerdings ein E-Mail daran: der definitive Kostenvoranschlag für die Verfrachtung unseres LandCruisers von Mumbai nach Durban – rund 6000 Franken! 

Sonntag, 30.1.2005

Wir haben ein vorläufiges Zwischenziel erreicht: Goa, eine der wohl letzten Stationen unserer Reise durch Indien, bevor wir nach Afrika überwechseln. Hier wollen wir nun Ferien von den Ferien machen, umso mehr uns ein befreundetes Paar aus der Schweiz besuchen will. So haben wir direkt den Strand von Agonda angesteuert, einen Geheimtipp unter Wohn- und Expeditionsmobil-Fahrer. Und effektiv, an einem wahren Traumstrand unter Palmen sind bereits etwa 10 Campingfahrzeuge aus Deutschland, Italien, Holland und der Schweiz parkiert, die einen wohl schon wochenlang, die andern, wie wir, eher auf der Durchreise. Man tauscht Informationen aus und sammelt bei den andern Ideen, wie man das Fahrzeug noch besser ausrüsten könnte, oder welche Route man zur Weiterreise über den grossen Globus wählen soll. Ein Holländer interessiert sich vor allem für unser Aufstelldach. Und wir beschliessen, unsere elektrische Anlage definitiv mit einer Solarzelle aufzurüsten, damit wir auch mal etwas länger an einem solchen Örtchen lagern können. Wir erhalten von einem Globetrotter die Adresse eines Lieferanten in Margao, den wir morgen aufsuchen werden.

Auf dem wilden und doch recht frequentierten Campingplatz lernen wir auch das indische Abfallrecycling-System endgültig kennen. Am Morgen durchstreift eine ganze Kuhherde das Gelände und frisst nicht nur alles was an Gemüseabfällen anfällt, sondern auch mit Herzenslust Altpapier und Karton. Die Krähen sind zuständig für Früchte-, Fleisch- und Fischresten, und wenn man sich zwecks Toilette in den Busch zurückzieht, steht schon ein Schwein bereit, das die Exkremente restlos wegputzt. Nur Blech-, Glas- und Plastikverpackungen gilt es noch zu sammeln und selbst zu entsorgen.

Baden, in der Hängematte liegen, herrliche Sonnenuntergänge geniessen, das hier in Goa deutlich billigere Bier schlürfen, ausspannen – das wird die nächsten drei Wochen unseren Tagesablauf bestimmen, so dass auch die Tagebucheinträge etwas spärlicher ausfallen werden. Und das nächste Rundschreiben, in welchem auch die ganze Verschiffung unseres LandCruisers beschrieben sein wird, dürften wir wohl aus Südafrika verschicken – falls wir nicht vorher Opfer der von den Palmen runter fallenden Kokosnüsse werden. Eine hat eben einen halben Meter neben unserem LandCruiser eingeschlagen…

Donnerstag, 3.2.2005

Solarzellenanlage zum Aufladen unserer Batterien bestellen, Strände auskundschaften für die gemeinsamen zwei Wochen mit unseren Freunden Max und Maria Weber, dazwischen selbst etwas ausspannen und baden, das war das Programm von Montag bis Mittwoch, wo wir die Stadt Margao und die Strandorte Benaulim, Colva, Calangute, Candolim, Anjuna und Vagator besichtigt haben. Während uns Calangute und Candolim von viel zu vielen Pauschaltouristen frequentiert schien, hat es uns insbesondere Little Vagator angetan.

Auf einer Klippe, rund 40 Meter über dem Meer, haben wir einen idealen Campingplatz gefunden und in nur minimaler Fussmarschdistanz sind unzählige Restaurants, Bars und Discos hübsch im dichten Mango- und Palmenwald verstreut. So etwa hat Ibiza in den 70er- und 80er-Jahren noch ausgesehen. Und entsprechend sind hier auch vor allem Freaks von Althippies über Enfield-fahrende Biker bis zu Technofans anzutreffen.

