Stürmischer Gegenwind politischer Art
Aufs Korn genommen wird der wieder genesene Tourismus, insbesondere jene Gruppe von Feriengästen, welche einem privat gemieteten Apartment, einer sogenannten "Vivienda Vacacional" gegenüber einem Hotel den Vorrang geben – sei es weil die Privatunterkunft preisgünstiger ist und/oder mehr Individualität zum Beispiel eine Küche, eine eigene Terrasse etc. bietet.
Der Hintergrund: Mit dem sprunghaften Wiederanstieg der Nachfrage nach Ferienunterkünften wurden zahlreiche Mietwohnungen zu Viviendas Vacacionales umfunktioniert, was wiederum die seit Jahren angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt hinsichtlich Angebot und Mietpreis-Niveau noch weiter verschärft. Soweit sind die Argumente der Aktivisten ja tatsächlich berechtigt.
Die Wohnungsknappheit könnte meiner Meinung nach aber durchaus mit anderen Mitteln entschärft werden. Einerseits in dem brach liegende, ungepflegte, weder durch Landwirtschaft genutzte noch als schützenswertes Naturgut eingestufte Landstriche von Zona Rural zur bebaubaren Zona Urbana umgezont würden. Ich denke da zum Beispiel an das wüstenartige Gebiet zwischen Vecindario und San Augustin im Südosten von Gran Canaria. Wer schon mal vom Flughafen nach Maspalomas runter gefahren ist, weiss wovon ich spreche. Dort hätte eine ganze Grossstadt drin Platz. Eine andere Lösung wäre eine Enteignung und Verwertung der allüberall vor sich hin gammelnden Bauruinen – Abriss und Neubau oder Weiterbau durch eine staatliche Instanz zur Wohnbauförderung!
Aber nein, nun liegt ein Gesetzesentwurf auf dem Tisch, der einerseits das Angebot der Viviendas Vacacionales begrenzen soll und andererseits deren Anbieter zum Teil schikanöse Auflagen macht. So soll die minimale Wohnfläche 39 m² bei Vermietung an einzelne Personen betragen bzw. 44 m² für zwei Gäste. Erinnert sich jemand noch an unseren Gästebungalow, welchen wir an unserem früheren Wohnort in El Paso/La Palma ebenfalls als VV über die Plattformen für maximal drei Personen anboten? Der hatte bloss 37 m². Beklagt hat sich dennoch niemand. Wir hatten sogar Paare, die bis zu drei Monate bei uns weilten. Eine weitere Vorschrift besagt, dass die Räume nur noch geheizt und gekühlt werden dürfen mit Einrichtungen der Energieklasse A. Worunter wäre wohl unser holzbefeuerter "Bullerjan"-Schwedenofen gefallen?
Doch das geht den Aktivisten von "Canarias Se Agota" ja noch nicht weit genug. Sie fordern ein Moratorium für den Tourismus, wie auch immer das aussehen soll, und eine Umweltabgabe für alle Touristen, welche auf die Inseln kommen. Oder mit den Worten, die unterdessen vielerorts an die Wände gesprayt wurden: TOURIST GO HOME! Wenn das nicht fremdenfeindlich sein soll, auch wenn die Initianten immer und immer wieder betonen, es gehe ihnen nicht um Tourismus-Phobie.
Doch es sind eben nicht nur die Touristen und ihre Gastgeber auf dem Radar der Aktivisten. Als weiteres Ziel wurden die Langzeit-Aufenthalter verortet. Also jene Ausländer, welche ihren Wohnsitz nach wie vor in ihrer Heimat haben, auf den Kanaren aber – vorzugsweise über den Winter – bis zu 180 Tage im Jahr verbringen. Sie sollen künftig keinen Wohnraum mehr käuflich erwerben dürfen. Zugegeben als nicht Residente zahlen sie hier zwar keine Einkommens-Steuer, wohl aber doch die relativ hohe Immobilien-Steuer (IBI = Impuesto Bienes Inmuebles).
Noch einen Schritt weiter geht der Ex-Präsident des Cabildo Insular von Teneriffa und Kandidat der politischen Partei Coalición Canaria für den Europarat, Carlos Alonso. Er nimmt sogar noch die echten Auswanderer aufs Korn, also jene, welche die Kanarischen Inseln zu ihrem Wohnsitz nehmen und die Residencia beantragen. Sie sollen künftig mit „einer Art Umwelt-Steuer“ belegt werden. Ja, gewiss, auch wir Ausländer brauchen Wasser und produzieren Müll.Unter diesem Link kann der originale Artikel in "Canarias Ahora" abgerufen werden.
Uns Steuer zahlenden, die Wirtschaft unterstützenden, Geld bringenden Ausländer will man also nicht mehr. Anderseits werden in den kanarischen Küstengewässern Woche für Woche ganze Bootsladungen von illegalen Migranten aus Afrika aus dem Wasser gefischt. Und wer bezahlt die für Rettung, Unterbringung, Weiter- oder Rückführung entstandenen exorbitanten Kosten? Gewiss nicht die Geretteten! Aber das sei nur am Rande bemerkt.
Zurück zum Thema: Der Anteil der im Ausland geborenen Residenten an der Gesamtbevölkerung der kanarischen Inseln liegt bei satten 22 Prozent. Zählt man noch die nicht residenten Langzeit-Aufenthalter dazu, dann dürfte dieser Wert noch um einiges höher sein. Angesichts des zunehmenden politischen Gegenwindes, der uns Ausländern entgegen bläst, ist es an der Zeit, dass wir eine Stimme erhalten, dass wir zu einer Ernst zu nehmenden politischen Kraft werden.
Dafür gibt es bereits eine Möglichkeit: Immerhin haben EU-Bürger auch in Spanien das Wahlrecht auf kommunaler Ebene, können sich also einerseits für Gemeindeparlamente zur Wahl stellen und andererseits wohlgesinnten Kandidaten Ihre Stimme geben. Das ist umso wichtiger, als hier zahlreiche politische Prozesse an die Gemeinden delegiert werden. Es braucht nun also in jeder Gemeinde engagierte Residente aus der Europäischen Union, welche sich zusammenschliessen und bei den nächsten Wahlen im Jahre 2027 Kandidaten stellen. Am besten unter einer multinationalen Dachorganisation, einer Art Canary Expats Party (CEP) oder so ähnlich.
Ah nein, leider kann ich mich selbst als Schweizer Bürger nicht zur Wahl stellen. Wir Eidgenossen geniessen als Nicht-EU-Land zwar über das Schengen-Abkommen die Niederlassungs-Freiheit, aber bei den politischen Rechten ist Schluss. Was mich aber nicht daran hinderte, meine Gedanken an die fremdsprachigen Medienportale der verschiedenen Inseln zu senden. Mit zum Teil unerwarteten Reaktionen. So hat sich das "La Palma 24 Journal" bereit erklärt, meine Zeilen als Gastbeitrag zu veröffentlichen.
Den ganzen Beitrag könnt ihr unter diesem Link lesen.
Der Schwedenofen ist wirklich ein kleines Stück Glück, besonders in Zeiten, in denen man sich von der Abhängigkeit des Stroms lösen möchte. Aber das Problem ist doch hier eher ein anderes. Ein sehr interessanter Artikel, der einem noch ganz andere Einblicke zulässt.
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