Heute nun sind wir, nach einem Abstecher zum Fort Aguada, zurück nach Margao gefahren, um unsere 80-Watt-Solarzellenanlage von Tata – hier in Indien ist alles Tata, oder was? – abzuholen. 16'300 Rupies kostet das Teil, das sind rund 430 Franken. In Europa würde man dafür wohl über 1000 Franken bezahlen. Nur, zum Ausprobieren ist heute noch keine Zeit, wir erreichen unseren Schlafplatz am Strand von Colva (denselben wie am Montag Abend) erst zum Sonnenuntergang.

Dienstag, 8.2.2005

In der Schweiz ist jetzt Fasnacht, hier in Goa ist Karneval. Es trommelt an allen Ecken, und es wird wieder einmal kräftig Feuerwerk in die Luft geknallt, doch das gehört hier ja schon fast zur Tagesordnung. Unterdessen sind auch unsere Freunde aus der Schweiz eingetroffen, am Freitag Morgen durften wir sie am Flughafen in Vasco da Gama abholen und in ihr (bereits von der Schweiz aus reserviertes) Quartier für die ersten drei Tage nach Candolim bringen.  

Wir selbst wollten noch einen weiteren Strand entdecken und fuhren gleich weiter, ganz in den Norden von Goa, nach Arambol. Ein weiterer Traumstrand mit jeder Menge Strandbeizen. Vor allem Yoga- und spirituell Interessierte sind hier anzutreffen, dazu Gleitschirmflieger, welche die Thermik an der Felsnase auszunutzen wissen, sowie Surfer und Strandbuggie-Fahrer, die sich ebenfalls von Gleitschirmen den kilometerlangen Strand entlang ziehen lassen.

Wir fanden direkt hinter einer Strandbar einen guten Platz zum Campieren, den wir am Samstag vor allem zum Waschen und für mechanische Arbeiten ausnutzten. Ein neuer Satz Wasserbrausen (den uns Max und Maria Weber aus der Schweiz mitgebracht haben) wird installiert und freudig in Betrieb genommen, zwar ein älteres Modell als unsere bisherigen, aber klar praktischer und auch robuster aussehend – na ja, wir werden ja sehen… Dann die Solarzellenanlage. Doch, welche Enttäuschung!  Das Panel liefert zwar schön Strom, doch der dazu gehörende Regler weigert sich standhaft, diesen an die drei Batterien unseres LandCruisers weiter zu geben. Also noch nichts mit Stromautonomie, der Kühlschrank erhält in der Folge den Strom nur noch rationiert.

Nach einem faulen Sonntag am Strand (der Schreiber dieser Zeilen kämpfte dabei noch mit einer Magenverstimmung – wider besseres Wissen hatte er am Abend zuvor die rohe Tomatengarnitur seines Fischgerichtes verspiesen) ein hektischer Montag. Wir wollten nun auch Max und Maria Weber noch Goas Traumstrände zeigen und hatten als erstes die Agonda-Beach ausgewählt. Weil wir zuvor noch in Margao bei der Schwester von Webers Untermieter eingeladen waren und dort auch noch das Solarzellenproblem lösen wollten, hiess es hopp, hopp!

Doch da hatten wir die Rechnung ohne die Goa Police gemacht. Am Ende einer Brücke rote Kelle, Führer- und Fahrzeugausweiskontrolle, dann eröffnete uns der Officer mit todernster Miene das schier Unfassbare: RADARKONTROLLE!! Und sein im Mad Max-Stil Interceptor genannter Streifenwagen entpuppte sich tatsächlich als technologische Wundertüte. Schön auf einem Videofilm festgehalten: unser LandCruiser mit satten 70 km/h statt wie signalisiert 40 km/h. Ja, ja, Goa ist halt nicht mehr so richtig Indien. Nur die Busse fiel mit 300 Rupies (rund 8 Franken) dafür richtig mild aus. 

Das Solarzellenproblem liess sich allerdings immer noch nicht lösen – Karneval! Der Elektriker der Firma arbeitet erst am Mittwoch wieder. Also weiterhin Strom rationieren! Doch weil wir mit unseren Freunden ja ohnehin gemeinsam in Restaurants essen, und nur noch Bier, Wasser und Frühstücksware aufbewaren müssen, reichen dem Kühlschrank vier bis fünf Stunden pro Tag. Und wir geniessen weiterhin die Ferienstimmung unter Palmen, das Badewannen-warme Meer und den ausgezeichneten, frisch gefangenen Fisch.

Sonntag, 13.2.2005

Nach drei Nächten am ruhigen Strand von Agonda wechselten wir am Donnerstag an die deutlich quirligere Palolem-Beach, wo wir im Hi-Tide Resort gemeinsam für unsere Freunde einen Bungalow und für uns einen Stellplatz fanden. Doch statt einen faulen Tag am Strand zu geniessen, hatte der Schreiber noch ein paar Probleme zu lösen: die Solarzellenanlage in Margao wieder abholen – sie wurde unterdessen auf Herz und Nieren geprüft, gefunden wurde eine defekte Sicherung im Regler. Zudem mussten noch einige Dokumente für die Verschiffung kopiert und an die Frachtgesellschaft gefaxt werden, und das dauert hier in Indien halt schon mal anderthalb Stunden.

Am Freitag dann der grosse Moment: Solarzellen-Anlage anschliessen! Nun brennt zwar eine Kontrollampe am Regler, die besagt, dass die Batterie geladen wird, doch der Stromüberwachungs-Computer registriert nach wie vor nichts. Kontrollschaltungen ergeben jedoch: Das Panel liefert korrekt Strom, und wird das ganze an der bestehenden hinteren Steckdose angeschlossen, dann registriert auch der Computer den Ladestrom. Was ist hier falsch? Nach einer weiteren Stunde rumexperimentieren dann der Durchbruch: Die Minus-Leitung des Ladekabels war fälschlicherweise direkt am Batterie-Minuspol anstatt an der Masse-führenden Karosserie angeschlossen. Aber nur so erkennt der Computer offensichtlich den Stromfluss. Flugs umgehängt, und nun funktioniert die Anlage tadellos. Wieso denn nicht gleich??  Scheint die Sonne schön drauf, produzieren die Zellen nun ungefähr so viel Strom, wie der Kühlschrank verbraucht. Allerdings, die richtige Positionierung des Panels will noch geübt sein. Nun aber ab an den traumhaften Strand zum Erfrischen und Relaxen! Und dann den Sonnenuntergang bei einem Glas Palmschnaps, genannt Fenny, mit BitterLemon geniessen. Lecker!

Nach einem Faulenzer-Samstag haben wir heute unsere Sachen erneut gepackt, um unseren Freunden auch noch die Vagator-Beach zu zeigen. Unterwegs machen wir noch einen Stopp im Hafen vor Panaji, wo Ostschweizer Bekannte von Max und Maria Weber eben als Crewmitglieder auf einer viermastigen chinesischen Dschunke vor Anker liegen. Das Schiff gehört einem deutschen Abenteur-Buchautor, der über den Trip von Hongkong nach Europa erneut ein Buch schreiben wird. Little Vagator ist danach schnell erreicht, und wir kennen ja auch schon unseren Stellplatz.

Freitag, 19. 2.2005

Wie schnell doch unterdessen die Zeit vergeht! Fünf Tage haben wir gemeinsam mit Max und Maria Weber in Little Vagator verbracht, den Strand und das Meer genossen in den Restaurants geschlemmt und in den Bars eine Menge Cocktails getrunken. Den Rauch aus den Marihuana-Pfeifen erhielten wir dabei gleich gratis von den Nebentischen zugeblasen. Natürlich gehörte am Mittwoch auch ein Besuch des Hippie-Marktes im Nachbardorf Anjuna zum Programm. Sagenhaft, die Mengen an Kleider, Schuhen, Schmuck, Räucherstäbchen, Rauchutensilien (ja, eben diese dicken Pfeifen…) und sonstigem Krimskrams, die da feil geboten werden. Doch heute haben wir Max und Maria Weber bereits wieder auf den Flughafen bringen müssen; ihr zweiwöchiger Urlaub ist schon zu Ende, die tief verschneite Schweiz wartet… brrr!! 

Unsere Tage in Indien sind ebenfalls gezählt. Die Schiffspassage unseres LandCruisers nach Durban/Südafrika scheint nun soweit aufgeleist, dass wir den 5. März als Abfahrtstermin fixieren konnten. Und auch unser Flug nach Johannesburg in der Nacht vom 4. auf den 5. März ist gebucht – mit Emirates Airways via Dubai. Die Tickets können wir am nächsten Mittwoch in Panaji abholen.
 

Nach einem kulturellen Abstecher nach Old Goa, wo die Portugiesen vor rund 400 Jahren wahre Kathedralen von Kirchen gebaut haben, welche sich heute top restauriert in gepflegten Parkanlagen bewundern lassen, wollen wir vorher nochmals fünf Tage am schönsten Strand für Camper in Goa verbringen: an der Agonda Beach.

Donnerstag, 25.2.2005

Man kann schon verstehen, dass gewisse Camper nicht nur Wochen, sondern Monate lang an den Stränden von Goa verbringen, bevor im April die grosse Hitze und im Juni der Monsun das Paradies wieder relativieren. In Agonda stehen mehrere Wohnmobile (vor allem aus Deutschland) schon seit Ende November und machen noch keine Anstalten, ihre Solarpanels wieder einzuziehen und den Heimweg (oder noch einen Umweg über Nepal) anzutreten. Man gewöhnt sich hier unglaublich schnell ans Nichtstun. An den Bäcker, der jeden Morgen mit frischem Vollkornbrot (dem besten, das wir seit unserer Abfahrt in der Schweiz gegessen haben) vorbei kommt. Oder an die umliegenden Strandkneipen, wo man sich hervorragend verköstigen kann. Und der in den letzten Tagen aufgefrischte Wind vom Meer will noch gar nicht an die beginnende Hitzesaison erinnern.

Wir haben uns gestern von der Agonda Beach und ihren Langzeitgästen verabschiedet, auch von dem Zürcher Pärchen Michi und Sonja, die mit ihrem umgebauten Lastwagen versuchen wollen, auf dem Landweg durch Burma Richtung Singapur zu fahren – ein Unterfangen, das uns von der burmesischen Botschaft in der Schweiz noch vor anderthalb Jahren kategorisch verweigert worden war. Nachdem wir unsere Flugtickets in Panaji abgeholt, noch ein paar Einkäufe gemacht und unserem LandCruiser wieder einmal eine gründliche Dusche gegönnt haben, sind wir auf dem Weg nach Norden ein letztes Mal in Arambol gestrandet, einem Plätzchen, das wir ebenfalls schon kennen – nein, so schnell wird Goa uns nicht los!

Heute allerdings ist nicht mehr Faulenzen, sondern Frühlingsputz angesagt. Vor dem grossen Transfer nach Afrika wird der Innenraum unseres Campers komplett ausgeräumt, geputzt und von unliebsamen Untermietern wie Küchenschaben, Käfer und Ameisen befreit. Auch der Teppich wird gewaschen und der Blachenstoff des Aufstelldachs geschrubbt – sieht fast aus wie neu und macht wieder richtig Freude, darin zu wohnen. Und als Belohnung gibt es nach dem erfrischenden Bad im Meer ein Festessen am Strand im Schein des Vollmondes.

Montag, 28.2.2005

Der Übergang von Goa in den Bundesstaat Mahrastra könnte nicht abrupter sein. Kaum etwas ist mehr in Englisch oder zumindest in für uns lesbarer Schrift angeschrieben. Solange man auf dem Highway 17 nordwärts fährt, ist das ja noch kein Problem. Und wir fanden in der Nacht vom Freitag auf den Samstag sogar noch einen Offroad-Übernachtungsplatz etwas unterhalb eines kleinen Passes in den hügeligen West-Ghats. 

Doch gestern Sonntag wurde es wieder kompliziert: Wir wollten – einerseits möglichst nahe des Frachtbüros der Karam Freight Movers in Nava Mumbai (jener Firma, welche vor Ort den Transfer unseres LandCruisers nach Südafrika organisiert), andererseits aber fern des Smogs und der Hitze der Grossstadt – im Hill Resort Matheran campieren. Und prompt haben wir uns wieder mal verfahren. 40 Kilometer Umweg und eineinhalb Stunden später fanden wir die steile Bergstrasse in das auf 700 Meter Höhe gelegene Bergdorf doch noch. Oben angekommen – oh Gott! – ein Riesenchaos. Hunderte von Wochenendausflügler aus Mumbai waren eben daran, den Parkplatz des im übrigen autofreien Ortes zu verlassen. Und das staatliche MTDC Resort liegt unzugänglich für uns in der „Fussgängerzone“. Der Parkplatzwart hatte jedoch ein Einsehen und wies uns in einen sonst ebenfalls gesperrten Waldweg: perfektes Offroad-Camping! Und etwas Fitness: Zum Dorfzentrum sind es 2,5 Kilometer, die wir noch unter die Füsse nahmen. 

Ein eigenartiges Dörfchen! Nur Pferde, von zwei Mann gezogene Rikshas und eine schnuklige Schmalspurbahn ins Tal hinunter, das sind hier die Verkehrsmittel. Man fühlt sich fast etwas in einen Westernfilm versetzt.

Heute nun der grosse Moment: Klappt die Verschiffung unseres LandCruisers oder nicht? Nachdem wir das Büro von Karam erstaunlich schnell gefunden haben (das schwierigste war die Eroberung eines Parkplatzes), geht eigentlich alles easy von statten. Zwar müssen wir morgen nochmals vorbei, um die Papiere abzuholen und allfällige Fragen des Zolls noch genauer zu beantworten, doch mit dem Verladetermin am Donnerstag und der Bezahlung, die wir über die Schweiz abgewickelt haben, scheint alles zu laufen. 

Wir wählen anschliessend den Küstenort Alibagh als Standort für die letzten drei Camping-Nächte in Indien und haben prompt nochmals mit dem Unverständnis für unsere Art des Reisens zu kämpfen – Indien live! Schliesslich finden wir aber auch diesmal ein Guesthouse, und erst noch direkt am Meer, in dessen Garten wir stehen können.




Freitag, 4.3.2005

Es ist vollbracht!! Nachdem wir insgesamt drei Mal auf dem Büro der Karam Freight Movers vorsprechen mussten – zwei Mal eigentlich nur, um mit dem Chef eine Tasse Tee zu trinken – und einmal auch noch vergeblich zum Hafen bestellt wurden (seit Montag hatte die Frachtfirma alle unsere Unterlagen, aber offensichtlich wurde erst gestern Donnerstag mit dem Ausfertigen der Frachtpapiere begonnen), konnten wir heute Mittag endlich unseren LandCruiser in den Container stecken. Aber vorerst bedurfte es noch wiederholter Wutausbrüche und eines ziemlich bösen Telefons mit dem Karam-Chef. Meinten die doch tatsächlich, wir würden ihnen unseren Camper mit aller Spezialausrüstung einfach hinstellen und zum Einladen überlassen. Und heute Morgen kam der Agent der Frachtfirma auch noch eine halbe Stunde später als vereinbart zum Container-Terminal. 

Unsere Befürchtung, der LandCruiser sei zu hoch für den Container mit 2,27 Meter Einfahrtshöhe, bewahrheitete sich zum Glück jedoch nicht. Wir mussten nur Dachbox, Reservereifen und Waschkübel runternehmen und dann schöööön langsam reinfahren. Etwa zwei Zentimeter hatten wir noch Reserve, Reifendruck und damit auch Höhe reduzieren erübrigte sich. Tor zu, Vorhängeschloss dran, fertig!

Per Tuktuk zum Schiffsteg von Mora, mit dem Pendelschiff über die Bucht von Bombay mitten ins Herz der 15-Millionenstadt und schliesslich mit dem Taxi quer durch Luxusviertel und übelste Slums zum Flughafen. Das war‘s; bye, bye India! Es waren fünf interessante und abwechslungsreiche, aber nicht einfache Monate. Und wenn wir dieses Land nochmals bereisen würden, dann wohl nur noch im Rahmen eines dreiwöchigen Trips mit Flug und einer vor Ort gemieteten Royal Enfield (das ist in Indien so etwas wie eine Harley-Davidson). 

Nun sitzen wir auf dem Flughafen von Dubai, warten auf unseren Anschlussflug nach Johannesburg und hoffen, dass auch unser LandCruiser, wie geplant, morgen seine Schiffsreise nach Durban antritt und dort in etwa zwei Wochen von uns (hoffentlich unversehrt) wieder in Empfang genommen werden kann. Afrika, wir kommen!

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